Landtagswahl 2023:Bloß nicht als "München-Partei" dastehen

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Nach der Wahl können die Grünen ihre Plakate abbauen, jetzt geht es um die Analyse des erzielten Abstimmungsergebnisses. (Foto: IMAGO/Manngold)

Die Grünen haben sich trotz der Stimmverluste wenig vorzuwerfen, insbesondere was ihre Spitzenkandidaten betrifft. Allerdings erkennen sie ein "Vermittlungsproblem" ihrer Themen.

Von Johann Osel, München

Kleiner ja, aber "unverzagt" wird sich die neue Grünen-Fraktion am Montag erstmals treffen. In der Katholischen Akademie in München, noch nicht im Landtag. Wer sich umhört in der Breite der Partei in diesen Tagen, der bekommt derlei zu hören: "kein Anlass zum Wunden lecken" oder "nix da mit Kopf in den Sand". Das war auch die Erzählung, wie sie die Spitzenkandidaten und Fraktionschefs Katharina Schulze und Ludwig Hartmann schon am Montag bei der ersten Pressekonferenz nach der Wahlnacht verbreiteten: "Bitter" mag das Ergebnis - 14,4 Prozent, minus 3,2 Punkte - schon sein, aber angesichts eines "deutlichen Rechtsrutsches" auch bitter für Bayern. Sie meinten das Erstarken der AfD im Freistaat und offenbar auch der Freien Wähler von Hubert Aiwanger. Letztlich habe man sich doch "stabil verankert". Und der Verlust des inoffiziellen Titels der zweitstärksten Kraft, der Oppositionsführung im Landtag sogar? Mei, bloß kein Selbstmitleid, weiter geht's. So wirkte das.

Dass intern aber bei der dreitägigen Auftaktklausur der Fraktion auch Analyse angebracht ist, kritische Analyse, bezweifelt dann doch niemand. Kein Scherbengericht, kein Abrücken von Kernpositionen. Schulze und Hartmann dürften zudem unangefochten an der Spitze bestätigt werden, jedenfalls sind keine anderslautenden Stimmen zu vernehmen. Die beiden sind die bekanntesten Gesichter der Grünen in Bayern und waren Zugpferde: Hartmann in München-Mitte König der Partei bei den Erststimmen, die oberbayerische Listenführerin Schulze bei den Gesamtstimmen. Dagegen, hört man durchaus in Parteikreisen, gebe es auf dem Land offensichtlich ein "Vermittlungsproblem". Nicht, dass die Themen oder Kandidaten falsch gewesen wären - aber man habe unter dem massiven Druck der Angriffe der Konkurrenz vielleicht zu wenig dagegen gehalten, nicht genug erklärt, zu "akademisch" agiert. Mit dem Wahlergebnis und der Besetzung der neuen Fraktion drohe die öffentliche Wahrnehmung als "eine Art München-Partei". Gegen diesen Eindruck müsse sich die neue Fraktion jetzt unbedingt stemmen.

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Zunächst eine Bestandsaufnahme: Das Ergebnis bringt 32 statt 38 Mandate, vier davon wurden in der Landeshauptstadt direkt gewonnen. Fast die Hälfte der Abgeordneten stammt aus Oberbayern, nämlich 14. Und davon allein zehn aus Stadt und Landkreis München. Mehrere bisherige Abgeordnete, die erneut kandidiert haben, verpassten den Wiedereinzug. Der prominenteste ist der Landtagsvizepräsident Thomas Gehring aus dem Allgäu. Ebenfalls in Schwaben schaffte es Christina Haubrich nicht mehr, in Oberbayern die Vize-Fraktionschefin Gisela Sengl, in der Oberpfalz Anna Schwamberger, in Mittelfranken Elmar Heyn. Bis dato wie auch künftig kein Mandat hat der Grünen-Landesvorsitzende Thomas von Sarnowski, Platz 17 in Oberbayern, 14 kamen rein.

Es gibt vier neue Gesichter in der Fraktion: Andreas Birzele (Stimmkreis Fürstenfeldbruck-Ost), Mia Goller (Rottal-Inn), Julia Post (München-Pasing), Laura Weber (Weiden in der Oberpfalz). Der Frauenanteil ist leicht gesunken, auf 46,8 Prozent. Paul Knoblach, 69, aus Unterfranken bleibt im Landtag, er wird Alterspräsident sein und die erste Plenarsitzung eröffnen. 2018 hatte Helmut Markwort, 86, diese Rolle übernommen, die FDP aber flog aus dem Landtag. Jüngster Abgeordneter der Grünen bleibt Florian Siekmann aus München, 28 - im Landtag gibt es diesmal aber jüngere Kollegen, bei der CSU und vor allem in der AfD-Fraktion.

Der von den Grünen diagnostizierte "Rechtsrutsch", der Ampel-Trend, der Unmut übers Heizgesetz, ist das zu kurz gegriffen? Eine Frage, die auch schon im Wahlkampf hinter vorgehaltener Hand in der Partei aufgetaucht ist. Eigentlich wachsen die Grünen im Vergleich zu 2018: mehr Mitglieder, mehr Ortsvereine auch auf dem Land, auch neue Gemeinderäte mancherorts. Durchgeschlagen hat das nicht bei der Wahl. Seit 2020 zeigten einzelne Umfragen die Grünen klar bei mehr als 20 Prozent. Es hat also Zeiten gegeben, in denen sich auch mehr Menschen auf dem Land, etwa in Ostbayern, ein Kreuz bei den Grünen vorstellen konnte. Jetzt haben sie in Niederbayern und in der Oberpfalz einstellig abgeschnitten.

In der bisherigen Arbeit der Fraktion gebe es ausreichend Gespür fürs Land und die wichtigen Themen, für alles Ideen und Konzepte, hört man aus der Partei. Aber nicht selten "zu detailverliebt", in Aktionsplänen oder Zehn-Punkte-Programmen. Womöglich müsse man künftig auch mal "einfacher mit Inhalten rausgehen", trotz "Fakten-Faible". Wobei das in diesem Wahlkampf gegen die "aufgebauten Zerrbilder" der Verbotspartei - etwa bei Essen, Autofahren, Eigenheim - wohl auch nicht mehr geholfen hätte. Eine Stadt-Land-Debatte jetzt innerhalb der Partei oder Fraktion ist indes nicht zu erwarten. Es dominiert vielmehr die Ansicht: Zum Glück gibt es die München-Stärke, die das immer noch passable Ergebnis ermöglichte.

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