Fall Mollath und die Politik:Justizministerin ohne Rückendeckung

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Das Verhältnis von Ministerpräsident Horst Seehofer und Justizministerin Beate Merk ist seit dem Aufruhr um den Fall Mollath nicht mehr spannungsfrei. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Im Landtag ist das Klima durch den Fall Mollath vergiftet. Seehofer verfolgt die Schlussdebatte zum Untersuchungsausschuss gefährlich genau und hat für seine Justizministerin kein Wort der Rückendeckung übrig. Eine direkte Attacke dementiert der Ministerpräsident.

Von Frank Müller, Olaf Przybilla und Andrea Vyslozil

Es ist nicht die erste unangenehme Mollath-Debatte im Landtag für Justizministerin Beate Merk. Aber möglicherweise die letzte. Mehr als zwei Stunden lang debattiert das Landtagsplenum an diesem vorletzten Sitzungstag der Legislaturperiode über das Fazit des Untersuchungsausschusses zum Schicksal des seit sieben Jahren gegen seinen Willen in der Psychiatrie festgehaltenen Gustl Mollath.

Der CSU-Ministerin ist anzusehen, wie ihr das Thema immer mehr zusetzt. Fahrig sitzt sie auf der Regierungsbank, rutscht hin und her. Manchmal schüttelt sie den Kopf, während ihr die Redner der Opposition ein ums andere Mal die vielen Ungereimtheiten im Fall Mollath vorhalten und dabei auch persönlich werden und sie "eine Belastung für das bayerische Volk" nennen. Die Unwahrheit habe sie wiederholt gesagt, zurücktreten solle sie deswegen, sofern sich das überhaupt noch lohne. Manchmal schüttelt Merk den Kopf, murmelt etwas in sich hinein. Auf der anderen Seite der Bank, zehn endlos lange Meter weit weg, sitzt Ministerpräsident Horst Seehofer und hört gefährlich genau zu.

Seehofer hat nun schon mehrmals seine Ungeduld darüber deutlich gemacht, dass die Justiz einfach nicht schnell genug voran komme mit der Wiederaufrollung des Falls. Am Dienstag hat er sich wohl im Kabinett wieder in diese Richtung geäußert. Seitdem sorgt ein Zitat für Unruhe, wonach Seehofer nicht nur die Ministerin, sondern gleich ihr ganzes Haus infrage stelle. "Wofür brauchen wir dann noch ein Justizministerium?", wird Seehofer im Münchner Merkur zitiert. Der Ministerpräsident dementiert das am Mittwoch entschieden. "Das ist falsch", sagt er bestimmt gleich mehrmals, das habe "mit der Wahrheit nichts zu tun". Seehofer sagt einen Satz, der sich einreiht in seine Zitate großer politischer Philosophie: "Alles, was ich weiß, ist falsch." Den verfassungsrechtlich bedenklichen Eindruck, er wolle der Justiz in ihr Geschäft hineinreden, will Seehofer unbedingt vermeiden: "Niemand von uns wünscht sich eine politische Justiz."

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Solche Dementis sind auch nötig. Denn bei Bayerns Richtern brodelt es schon. Bereits am Morgen sei er angesichts der Nachrichten aus dem Kabinett mit entrüsteten Mails eingedeckt worden, sagt Walter Groß, Vorsitzender des Bayerischen Richtervereins. Groß selbst lässt es an Deutlichkeit nicht missen: Hätte sich Seehofer tatsächlich so geäußert, könnte man "darüber nur noch fassungslos den Kopf schütteln", sagt er. "Das wäre Wahlkampf und Populismus pur". Wer als Ministerpräsident darüber in Zorn gerate, keinen Einfluss auf die Gerichte zu haben, der habe "das Grundgesetz und die bayerische Verfassung nicht verstanden", kritisiert Groß.

Doch Seehofer dementiert. Dass er andererseits an der Spitze des zuständigen Ministeriums auch nach der Wahl noch Beate Merk wünscht, das kann man auch am Mittwoch wieder sehr infrage stellen. Ob er für sie eine Jobgarantie abgegeben wolle, wie er das schon für Schulminister Ludwig Spaenle getan hatte, wird Seehofer gefragt. Er winkt lächelnd ab, es gibt kein Wort der Rückendeckung.

So schließt der Landtag nach nur wenigen Monaten Arbeit in Rekordzeit die parlamentarische Aufarbeitung des Falls Mollath ab - und entlässt das Thema in den Wahlkampf. Während der Ausschussphase hatten die Vertreter von Koalition und Opposition zwar relativ kollegial zusammengearbeitet. Zu einem gemeinsamen Abschlussbericht kommt es trotzdem nicht, beide Seiten legen ihre jeweils eigenen Berichte vor.

Und der Ton wird schärfer. Der von der Opposition zuvor für seine umsichtige Leitung gelobte Ausschusschef Florian Herrmann teilt gegen SPD, Grüne und Freie Wähler aus. Die hätten mit "rückhaltlosem Wahlkampfgetöse" ein Zerrbild der Justiz gezeichnet, sagt Herrmann. "Sie tragen auf dem Rücken der Justiz ihren Wahlkampf aus", sagt er, "letztlich auch auf dem Rücken von Herrn Mollath". Auch die FDP empört sich. Der Abschlussbericht und auch die Wahlplakate der Opposition seien in zynischem und spöttischem Tonfall abgefasst, moniert die FDP-Abgeordnete Brigitte Meyer.

Die Opposition spricht dagegen von "Unverschämtheiten" der Koalition. Schließlich habe der Ausschuss gravierende Fehler der Behörden im Fall Mollath zutage gefördert. Die SPD-Vertreterin Inge Aures sagt: "Die Finanzbehörden haben gar nicht ermittelt, die Staatsanwaltschaft hat nur einseitig ermittelt, der Generalstaatsanwalt hat gemauert, und die Justizministerin hat vertuscht." Zu Merk sagt Aures: "Sie haben von Anfang an hier im Landtag immer alles kleingeredet." Auch Florian Streibl (Freie Wähler) wirft der CSU und Merk "Einseitigkeit und Desinformation" vor. Merks Name werde "auf ewig mit Mollath verbunden bleiben", sagt er, "alles, was falsch laufen konnte, ist falsch gelaufen". Gustl Mollath sei "massiv in seinen Rechten verletzt worden", sagt auch Grünen-Fraktionschef Martin Runge. CSU-Mann Herrmann meint dagegen, die Behörden hätten sich korrekt verhalten. "Es gab keine Verschwörung", sagt er, "es gab kein Komplott".

Der Landtag schließt an diesem Mittwoch auch seinen zweiten Untersuchungsausschuss ab: den zur Aufklärung der NSU-Morde. Auch hier gibt es Kontroversen. Dass es Ermittlungsfehler bei den involvierten Behörden gegeben hatte, darüber ist man sich parteiübergreifend noch einig. Darüber, welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien, hingegen nicht. Der Ausschussvorsitzende Franz Schindler (SPD) betont, Ursachen müssten erkannt und behoben werden. Er spricht sich für eine stärkere Kontrolle des Verfassungsschutzes aus. Sein Stellvertreter Otmar Bernhard (CSU) widerspricht. Die Sicherheitsbehörden hätten sich sehr bemüht. Er mache ihnen nicht den Vorwurf, zu lange in Richtung organisierte Kriminalität ermittelt zu haben, immerhin habe es darauf Hinweise gegeben.

Für Aufsehen sorgt der damalige Innenminister Günther Beckstein (CSU), der sich zum Schluss noch mit einer persönlichen Erklärung zu Wort meldete. Er zeigt sich noch immer belastet durch die Affäre und mahnt. Er glaube, dass es weiterhin NSU-Helfer in Bayern gebe: "Mein Bauchgefühl sagt, es muss Mittäter in Nürnberg geben, die frei herumlaufen."

© SZ vom 18.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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