München (dpa/lby) - Eine solche Kommunikation ist selbst für die CSU sehr ungewöhnlich: Als Parteichef Markus Söder am Freitag jegliche Zusammenarbeit von der Europäischen Volkspartei und der ultrarechten Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) ausschließt, macht er das nicht nur im Namen seiner CSU. Söder spricht - zumindest sagt er das - auch für die gesamte christdemokratische Parteienfamilie EVP und ihren Präsidenten Manfred Weber.
„Wir sind uns auch einig darüber, dass eine Mitgliedschaft von anderen Parteien wie in Italien in der EVP ausgeschlossen sind. Das ist nicht vereinbar, das kann nicht sein, oder auch eine formelle Koalition kann auf keinen Fall gewollt sein“, sagte Söder und berief sich auf die gleichlautende Meinung von Weber. An der Sitzung hatte auch Weber in seiner Rolle als CSU-Parteivize teilgenommen.
Söder betonte, er habe sich am Freitagvormittag „lange“ mit Weber zu dem Thema ausgetauscht. „Dass Staaten miteinander reden müssen oder dass man im Gespräch ist, ist etwas anderes. Aber formelle Bindungen sind aus meiner Sicht und aus unserer gemeinsamen Sicht nicht sinnvoll“, sagte er. Deswegen gebe es zwischen ihm und Weber „keinen Streit, sondern eine gute Klärung“.
Und Weber? Der ist bei der Pressekonferenz gar nicht dabei. Auf dpa-Anfrage äußerte er sich aber dennoch, letztlich klingt das Gesprächsergebnis aus seinem Mund aber etwas anders: „Es ist gut, dass Markus Söder anerkennt, dass Gespräche mit der italienischen Regierung jetzt wichtig sind und geführt werden müssen.“ Gerade der Krieg in der Ukraine und seine Folgen für Bayern, Deutschland und Europa oder die sich andeutende neue Migrationskrise könnten nur gemeinsam angegangen werden. „Dafür ist Italien als Kernland in Europa von großer Bedeutung.“
Aus Webers Umfeld hieß es zudem: „Markus Söder spricht für die CSU, Manfred Weber für die gesamte EVP.“ Mit anderen Worten wird so Söders vorherige Aussage entkräftet. Eine Zusammenarbeit mit weiteren italienischen Parteien neben den aktuellen EVP-Mitgliedsparteien sei derzeit kein Thema. „Deshalb gibt es darüber in der EVP auch keine Diskussion. Sollte es irgendwann Thema werden, kann sich Markus Söder als CSU-Parteivorsitzender mit einbringen.“
Weber hatte sich in den vergangenen Monaten zwei Mal mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni getroffen und dadurch nicht nur innerhalb der EVP für Irritationen gesorgt. Weber ist sowohl Präsident der EVP, als auch Chef der größten Fraktion im Europaparlament. Bereits im vergangenen Jahr hatte Weber im italienischen Wahlkampf für Ex-Premier Silvio Berlusconi und dessen Partei „Forza Italia“ Stellung bezogen. Auch dies hatte ihm nicht nur im CSU-Vorstand jede Menge Kritik eingebracht.
Der 50-jährige Niederbayer steht zwar nicht in Verdacht, zum rechten Rand zu gehören, dennoch positionierte er seine EVP kürzlich in eine Nähe zu Melonis ultrarechter Partei Fratelli d'Italia und geriet in der Folge nicht nur in der EVP zunehmend unter Druck. Mitglieder seiner eigenen Fraktion im EU-Parlament und andere führende Europapolitiker sind entsetzt darüber und forderten eine Abgrenzung.
Auch für Söder und die CSU sind die Flirtversuche, wie sie auch in der CSU gerne genannt werden, zum Beginn des Landtagswahljahres aus mehreren Gründen problematisch. Zunächst unterlief Weber dadurch die von Söder parteiintern ausgerufene Regel, alles zu unterlassen, was der CSU Schaden könnte. Auch innerhalb der CSU hatte es viel Unmut über Webers jüngste Aussagen zu Annäherungen an die italienischen Postfaschisten gegeben.
Zugleich lieferte Weber der Opposition in Bayern eine Angriffsfläche, die im schlimmsten Fall gar Söders eigene Glaubwürdigkeit infrage stellen könnte. Immerhin hat Söder wiederholt für die CSU eine Brandmauer zu Rechtsradikalen und Neofaschisten hochgezogen. Am Ende des Tages ist das Thema trotz Vier-Augengesprächs offenkundig alles andere als geklärt. Vielmehr zeigt sich, dass es auch in der CSU mehr als nur Söders Meinung gibt.
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