Gekündigte Bosch-Mitarbeiter:Jurist versäumt Fristen für 40 Mandanten

Lesezeit: 3 min

Im Bosch-Werk in Ansbach werden unter anderem Komponenten für das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP in Fahrzeugen gefertigt. (Foto: oh)
  • Der Anwalt einer Gewerkschaft hat vergessen, Berufung für 40 seiner Mandanten einzulegen, denen bei Bosch in Ansbach gekündigt worden war.
  • Den ehemaligen Mitarbeitern droht nun der komplette Verlust einer Abfindung.
  • Nun klagen die früheren Mandanten gegen die Gewerkschaft.

Von Katja Auer, Ansbach

Ein kleines Licht war Silvia Pfahler bei Bosch, das sagt sie selber. Schichtarbeit an der Maschine, drei Jahre hat sie Teile für Steuerungsgeräte im Werk in Ansbach gefertigt. Fest angestellt war die 50-Jährige nie, sie hatte befristete Verträge, die immer wieder verlängert wurden. Bis 2013, als das Unternehmen mehren Mitarbeitern mit ebensolchen Verträgen kündigte. 90 davon zogen vor Gericht, auch Silvia Pfahler, denn befristete Verträge dürfen nicht beliebig oft verlängert werden. In einem Ergänzungstarifvertrag, den die IG Metall mit Bosch abgeschlossen hatte, war nicht festgeschrieben, wie oft die Befristung fortgeführt werden dürfte. Das war die Chance für die Arbeiter, sich bei dem Unternehmen einzuklagen.

Bosch bot den Mitarbeitern eine Abfindung von 3000 Euro an, das lehnten die meisten ab. Sie wollten weiterklagen, die zweite Instanz allerdings hätte sie sich gar nicht leisten können, sagt Silvia Pfahler, "wir waren ja alle arbeitslos". Eine Rechtsschutzversicherung hatte sie nicht. Da kam das Angebot der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) gerade recht, die die Arbeiter aufnehmen und vor Gericht vertreten wollte. Pfahler nahm an und wechselte von der Ansbacher Kanzlei Sommer, die sie bis dahin vertreten hatte, zur CGM. Wie etwa 40 andere Kollegen. Wenn sie gewusst hätte, was dann passieren sollte, hätte sie das allerdings nicht gemacht.

Zweiter Vergleich mit mehr Geld

Die Verhandlungen gingen also weiter und Bosch bot den ehemaligen Mitarbeitern einen zweiten Vergleich über 6000 bis 7000 Euro an, je nach Gehaltsgruppe. Zumindesten jenen, die nicht von der CGM vertreten wurden. Die bekamen gar nichts. Der Jurist der Gewerkschaft nämlich hatte versäumt, rechtzeitig Berufung für seine neuen Mandanten einzulegen. Nicht nur eine, sondern alle Fristen für alle 40 Arbeiter über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen verpasste er. Die Berufungen wurden als unzulässig abgewiesen.

"Ich habe gewartet und gewartet", erzählt Silvia Pfahler, aber es passierte nichts. Bis sie schließlich selbst beim Gericht in Nürnberg nachfragte und dort erfuhr, dass es gar kein Verfahren Pfahler gegen Bosch mehr gebe.

Jetzt will sie das Geld von der CGM. Wie ihre Kollegen, die nun gegen die Gewerkschaft klagen. Wieder vertreten von der Ansbacher Kanzlei Sommer. Am Dienstag berät das Oberlandesgericht Stuttgart über den Fall. Für Rechtsanwalt Daniel Sommer steht fest, dass die 40 CGM-Mandanten die gleiche Summe erhalten hätten wie die 50 anderen Arbeiter, die von anderen Anwälten vertreten worden waren. Das habe ihm auch die Firma Bosch bestätigt.

Ob die CGM dafür zahlen muss, das ist allerdings nicht ganz so eindeutig. Dass der Fehler passiert ist, bestreitet niemand. Der Anwalt sei psychisch krank gewesen, sagt CGM-Geschäftsführer Martin Gerhardt, "er war nicht handlungsfähig". Das allerdings habe niemand bemerkt, zumal der Mann als Jurist mit solchen Dingen bestens vertraut gewesen sei. Eindeutig also.

Dennoch will die Gewerkschaft den Arbeitern das Geld nicht einfach so ersetzen, dass ihnen entgangen ist. "Das ist eine versicherungsrechtliche Angelegenheit", sagt Gerhardt. Die Vermögenshaftpflichtversicherung der Gewerkschaft nämlich, die in solchen Fällen einspringt, will geklärt wissen, ob die Arbeiter tatsächlich auch vor Gericht gegen Bosch gewonnen hätten. Ein Urteil gab es damals nicht, da sich die ehemaligen Mitarbeiter und das Unternehmen außergerichtlich auf die bis zu 7000 Euro Abfindung geeinigt hatten. Ob auch ein Prozess so ausgegangen wäre, soll nun das Oberlandesgericht in Stuttgart klären.

Zur Not bis zum Bundesgerichtshof

Daniel Sommer will den Prozess, den er zunächst für einen ehemaligen Boschler als Pilotverfahren führt, zur Not bis zum Bundesgerichtshof durchfechten. Für ihn steht fest, dass auch die 40 Bosch-Mitarbeiter den Vergleich angeboten bekommen und auch angenommen hätten. Also sei ein echter Schaden entstanden, das müsse das Gericht anerkennen. CGM-Bundesgeschäftsführer Gerhardt glaubt nicht, dass am Dienstag ein Urteil fällt. Er gehe davon aus, dass die Sache erörtert werde und es ein Vergleichsangebot geben werde. Wenn die Versicherung einlenke, kann er sich vorstellen, dass die CGM selbst noch etwas Geld dazugebe, damit die ehemaligen Mitglieder einen Ausgleich bekommen.

Silvia Pfahler arbeitet nicht mehr, sie sei krank geworden bei Bosch, sagt sie. Der Druck sei hoch gewesen, denn sie hätte gerne ein Festanstellung gehabt. Jetzt will sie wenigstens die Abfindung.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Dienst
:SZ München-News per WhatsApp, Telegram oder Insta

Wissen, was München bewegt: Der WhatsApp-Kanal der Süddeutschen Zeitung bietet einen schnellen und bequemen Nachrichtenservice für die Stadt. Abonnieren Sie ihn kostenlos.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: