Fasching in Veitshöcheim:Monarchen, Revoluzzer und Tiefenentspannte

Bei der "Fastnacht in Franken" holt die Prominenz ihr bestes Gwand aus der Kostümkiste. Was wollen Politiker wie Markus Söder uns damit sagen? Ein Interpretationsversuch.

Von Ingrid Fuchs

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(Foto: REUTERS)

Lustig sein ist ganz schön schwer. Das beweisen Politiker aller Prominenzschattierungen jedes Jahr zur "Fastnacht in Franken". Sie kommen als vermeintlich exotische Ausländer, Fantasy-Figuren oder historische Persönlichkeiten - und wollen ganz subtil ein paar Botschaften transportieren. Aber wie viel darf man in ein Faschingskostüm hineininterpretieren? Im Fall von Markus Söder, dem bärtigen Herrn neben der lustig gelockten Dame, könnte man unterstellen, dass er sich für den Fasching in Veitshöchheim nicht nur zum Spaß kostümiert. Der designierte bayerische Ministerpräsident nimmt die Veranstaltung immerhin so ernst, dass er lieber beim Koalitionsgeschacher in Berlin fehlt und sich stattdessen in stundenlanger Prozedur zum Prinzregenten Luitpold umwandeln lässt - jenem Mann, der Bayern 26 Jahre lang regierte. Eine subtile Botschaft? Will Söder schon mal leise andeuten, dass er seinen eigenen Vorschlag, nach zwei Amtsperioden aufhören zu wollen, gar nicht mehr so gut findet?

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Vermutlich hat der künftige bayerische Landesvater vor seiner Verwandlung nicht bei Wikipedia nachgelesen, was da über den früheren bayerischen Landesvater steht: "Luitpold pflegte anders als die Könige vor ihm einen präsidial-repräsentativen Regierungsstil und hielt sich meist bei politischen Entscheidungen sehr zurück, so dass Regierung und Parlament an Macht gewannen." Falls das auch der södersche Stil werden sollte, wäre das einigermaßen subtil kommuniziert. Söder begründet die Kostümwahl ganz unsubtil so: "Er ist auch in Franken geboren und hat in München regiert. Und er war einer, der sich sehr um die Menschen gekümmert hat." Wie ist die Kostümwahl also zu bewerten? Kreativität: nicht so ausgefallen wie Marilyn Monroe oder Homer Simpson aus den Vorjahren, aber durchaus liebevoll gemacht. Einen Extrastern bekommt seine Frau Karin: sechs von fünf Sternen. Seine Botschaft: "Ich werde euch ein guter Landesvater sein" Was es wirklich bedeutet: "Ich werde König von Bayern, bis zu meinem Tod." Nächstes Jahr, dann als Ministerpräsident, will er, wie Horst Seehofer es all die Jahre zu tun pflegte, mit Smoking und roter Fliege zur "Fastnacht in Franken" gehen.

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Bayerns Noch-Ministerpräsident kann dieses Jahr nicht in Veitshöchheim sein, die Koalitionsverhandlungen halten den CSU-Chef in Berlin. Das schränkt die Kostümbewertung aber nicht ein, man kann einfach Seehofers beste Verkleidungen aus den Jahren 2014, 2015 und 2017 als Maßstab anlegen: Kreativität: Null Sterne Seine Botschaft: "Ich bin ein vielbeschäftigter Ministerpräsident und habe, anders als mein Finanzminister, keine Zeit für Verkleidungen." Was er wirklich damit sagen will: Chchch (hier Seehofer-Lachen einfügen).

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In Sachen Verkleidung kann es der SPD-Fraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher mit Markus Söder aufnehmen: immer aufwändig, mal als Fantasiewesen, mal als historische Person - und diesmal ebenfalls mit wenig subtiler Botschaft. Rinderspacher ist als Kurt Eisner in Veitshöchheim. Der rief vor 100 Jahren in München die Räterepublik aus und stand als Ministerpräsident und Außenminister an der Spitze einer sozialistischen Mehrheitsregierung in Bayern. Kreativität: Aufwändig verkleidet und die Vorstellung einer SPD-Regierung im heutigen Bayern verlangt tatsächlich viel Fantasie: Vier Sterne. Seine Botschaft: "Ohne die SPD wäre Bayern nichts. Nichts!" Was er wirklich damit sagen will: "Ohne die SPD wäre Bayern nichts. Nichts! Wählt uns!!"

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Der Engel Aloisius und eine Flugkapitänin! Nicht jede Verkleidung ist auf Anhieb so leicht zu identifizieren wie diese beiden. Umgekehrt dürfte es nicht jedem Bayern leicht fallen, die Personen in den Kostümen zu benennen - das Dilemma der bayerischen SPD. Wer nicht draufkommt: Hier sitzen die Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin der SPD Natascha Kohnen und Generalsekretär Uli Grötsch. Ob Grötsch bedacht hat, dass sich der Engel Aloisius vor seinem Ableben ausgerechnet mit "Roten Radlern" herumgeschlagen hat? Kreativität: Einen Stern gibt es für die Pilotin, vier Sterne für den Engel. Ihre Botschaft: "Ich weiß, wo es langgeht. Ihr könnt mir vertrauen." Was wirklich dahinter steckt: "Kostüm, ich brauche ein Kostüm!" Seine Botschaft: "Ich schufte so hart und bin so bayerisch wie der Engel Aloisius." Was er wirklich damit sagen will: "Wir schaffen das. Spätestens im Himmel."

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Herrschaftsanspruch, irgendwas mit Drachen, Bienen und Abenteuern? Klar, das sind die Grünen! Ludwig Hartmann und Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzenden der bayerischen Grünen, die Grünen-Abgeordnete Kerstin Celina und ihr Begleiter Sven Winzenhörlein (von links) sind zu viert in Veitshöchheim aufgeschlagen. Hartmann gibt den Märchenkönig Ludwig II., dass Söder diese Verkleidung schon vor zwei Jahren ausgeführt (und dafür Schelte vom König-Ludwig-Club kassiert) hat, juckt Hartmann nicht. Schulze kommt als Daenerys Targaryen, die Drachenkönigin aus Game of Thrones, ihre Botschaft: "Ich will Ketten sprengen." Kreativität: Bei der Verkleidung haben sie sich Mühe gegeben - und sie decken zumindest einen Teil der Grünen Vielfalt ab: Vier Sterne. Die Botschaft: "Wir sind traditionsbewusst, kämpferisch und umweltbewusst." Was sie eigentlich sagen wollen: "Wir sind die bessere CSU."

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Hubert Aiwanger wird die maximale Ehre in Veitshöchheim zuteil: Er wird erwähnt. Mehrfach. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler und seine Lebensgefährtin Tanja Schweiger sind als Kosaken-Pärchen verkleidet. "Kosake" soll ja sowas wie "freier Krieger" bedeuten, das nimmt Aiwanger vermutlich ziemlich wörtlich - manchmal auch innerhalb der eigenen Partei. Kreativität: Die Hippie-Partnerlook-Kostüme waren schon vergeben, und Mützen stehen uns beiden: zweieinhalb Sterne. Die Botschaft: "Wir kämpfen wild und entschlossen gegen die Alleinherrschaft der CSU!" Was sie an diesem Abend dauernd sagen müssen: "Nein, wir sind keine Russen!"

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Der Ausdruck "Urgestein" steht ja eigentlich auf dem Index, manchmal trifft er es aber halt doch ziemlich exakt. Veitshöchheim ohne Günther Beckstein und seine Frau Marga? Undenkbar! Die beiden Franken bemühen sich immer um gute Verkleidungen. Diesmal: Hippie-Revival! Ob die beeindruckend großen Joints ein Hinweis an die CSU-Freunde sind, sich in Sachen Cannabis-Legalisierung zu entspannen? Es wäre Günther Beckstein zuzutrauen, er war zumindest früher bei Drogen-Fragen recht entspannt (er war der Politiker, der meinte, dass man nach zwei Mass Bier noch gut Autofahren kann). Kreativität: Mit liebevollen Details ausstaffiert: vier Sterne. Die Botschaft: "Entspannt euch, es ist Fasching (in Franken eigentlich das ganze Jahr)." Was sie wirklich damit sagen wollen: "Wir sind tiefenentspannt. Will jemand ziehen?"

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Oh weh, eine Dublette! Beate Merk, Staatsministerin für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen, kommt mit ihrem Begleiter ebenfalls als Hippie verkleidet zur Prunksitzung. Sie hat zwar auch Accessoires dabei, überzeugt aber damit nicht wirklich. Kreativität: Immerhin eine Samtschlaghose! Zweieinhalb Sterne. Ihre Botschaft: "In mir steckt sehr sehr viel Hippie" (O-Ton zur BR-Reporterin) Was sie damit wirklich sagen will: "Hippie wollte ich schon lange mal ausprobieren. Ich mag rosa."

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Die Koalitionsverhandlungen haben auch ihn von Veitshöchheim fern- und damit von seiner alljährlichen Kreativitätsexplosion abgehalten: Der schwarze Sheriff, auch bekannt als Joachim Herrmann, fehlt in diesem Jahr bei der Prunksitzung. Wegen seiner Beharrlichkeit in den vergangenen Jahren (exemplarisch zeigen wir 2013, 2015 und 2017) darf er trotzdem am Kostüm-Contest teilnehmen. Kreativität: ein halber Stern (Er wechselt den Faschingsorden und den Teint.) Seine Botschaft: "Bei mir seid ihr sicher." Was das wirklich bedeutet: "Bei mir seid ihr sicher und habt nie wieder Einschlafprobleme."

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