Garmisch-Partenkirchen:Dieser Mann bringt die Post auf die Zugspitze

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Andreas Oberauer ist mieses Gipfelwetter gewohnt, seine Kollegin Andrea Bunar aus dem Spreewald nicht. (Foto: DP/Warmuth)

Was nicht unmittelbar zum Tod führt, härtet ab: Mit dieser Einstellung arbeitet Andreas Oberauer seit 19 Jahren. Für seine Kollegin aus dem Spreewald wäre das nichts.

Von Markus Mayr, Garmisch-Partenkirchen

So hoch war Andrea Bunar noch nie. Die Postbotin aus dem Spreewald gibt zu: "Ich war noch nie in den Alpen." Bei ihr daheim überbringt die 45-Jährige die Post in einem Kahn. An diesem Dienstag aber begleitet sie ihren Kollegen Andreas Oberauer, der wie sie einen der ungewöhnlichsten Zustellbezirke der Deutschen Post hat. Der 51-Jährige bringt Briefe und Pakete auf die Zugspitze. Und obwohl seine Wege dort oben über Beton und nicht über Felsboden führen, hat Oberauer seiner Kollegin aus dem flachen Land eigens dafür Bergschuhe mitgebracht.

Die Fahrt in den grauen Himmel dieses Vormittags beginnt am Eibsee und endet ganz oben auf 2962 Metern. Die Kabine der Gondelbahn verschwindet in den Wolken, Oberauer und Bunar schwindet die Sicht. Als es wieder aufklart, haben die Bäume schon längst dem kargen Kalkstein der Hochalpen Raum gegeben. Auf dem Gipfel bläst der Wind Schnee und Wasser zu Eis. Oberauer trotzt der Kälte mit einem bloßen T-Shirt. Bunar hat sich in ihre Jacke gehüllt, sie wärmt sich die Finger in ihren Fäusten. Mit Blick auf den spärlich bekleideten Kollegen schüttelt sie den Kopf. Lachend gibt dieser zur Kenntnis: "Ich war noch keinen einzigen Tag krank."

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Seit 19 Jahren bringt Oberauer den Bewohnern des Taldorfs Grainau die Post, und den 30 Leuten, die auf der Zugspitze eine Adresse haben, wie etwa den dort stationierten Umweltforschern oder den Gastronomen. Von so einem spätsommerlichen Höhenwinter lässt sich der Haudegen der bayerischen Briefträger nicht kleinkriegen. Von seinem Sack voller Pakete auch nicht, obwohl diese augenscheinlich recht schwer sind. "Wenn man eine gewisse Geschwindigkeit an den Tag legt, dann friert man nicht", erklärt Oberauer. Und was nicht unmittelbar zum Tod führe, das härte ab. Gemeinsam mit Bunar holt er Ansichtskarten aus dem Gipfelbriefkasten.

"Manchmal habe ich drei Minuten für eine Brotzeit"

Die Postgrüße von hier oben soll am nächsten Tag bei ihren Empfängern eintrudeln. Oberauer bildet das erste Glied der Zustellkette, leert die Kästen und stempelt die Sendungen. In der kleinen Filiale unterhalb des Gipfels hat er eigens dafür einen Stempel, samt Gipfelkreuz und der Postleitzahl 82475. "Die ordnungsgemäße Zustellung ist gewährleistet." Diesen Satz wiederholt Oberauer an diesem Vormittag immer wieder, wie ein Mantra.

Er ist einer der wenigen Beamten, noch aus der Zeit, als die heutige Aktiengesellschaft keine war und Bundespost hieß. Er mag seinen Job, trotz Zeitdrucks. Vergangenes Jahr aber streikten bundesweit viele seiner angestellten Kollegen, mancherorts blieben Briefe wochenlang liegen. Am Ende gab es zwar mehr Lohn für die Belegschaft. Doch die Post betreibt weiterhin die Auslagerung des Zustellbetriebs in Paketgesellschaften, wo die Beschäftigten schlechter bezahlt werden.

Vielleicht ist es die bayerische Gemütlichkeit, die Oberauer hier oben die Arbeit versüßt. "Manchmal habe ich drei Minuten für eine Brotzeit", sagt er und grinst verschmitzt. Die bekommt er beizeiten in der Alpenvereins-Hütte. Doch diesmal muss er der Wirtin absagen, denn: "Heut pressiert's." "Wie bitte?", fragt die Kollegin aus Brandenburg. "Heute ist er in Eile", erklärt die Wirtin und löst die Sprachverwirrung.

Vergangenes Jahr stakte Oberauer Bunars Kahn durch den Spreewald. "Eine wunderbare Zustelltour", räumt er ein. Doch die Bezirke tauschen will er nicht. Bunar würde ihren Spreewald auch nicht für die Berge hergeben. Obwohl sie nun die passenden Schuhe hat, mit denen sie Gipfel echt besteigen könnte anstatt sie mit der Bahn zu befahren.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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