Extremes Unwetter in Oberbayern:"Das Wasser läuft wie in einer Dusche durch die Gebäude"

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Das Dach der Basilika wurde stark beschädigt. Inzwischen schützen Planen das Gotteshaus, aber auch diese wären bei Dauerregen nicht wasserdicht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Benediktbeuern und das dortige Kloster sind nach dem Hagelsturm stark beschädigt. Wie es dort nun weitergeht - und warum Betroffene fordern, den Katastrophenfall auszurufen.

Von Celine Chorus, Benediktbeuern

Auch zwei Tage nach dem verheerenden Hagelsturm ist die Feuerwehr weiterhin im Dauereinsatz. Es war eines der heftigsten Unwetter, das die Region jemals gesehen hat: Mehrere Kommunen wurden durch den Hagelsturm so stark verwüstet, dass an die 80 Prozent aller Gebäude beschädigt sind und keine Scheibe ganz geblieben ist. Die Polizei berichtet von zahlreichen Verkehrsunfällen mit mindestens sechs verletzten Personen. Rehe haben den Niederschlag nicht überlebt, andere Tiere, darunter Störche, blieben teils schwer verletzt auf den Feldern liegen.

Nicht einmal zehn Minuten hat das Unwetter am Samstagabend gedauert - aber der Schaden, den es angerichtet hat, ist noch längst nicht abzusehen.

In Lenggries, Kochel am See und Arzbach seien die meisten Dächer so weit repariert, dass der Feuerwehreinsatz beendet werden konnte, erklärt Kreisfeuerwehrsprecher Stefan Kießkalt. In der Gemeinde Benediktbeuern aber galt am Montag noch immer der Ausnahmezustand. Dort hat so gut wie kein Haus mehr ein intaktes Dach, in den Außenfassaden hinterließen die Hagelkörner zahllose Löcher. Auch am Montag haben etwa 400 Rettungskräfte die anfallenden Einsätze abgearbeitet. Immer noch gilt es, Dächer abzudichten und Wasser aus den Gebäuden zu bekommen.

Fenster wurden notdürftig mit Folien gesichert, auch die des berühmten Barocksaals (im Bild). (Foto: Claudia Koestler)

Der Hagel hat auch das historische Kloster Benediktbeuern, ein kulturelles Zentrum in Oberbayern, nicht verschont. Bilder, die das Kloster in den sozialen Medien postete, geben einen Eindruck von den Verwüstungen. Sämtliche Fenster sind geborsten, Dachplatten wurden abgedeckt - und überall lief Wasser in die Gebäude. Es sei so viel kaputt gegangen, dass es noch sehr lange dauern werde, alles aus dem Weg zu räumen. Der Schaden lässt sich nach Pressesprecherin Karin Birk noch nicht beziffern: "Wir sind noch gar nicht fertig mit der Bestandsaufnahme."

Verwehte Dachziegel füllen den Innenhof des Klosters. (Foto: Claudia Koestler/oh)
Die Westseiten des Klosters sind am heftigsten betroffen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das nächste Problem lauert aber schon. Es besteht die Sorge, dass das eindringende Wasser die Statik gefährden könnte - und für die nächsten Tage wird Dauerregen prognostiziert. "Teilweise läuft das Wasser wie in einer Dusche durch die Gebäude", beschreibt Birk die dramatische Situation im Inneren des Klosters. Gäste mussten in Sicherheit gebracht werden, Teile der Anlage sind nicht mehr gefahrlos zu betreten. Bis auf Weiteres ist das Kloster deshalb gesperrt. Die Schäden zu beheben, könnte aber wohl noch Jahre dauern.

Überall im Kloster Benediktbeuern sind Fenster kaputt. Der Schaden lässt sich noch nicht beziffern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Am Sonntag versuchten die Helfer alles, um die beschädigten Dächer mit Planen notdürftig gegen den Regen zu schützen. Höchste Priorität hatten laut Birk zunächst die Basilika und die Anastasiakapelle: "Wir versuchen, uns so gut es geht zu behelfen, um das Wasser am Eindringen zu hindern. Es sind aber nicht genügend Planen vorhanden, um alles gleichzeitig zu machen." Die Basilika sei inzwischen provisorisch abgedeckt, nun sei die Anastasiakapelle an der Reihe und erst im Anschluss das Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK).

Auch dem Klosterbräustüberl hat das Unwetter zugesetzt. (Foto: Harry Wolfsbauer/Harry Wolfsbauer)

Die Unwetterschäden am Kloster Benediktbeuern betreffen auch das Zentrum für Trachtengewand des Bezirks Oberbayern. Aktuell werden die Sammlung und die Bibliothek, also rund 40 000 Objekte, ins Freilichtmuseum Glentleiten evakuiert, da in dem Klostertrakt Feuchtigkeit durch die kaputten Fenster eindringt. "Die Mitarbeitenden werden ins Homeoffice gehen", berichtet die Pressereferentin Kerstin Schwabe. An der Glentleiten soll ein großer Teil in der Zollinger Halle untergebracht werden.

Martin Schellerer und seine Familie bekamen das Unwetter am Samstag ebenfalls mit voller Wucht zu spüren. Gegen 21 Uhr hat er einen Notruf abgesetzt, dass in seinem Wohnhaus in Benediktbeuern sämtliche Fenster kaputt sind und über das beschädigte Dach Wasser eindringt. Dieser konnte von den Einsatzkräften jedoch erst am Sonntag nach 14.30 Uhr bearbeitet werden. Zwar habe sich die Feuerwehr um ein Dachfenster gekümmert, das Dach abzudichten, hätte für sie aber keine Priorität gehabt.

Schellerer kritisiert die Entscheidung von Landrat Josef Niedermaier (FW), nicht den Katastrophenfall ausgerufen zu haben. Niedermeier begründete sein Verhalten damit, dass die Einsatzkoordination und -organisation innerhalb des Landkreises und auch dank der Unterstützung von Hilfskräften aus den umliegenden Nachbarkommunen funktioniere ( hier die ausführliche Begründung des Landrats). "Wir brauchen keine Hubschrauber und auch kein Trinkwasser, aber wir brauchen Notdächer", appelliert Schellerer - und verweist auf Bad Bayersoien im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Dort hat der Landrat am Sonntag überregionale Hilfe angefordert.

Die Gemeinden Benediktbeuern und Bichl haben derweil wichtige Hinweise an Betroffene weitergegeben, wo der Schutt angenommen wird: Im gemeindlichen Wertstoffhof von Bichl können Grüngut und Dachplatten ganztägig abgegeben werden. Auch der Wertstoffhof Benediktbeuern nimmt Grüngut die ganze Woche über entgegen. Dachplatten können in den extra aufgestellten Containern am Bahnhofsplatz, im Gewerbegebiet/Parkplatz Elprog und am Dorfplatz/Kriegerdenkmal entsorgt werden.

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