Verkehr:Mit der Laserpistole gegen Temposünder

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Der Mann an der Laserpistole: Polizeihauptmeister Julian Kolein misst die Geschwindigkeit der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Wer zu schnell ist, muss anhalten. (Foto: Georgine Treybal)

Mit dem Blitzer-Marathon will die Polizei Autofahrer dazu bringen, sich an Tempolimits zu halten. Doch was bringt die Aktion? Und wie arbeiten die Beamten? Ein Vormittag an einer Messstelle.

Von Linus Freymark, Gauting

Da, der Kastenwagen! Julian Kolein winkt und zeigt auf das Fahrzeug. "84", ruft er über die Straße. Seine Kollegen Josef Schmid und Alexander Strahberger reagieren sofort: Der eine hebt die Kelle, der andere lotst den Wagen in eine Parkbucht. Führerschein, Fahrzeugpapiere bitte. Dann klärt Strahberger den Fahrer auf: Der Mann ist mit 84 Kilometern pro Stunde statt der erlaubten 70 gemessen worden. Macht 40 Euro, vor Ort zahlbar in bar oder mit Karte.

Der Fahrer ist über beide Optionen wenig erfreut. Er müsse zum Arzt und sei schon spät dran, schimpft er. Dann zahlt er doch, allerdings nicht ohne vor dem Weiterfahren seine Quittung zu zerreißen. "Der hat sich ein bisschen echauffiert", konstatiert Schmid, als Fahrer und Kastenwagen um die nächste Kurve gebogen sind. Schmid, Polizeioberkommissar, seit 2007 Verkehrssachbearbeiter in der Polizeiinspektion Gauting, kennt das: Manche regen sich auf, andere zeigen Einsicht. Aber gerade an diesem Freitag hätte der Fahrer wissen können, dass genau hier, am Ortsausgang auf der Strecke nach Starnberg, Schmid und seine Kollegen mit der Laserpistole stehen.

Denn wo die Polizei während des bayernweiten Blitzer-Marathons Jagd auf Raser macht, ist kein Geheimnis: Die Messstellen stehen im Internet. Ziel der Aktion ist es schließlich nicht, so viele Bußgelder wie möglich abzukassieren, sondern Autofahrer für die Gefahren zu sensibilisieren, die aus zu schnellem Fahren resultieren. 125 Menschen sind laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im vergangenen Jahr auf den Straßen im Freistaat bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, bei denen zu hohe Geschwindigkeiten die Ursache waren.

"Diese schlimmen Schicksale wären vermeidbar gewesen", erklärt Herrmann. "Unser Blitzmarathon soll wachrütteln, sich unbedingt an die Tempolimits zu halten." Denn zu schnelles Fahren sei "eine der Hauptursachen für schwere Verkehrsunfälle", so der Minister. Ob eine einmalige Aktion dafür das richtige Mittel ist, ist umstritten. Nicht jedes Bundesland, darunter Berlin und Sachsen, macht beim Blitzer-Marathon mit. Zu hoher Aufwand, zu geringer Effekt, sagen die Kritiker. Wieder andere, darunter Hessen, Thüringen und Bayern, sind von der Wirkung überzeugt.

Bitte anhalten! Josef Schmid winkt am Ortsrand von Gauting einen Autofahrer an den Fahrbahnrand. (Foto: Georgine Treybal)
Wer zu schnell fährt, muss mit einem Bußgeld und einer Belehrung durch Josef Schmid (links) und Alexander Strahberger rechnen. (Foto: Georgine Treybal)

Und deshalb steht Schmid mit seinen Kollegen am Freitagmorgen in Gauting im Regen. Der Himmel ist genauso grau wie der Asphalt, nur die Signalfarben auf den Jacken der Polizisten leuchten in die Landschaft. Auto für Auto rauscht vorbei, im Hintergrund brummt der Motor des Polizeiwagens. Das ist Absicht: Sollte jemand vor der Kontrolle flüchten, verlieren die Polizisten keine Zeit damit, ihren Wagen zu starten. Die Beamten haben sich hinter Hecken und Schildern so postiert, dass sie nicht leicht zu sehen sind. Und so geht ihnen immer wieder jemand ins Netz. Ein schwarzer Sportwagen zum Beispiel, der wie der weiße Kastenwagen mit 84 statt 70 Stundenkilometern unterwegs ist.

Im vergangenen Jahr hat das Polizeipräsidium Nord in seinem Zuständigkeitsbereich, zu dem der Landkreis Starnberg und damit auch die Gautinger Inspektion zählt, beim Blitzer-Marathon fast 36 000 Messungen registriert. 888 Verstöße wurden dabei festgestellt; in der Relation ist das nicht allzu viel. "Die meisten halten sich an die Geschwindigkeiten", sagt auch Josef Schmid. Dennoch wurden bayernweit fast 9000 Verstöße festgestellt, knapp 1200 davon in München. Trauriger Höhepunkt: ein Autofahrer, der bei Freising statt der vorgeschriebenen 60 mit 155 Kilometern pro Stunde unterwegs war.

Zurück zur Messstelle, an der ein Tesla-Fahrer gerade den bisherigen Tagesrekord aufgestellt hat: 92 Sachen statt der erlaubten 70, macht 60 Euro plus Gebühren. Denn die Sache hat für den Fahrer ein Nachspiel. "Da sind wir jetzt schon im Anzeigenbereich", sagt Schmid. Deshalb gibt es für den Fahrer zusätzlich den kostenfreien aber nachdrücklichen Hinweis der Beamten, welche Gefahren zu schnelles Fahren birgt. "Die Leute unterschätzen das", sagt Schmid. Genau wie die anderen Gefahren im Straßenverkehr: Ein Blick aufs Handy, ein fehlender Sicherheitsgurt, all das kann schwere Folgen haben.

"Manche fahren auch viel zu langsam"

Durch das Laserhandmessgerät, wie die Radarpistole korrekt heißt, kann Julian Kolein aus mehreren hundert Metern Entfernung erkennen, was in der Fahrerkabine vor sich geht. Ist einer am Handy, ziehen die Polizisten ihn raus. Und: Das Gerät liefert ihm in Sekundenschnelle die Geschwindigkeit der Fahrzeuge: 69, 57, 33. Moment mal, Herr Kolein - fährt da wirklich einer 33 statt der erlaubten 70 Kilometern pro Stunde? "Ja", erklärt Kolein. "Manche fahren auch viel zu langsam." Das könne ebenfalls gefährlich werden; schließlich werde dadurch der Verkehrsfluss erheblich gestört. Ahnden könne man das aber nicht. "Es gibt keine Mindestgeschwindigkeit."

Wie viele Autofahrer die Polizei beim Blitzer-Marathon bayernweit geblitzt hat, steht erst an diesem Samstag nach Abschluss der Aktion fest. Aus Gauting gibt es hingegen am Mittag eine Zwischenbilanz: Sechs Autofahrer haben Schmid und seine Kollegen angehalten. Das sei nicht die Welt, kommentiert Inspektionsleiter Andreas Ruch das Ergebnis. Aber dass trotz der zuvor veröffentlichten Messstellen überhaupt jemand erwischt werde, sei schon "erstaunlich". Und Josef Schmid ergänzt, ein gewisser Kontrolldruck sei wichtig, um Autofahrer dazu zu bewegen, nicht zu schnell zu fahren. Denn nicht immer fallen die Geschwindigkeitsverstöße so gering aus wie bei dem Kastenwagen.

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