Der Grünten ist einer der markantesten Berge im Oberallgäu. Zwar zählt er mit seinen 1738 Metern gewiss nicht zu den höchsten. Aber mit dem hundert Meter hohen Sendemasten am Gipfel ist er schon von Weitem erkennbar, gleich aus welcher Himmelsrichtung man ins Oberallgäu fährt. Außerdem ragt er direkt am Nordrand der Allgäuer Alpen auf, er ist allen anderen Bergen der Region vorgelagert. Wohl deshalb wird der Grünten auch "Wächter des Allgäus" genannt. Von seinen Höhen aus hat man einen fantastischen Blick von der Zugspitze im Osten über die Allgäuer Hochalpen bis hinein in die Schweizer Berge. Der Grünten zählt zu den beliebtesten Bergen im Allgäu - bei den Einheimischen wie bei den Urlaubern.
Doch nun tobt ein wüster Streit um den Berg. Er dreht sich um die "Grünten Berg-Welt". Das ist ein Freizeitpark, der den Tourismus in der Region ankurbeln soll. Die Oberallgäuer Unternehmerfamilie Hagenauer, die bereits am nahen Alpsee einen Freizeitpark betreibt, will ihn anstelle des kleinen, vor zwei Jahren pleite gegangenen Skigebiets oberhalb der Ortschaft Kranzegg einrichten. Zwar haben Sabine Hagenauer und ihr Mann Martin, die mit ihren Kindern Anja und Michl die "Grünten Berg-Welt" planen, mächtige Unterstützer.
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Die umstrittene Seilbahn zu dem 1874 Meter hohen Gipfel ist seit ein paar Tagen in Betrieb. Das Projekt ist deutlich teurer geworden als veranschlagt - der bedrohten Vögel wegen.
Der Gemeinderat von Rettenberg, zu dem Kranzegg gehört, hat sich einstimmig für das Projekt ausgesprochen. Auch der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz (CSU) wirbt dafür. Viele Einheimische, Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) lehnen das Projekt aber strikt ab. Sie sprechen von "aggressivem Tagestourismus", "Rummelplatz am Berg", "Kasse statt Klasse" und der "Zerstörung des Grünten". Hubert Müller und andere Kranzegger drohen mit einem Bürgerbegehren, falls die Gemeinde kommunale Flächen für den Freizeitpark bereitstellt. Auch die Alpbauern, auf deren Grund die Hagenauers die "Berg-Welt" einrichten wollen, sind tief in zwei Lager gespalten.
Die "Grünten Berg-Welt" ist ein 30-Millionen-Euro-Projekt und soll einmal das ganze Jahr über geöffnet sein. Ihr Herzstück ist eine neue Kabinenbahn, in deren Gondeln je zehn Passagiere Platz haben. Oben an der Bergstation wollen die Hagenauers die alte, urige Grüntenhütte abreißen und eine neue, deutlich größere mit Platz für gut 550 Gäste in den Gaststuben und auf der Terrasse hinstellen. Unklar ist, ob und wenn ja wie viele Übernachtungsplätze in der neuen Gaststätte möglich sind. In jedem Fall aber soll um sie herum ein weitläufiger Spielplatz samt Streichelzoo entstehen. Zentral für den Sommerbetrieb ist die "Walderlebnisbahn", welche die Hagenauers von der Bergstation der Gondelbahn gut drei Kilometer weit durch den Bergwald hinab zur Talstation planen. Die Bahn besteht aus zwei Schienen, die oben in der Luft zwischen den Bäumen montiert oder an speziellen Stützen aufgehängt sind. Die Passagiere rasen in Geschirren unten an den Schienen den Berg hinunter. Auf der "langsamen Linie" soll Tempo 15 möglich sein, auf der "schnellen" bis zu Tempo 60. Außerdem sollen die Bergwege hinauf auf den Grünten "neu geordnet" und alte Pfade aufgelassen werden.
Für den Winterbetrieb will die Familie Hagenauer das reichlich angegraute Skigebiet modernisieren. Zusätzlich zu der Gondel plant sie einen Sechser-Sessellift, einen Tellerlift und - für Skikurse - ein Winter-Kinderland mit "Zauberteppich" und "Pistentaxi". Natürlich soll die alte Beschneiungsanlage verstärkt werden. Für Nicht-Skifahrer will man eine "Naturrodelbahn" einrichten, für Skitourengeher und Schneeschuhwanderer soll es ebenfalls Angebote geben. Denn das hat der Stillstand des Skigebiets in den letzten Wintern gezeigt: Auch ohne Lifte, Schneekanonen und planierte Pisten ist der Andrang der Wintersportler am Grünten groß. So groß, dass Umweltschützer sagen, für den Wintersport bräuchte es die Aufrüstung nicht.
Betrieb rund ums Jahr
Für den Rettenberger Vize-Bürgermeister Thomas Tanzer ist die "Grünten Berg-Welt" freilich eine "Riesenchance". Mit dem Projekt "erfüllt die Familie Hagenauer der Gemeinde einen großen Wunsch", sagt er. "Wir bekommen endlich wieder einen gesicherten Winterbetrieb und dazu ein höchstattraktives Sommerangebot." Landrat Klotz spricht von einem "neuen Glanzpunkt, der nicht nur Rettenberg voranbringt, sondern die ganze Region". Auch in den beiden Werbeveranstaltungen unlängst in Kranzegg kam das Projekt gut an, Skiklub-Obere, Touristiker, Gastwirte - alle äußerten sich begeistert. Kritiker waren offenbar erst gar nicht gekommen oder hielten sich bedeckt.
Gleichwohl gärt es in Rettenberg. Selbst Vize-Bürgermeister Tanzer und Landrat Klotz sprechen offen davon, dass der Ort "völlig gespalten ist". Vor allem der Sommerbetrieb und der Rollglider stoßen auf Ablehnung. "Das ist keine Walderlebnisbahn", sagt auch der Freizeitpark-Gegner Müller. "Das ist eine Waldzerstörungsbahn, die unseren Bergwald mit seiner wertvollen Flora und Fauna unwiederbringlich schädigt." Allein schon wegen der Geräuschkulisse. "Sie passt zu einer Achterbahn und einem Rummelplatz", sagt Müller, " aber nicht in die freie Natur." Auch für einen nachhaltigen Tourismus bringe der Freizeitpark keine Impulse. "Im Gegenteil, denn das Projekt richtet sich nur an Tagesgäste", sagt Müller. "Die Belastungen sind deshalb sehr viel größer als der Nutzen." Die Gegner befürchten "massiv mehr Lärm und mehr Verkehr". Zwar haben die Hagenauers Gutachter beigezogen, die beides dementieren. Aus Müllers Sicht arbeiten die Gutachten aber mit falschen Annahmen. Er verweist auf den Freizeitpark der Familie am Alpsee und die Autoflut, die an schönen Tagen über dessen Umgebung hereinbricht.
Beim BN und beim LBV teilen sie Müllers Überzeugung. "Wenn der Freizeitpark am Grünten kommt, dann sind an schönen Tagen dort oben 2000 Besucher und mehr gleichzeitig unterwegs", sagt der BN-Mann Thomas Frey. "So einen Massenansturm hält der Berg nicht aus, auch wenn dort seit jeher viele Wanderer unterwegs sind." Brigitte Kraft vom LBV weist darauf hin, dass der Grünten mitten im Landschaftsschutzgebiet liegt. "Und gleich an der neuen Bergstation befinden sich ein europäisches Schutzgebiet, die Schutzzone C des Alpenplans, etliche wertvolle Biotope und Lebensräume für streng geschützte Vögel wie das Birkhuhn." Der BN und der LBV unterstützen Müller und dessen Mitstreiter denn auch in ihrem Kampf gegen den Freizeitpark. Die Familie Hagenauer wiederum hofft, dass sie die Baugenehmigung möglichst schon 2020 bekommt.