Zugspitze:Supersportlich auf 3000 Meter

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Garmisch-Partenkirchen: Baustelle ZUGSPITZE / Seilbahn-Neubau

"So eine Baustelle hast du nur einmal im Leben", sagt einer der Arbeiter.

(Foto: Johannes Simon)

Schnee, Eis, Touristen, Kopfweh: Die Arbeiter auf Deutschlands höchster Baustelle kämpfen mit vielen Widrigkeiten. Ende nächsten Jahres soll die neue Super-Seilbahn fertig sein - trotz des schlechten Wetters.

Von Matthias Köpf, Grainau

Alois Scheiber zwickt seine blauen Augen zusammen und schaut nach oben. Im weichen Weiß zeichnen sich härtere Konturen ab, langsam dreht sich der Arm eines gelben Krans aus den Wolken, am Haken ein Bündel stählerner Klammern. Scheibers Arbeitsplatz liegt oft über den Wolken, doch an diesem Tag liegt er wieder einmal mittendrin.

Denn der Kran steht auf dem höchsten Berg Deutschlands, der 2962 Meter hohen Zugspitze, und bringt das Land den 3000 Metern für einige Monate noch ein Stückchen näher. Alois Scheiber nimmt das gelassen, unter seinem weißen Helm spitzt an der Strickmütze das rote Logo der Tiroler Fremdenverkehrswerbung hervor. Der 46-Jährige kommt aus Landeck im Inntal und hat schon auf noch ein paar hundert Meter höheren Baustellen gearbeitet. Hier oben beim Bau der neuen Seilbahn auf die Zugspitze ist er von Anfang an dabei.

Der Anfang, das war im vergangenen Jahr, als ein russischer Transporthelikopter die Teile des Krans heraufhievte und dafür noch einen zweiten Tag brauchte, weil es zu warm wurde und die Temperatur in dieser Höhe für die Tragkraft eines Hubschraubers schon eine gewichtige Rolle spielt. Heute hätte der Helikopter weniger Probleme, denn gerade herrschen hier oben Schneetreiben und Frost, mitten im August.

Alois Scheiber und seine derzeit 20 Kollegen sind wie immer um sieben Uhr mit der Eibsee-Seilbahn heraufgefahren und mussten alle zusammen erst einmal zwei Stunden Schneeschaufeln, wie schon so oft in diesem Jahr. Die stählernen Armierungen der Konstruktion müssen an solchen Tagen mit heißen Wasser abgespritzt werden, das die Arbeiter in Tanks mit der Gletscherseilbahn von der tiefer gelegenen Sonnalpin-Station heraufholen. Denn über Nacht hat sich an dem Stahl wieder eine fünf Zentimeter dicke Eisschicht gebildet, und so können weder die Eisenbinder weiterarbeiten, noch kann ihr Geflecht mit Beton ausgegossen werden.

Die Arbeitssprache ist Tirolerisch

Gegen Mittag, ist es zwei, drei Grad wärmer geworden. Die rutschige Eisschicht auf den schmalen Stegen und Gerüsten der Baustelle wird weicher, hinter den Geländern aus zwei einfachen Brettern ist nur weißes Nichts. Alois Scheiber steht sowieso auf der komfortablen Terrasse, sein Blick geht in die Tiefe: "Wohin?", ruft er hinunter, und der Kollege dirigiert die Stahlklammern am Kranhaken auf den richtigen Platz. Die Arbeitssprache hier ist Tirolerisch. Auch das Baustellen-Deutsch der Eisenbinder, von denen die meisten aus Kroatien, Bulgarien und der Türkei kommen, hat eine Tiroler Färbung.

Dass sie sich heute einfach so mit Rufen verständigen können, verdanken sie auch dem schlechten Wetter. Außer Alois Scheiber steht gerade nur eine arabische Familie oben auf der Plattform, die verschleierte Frau und der vielleicht zehnjährige Sohn halten für den Vater begeistert einen Klumpen Schnee vor den Fotoapparat.

Bis zum Mittag haben die 53 Jahre alte Eibsee-Seilbahn und die Zahnradbahn von Garmisch zum Sonnalpin am Zugspitzplatt knapp 500 Gäste heraufgebracht, Betriebsleiter Martin Hurm, der unablässig durch die Bergstation und über die Baustelle streift, kann die Zahlen mit seinem Mobiltelefon abrufen. Bis zum Abend werden es keine 1000 sein, zwei Drittel weniger als im Durchschnitt und vielleicht ein Fünftel von den Gästemassen an Spitzentagen wie neulich im Juli.

Da musste sich Alois Scheiber mit seiner Fernsteuerung für den Kran mitten durch die Menschenmenge zwängen, dauernd schaute ihm jemand über die Schulter, mit den Kollegen konnte er sich nur per Funk verständigen, um sein Ladung ins Ziel zu bringen.

Bis Ende des Jahres sollen er und seine Kollegen mit den meisten Betonarbeiten fertig sein, sollen sie die Tragseiltürme und die gewaltigen A-förmigen Böcke im Fels verankert und ummantelt haben. Durch die bestehenden Gebäude ziehen sie einen gewaltigen Riegel, der die Kräfte ableitet, die beim Seilbahnbetrieb wirken. Und bis Ende des Jahres soll auch die neue, weit auskragende und verglaste Bergstation mit den zwei Etagen und der große Terrasse im Rohbau stehen.

Nächstes Jahr kommen dann die Seilbahntechniker. Die alte Eibsee-Seilbahn wird stillgelegt und bis Weihnachten 2017 durch die neue "Seilbahn Zugspitze" mit Kabinen für 120 statt 44 Passagiere pro Fahrt ersetzt. Statt 220 Menschen pro Stunde wird die Seilbahn dann mehr als 500 Menschen auf den Gipfel schaffen können.

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