Jubiläum:30 Jahre Fastnacht in Franken: Mit Narrentum zu Traumquoten

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Gehören beinahe schon zum Inventar der Sendung: Martin Rassau und Volker Heißmann als "Witwen im Wartezimmer". (Foto: Günter B. Kögler/BR)

Am Anfang habe man die Eintrittskarten noch "wie Sauerbier anbieten" müssen. Heute hat sich die Live-Sendung zum Publikumsmagneten und Wirtschaftsfaktor entwickelt.

Von Uwe Ritzer, Veitshöchheim

Er hat sich fest vorgenommen, nicht an die Millionen Fernsehzuschauer zu denken, sondern sich auf das Publikum im Saal zu konzentrieren. "Mich macht es glücklich, wenn die Leute bei meinem Auftritt Spaß haben, lachen und klatschen", sagt Marco Breitenbach. Natürlich werde er nervös sein, ganz bestimmt sogar, "aber das ist auch normal", findet er. Schließlich ist er zum ersten Mal dabei. Seinen Auftritt will er angehen wie jeden anderen auch. So, als wären da keine Kameras, sondern nur das Publikum in den Mainfrankensälen von Veitshöchheim.

Die Unbefangenheit des Debütanten Marco Breitenbachs ist erstaunlich, vor allem deswegen, weil der Gymnasiast aus Schweinfurt vor zwei Monaten erst 16 Jahre alt geworden ist. Abgesehen von Gardetänzerinnen und -tänzern ist er der mit Abstand jüngste Protagonist in der Geschichte der populären TV-Prunksitzung.

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Zum 30. Mal überträgt das Bayerische Fernsehen an diesem Freitag die Fastnacht in Franken. Gemessen in Einschaltquoten ist die Prunksitzung des Fränkischen Fastnacht-Verband Franken (FVF) seit Jahren die erfolgreichste Sendung aller dritten Programme der ARD.

Marco Breitenbach wird als Sänger auftreten und einen gereimten Text vortragen, den Peter Kuhn geschrieben hat. Der ist einer der profiliertesten politischen Büttenredner Deutschlands und gehört selbst zu den Stars der fränkischen Fastnacht. Und er ist so etwas wie der Mentor von Breitenbach in beider Schweinfurter Fastnachtsgesellschaft, der "Schwarzen 11".

Die Mischung aus fränkischen Hobby-Fastnachtern wie Kuhn und Breitenbach, Halbprofis wie jenen der Altneihauser Feierwehrkapell'n und Vollprofis wie Michl Müller, Volker Heißmann, Martin Rassau oder Bernd Händel sei "ein Erfolgsgeheimnis der Sendung", sagt FVF-Präsident Bernhard Schlereth. Ein anderes sei die Präsenz der Politiker im Saal, die von den Komikern und Kabarettisten direkt angefrotzelt und so einbezogen werden. Nahezu das gesamte bayerische Kabinett drängelt einmal mehr nach Veitshöchheim, ebenso andere Landes- und Bundespolitiker, vornehmlich aus Franken.

Horst Seehofer kommt sogar zum zweiten Mal binnen einer Woche. Am Montag lud der Ministerpräsident 600 Narren und BR-Leute zum ersten Staatsempfang für eine Fernsehsendung nach Veitshöchheim. Dort zeichnete er den FVF-Präsidenten Bernhard Schlereth für seine langjährige, ehrenamtliche Fastnachtsarbeit mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande aus. Ohne Schlereth gäbe es die fränkische TV-Fastnacht nicht.

Früher musste man Eintrittskarten "wie Sauerbier anbieten"

Deren Anfänge gerieten, gemessen an der heutigen, opulenten Inszenierung, bescheiden. In spärlicher Kulisse moderierten der Nürnberger Humorist Egon Helmhagen und die ehemalige DDR-Moderatorin Edda Schönherz am 20. Februar 1987 in einer Halle in Lichtenfels die erste Fastnacht in Franken. Das Interesse war mäßig; um den Saal überhaupt voll zu kriegen, lud der Fastnachtsverband Bewohner eines nahegelegenen Altenheimes ein. Auch im Jahr darauf - die Show war nach Veitshöchheim umgezogen - habe man die Eintrittskarten "wie Sauerbier anbieten" müssen, erzählte einmal der damalige Bürgermeister Reinhard Kinzkofer.

Die Zeiten sind vorbei. Inzwischen bewerben sich Schlereth zufolge etwa 10 000 Menschen jedes Jahr dafür, eine der wenigen Hundert Karten für die Generalprobe oder die Livesendung kaufen zu dürfen. Es entscheidet das Los.

In den Anfangsjahren, so hat dies die langjährige BR-Redakteurin Dorit Schatz in einem Buch beschrieben, gab es hinter den Kulissen bisweilen mächtig Ärger zwischen Fernsehleuten und Fastnachtern. Letztere ärgerten sich, wenn ihre Beiträge zeitlich auf fernsehgerechte Länge zusammengestutzt wurden. 1993 boykottierten Schweinfurter Narren sogar kurzfristig die Sendung und reisten nach der Generalprobe am Vorabend unter Protest ab.

Ein jährlicher Höhepunkt im Fernsehkalender

Längst haben sich die Regeln der Fernsehmacher durchgesetzt, was der auf dreieinhalb Stunden gestreckten Liveshow zweifellos gut tut. Beim BR nahm man die von Anfang an guten Einschaltquoten dankbar zur Kenntnis, doch in der Münchner Zentrale verstand nicht jeder auf Anhieb das Gewese der im restlichen Jahreslauf humoristischer Umtriebe eher unverdächtigen Franken um ihre Fastnacht. Das hat sich geändert. 30 Jahre nach dem Start stehe die Fastnacht in Franken "für Unterhaltung auf höchstem Niveau", sagt BR-Intendant Ulrich Wilhelm, sie habe sich vom Geheimtipp "zu einem jährlichen Höhepunkt im Fernsehkalender entwickelt".

Auch dieses Jahr spüre er "riesige Begeisterung im Vorfeld", sagt der zuständige BR-Redakteur Rüdiger Baumann. Eine "kurzweilige Mischung aus Komik und politischen Büttenreden zu den aktuellen Themen" verspricht er. Dem Vernehmen nach wird Peter Kuhn den politischen Maskenbildner geben, Michl Müller den spöttelnden Rhön-Schäfer, Matthias Walz berichtet aus der politischen Psychiatrie und das Fürther Duo Heißmann und Rassau will als Briefträger austeilen.

Nur einmal in ihrer Geschichte fiel die TV-Prunksitzung übrigens aus, 1991, des Golfkrieges wegen. Aus der Lichtenfelser Premierensendung sind lediglich drei Musiker der Parodis noch dabei, die sich an diesem Freitag allerdings verabschieden werden. Marco Breitenbach geht hingegen als eines der größten Nachwuchstalente der fränkischen Fastnacht an den Start. Als kleiner Junge schon habe er auf der Bühne stehen und singen wollen, erzählt er. Über einen Freund seiner bis dahin nicht faschingsaffinen Eltern kam er zur "Schwarzen 11" und trat 2013 zum ersten Mal in deren Bütt.

Ein Wirtschaftsfaktor für die Gemeinde

Schon im Jahr darauf war er bei der karnevalistischen Nachwuchssendung "Wehe wenn sie losgelassen" dabei, die auch in Veitshöchheim produziert wird. In der 10 000-Einwohner-Gemeinde am Main ist die Fastnacht in den 30 Jahren zu einem echten Wirtschaftsfaktor geworden. Nicht nur, weil ein großes BR-Team mehrere Fastnachtswochen lang dort logiert und konsumiert. Das ganze Jahr über kommen von der TV-Show angelockte Besucher, die, wenn schon nicht die Narretei selbst, dann wenigstens deren Kulisse sehen wollen. Und dann enttäuscht sind, wenn sie zwar in einem Rokokogarten samt ehedem fürstbischöflichem Landschlösschen landen, weit und breit aber "das Fernsehschloss" nicht finden.

Denn die Mainfrankensäle sind auch nach ihrem Umbau von außen wie innen ein ziemlich nüchterner Zweckbau. Die verspielte Fastnachtskulisse nämlich, die Figürchen, Logen und Ornamente, die werden nur für die Sendung aufgebaut.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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