ETA Hoffmann Theater Bamberg:Die zeigt's ihnen

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Ein knallhartes Stück über Rassismus hat Sibylle Broll-Pape mit "Appropriate (Was sich gehört)" inszeniert. (Foto: Martin Kaufhold)

Sibylle Broll-Pape, die Intendantin des ETA Hoffmann Theaters in Bamberg, muss 2025 gehen. Bis dahin will sie aber von ihrem Erfolgskurs nicht abrücken, will weiterhin gesellschaftlich relevantes Theater machen und dabei unterhalten.

Von Florian Welle, Bamberg

Um die für das ETA Hoffmann Theater verlorenen Corona-Jahre nachzuholen, wollte Sibylle Broll-Pape ihren 2025 auslaufenden Vertrag um zwei Jahre verlängern. Doch das wurde der Intendantin im Frühjahr vom Stadtrat verwehrt. Eine Entscheidung nach einer vehement geführten Diskussion über anonym lancierte Anschuldigungen. Dabei ging es um angeblich geschönte Zuschauerzahlen und um den Vorwurf eines herabwürdigenden Führungsstils.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich der Streit ausgerechnet in einer Spielzeit entspann, in der Stücke wie "Tiefer Grund" von Björn SC Deigner oder Georg Büchners Klassiker "Dantons Tod" thematisieren, wie angreifbar und verletzlich unsere Gesellschaft, aber auch jeder Einzelne ist. Fragt man Broll-Pape nach ihrem derzeitigen Befinden, gibt sie unumwunden zu, dass sie sich persönlich getroffen fühlt. Einerseits hätte sie sich mehr Unterstützung vonseiten der politisch Verantwortlichen gewünscht. Andererseits hat sie in der gesamten Debatte die Würdigung dessen vermisst, was ihr Team seit der Spielzeit 2015/16 erreicht hat: "Wir haben das Haus künstlerisch in eine Liga gehievt, in der es vorher nicht war. Es wäre schön, wenn das auch weiterhin so bliebe."

"Wir suchen eine engagierte Persönlichkeit oder ein Team mit umfangreichen Erfahrungen im Theaterbetrieb", heißt es in der Stellenausschreibung für Sibylle Broll-Papes Nachfolge. (Foto: Birgit Hupfeld)

Man erinnere sich: Sibylle Broll-Pape folgte Rainer Lewandowski nach, unter dessen insgesamt 25 Jahre währender Ägide das ETA Hoffmann Theater am Ende ordentlich Staub angesetzt hatte. Aufregendes Theater auf Höhe der Zeit sah anders aus. Die Neue aus dem Ruhrgebiet sorgte für frischen Wind, indem sie das Haus als Spielstätte für zeitgenössische Dramatik fest in der deutschsprachigen Theaterlandschaft etablierte.

In jeder Spielzeit gab man ein Auftragswerk in Arbeit und förderte so junge Autoren wie Konstantin Küspert und Björn SC Deigner. Beide schrieben im Laufe der Jahre mehrere Stücke für das Bamberger Ensemble und wurden nicht zuletzt auch damit zu prägenden Dramatiker-Stimmen der Gegenwart.

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Die inhaltliche Neuausrichtung bescherte dem Theater eine Verjüngung seiner Publikumsstruktur, überregionale Strahlkraft und schon im Jahr 2017 den Theaterpreis des Bundes. Begründung: "Theater, das sich einmischt, aussetzt und gleichzeitig Humor und Witz beweist." Seitdem wurde der Ansatz konsequent und mit Erfolg weitergeführt.

Am kommenden Samstag, 3. Juni, wird man dem Haus im Anschluss an die Vorstellung von Elfriede Jelineks Stück "Die Schutzbefohlenen" den Preis der Deutschen Theaterverlage überreichen. Auch hier spricht die Begründung der Jury für sich: "In der klugen Spielplangestaltung spiegelt sich die Überzeugung, dass neue Stücke für die Beschäftigung mit den drängenden Themen der Gegenwart unverzichtbar sind ... In der Kombination mit klassischen Werken entsteht so nun schon in der achten Spielzeit ein Reichtum an Perspektiven, der das ETA Hoffmann Theater zu einem Ort vielfältiger ästhetischer Erfahrung und angeregter gesellschaftspolitischer Diskussion macht."

Das spielstarke Ensemble stand während der Debatte hinter seiner Chefin

Gesellschaftlich relevantes Theater zu machen und dabei trotzdem zu unterhalten: Dies hat das Haus gerade wieder in seiner jüngsten Inszenierung, dem 2014 uraufgeführten "Appropriate (Was sich gehört)" des Afroamerikaners Branden Jacobs-Jenkins, unter Beweis gestellt. Die Proben zu dem von Sibylle Broll-Pape selbst inszenierten Drama über das Fortleben der rassistischen Vergangenheit in den USA, das sich liest, als hätte man Tschechow mit Tennessee Williams gekreuzt, fielen mitten in den Streit um die Vertragsverlängerung.

Auswirkungen auf das künstlerische Ergebnis hatte dies aber erkennbar nicht. Das spielstarke Ensemble, das während der ganzen Debatte hinter seiner Chefin stand, agiert auf der Bühne als bestens aufeinander abgestimmte Einheit. Gar nicht einfach bei einem Stück, das einer Gratwanderung gleicht: Vordergründig bietet es boulevardeske Situationskomik, um einen hinterrücks umso heftiger mit den Themen Sklaverei und White Supremacy zu konfrontieren.

Der Vater entpuppt sich als knallharter Rassist

Man schreibt das Jahr 2011, die Kinder des Südstaaten-Richters Ray Lafayette treffen sich nach dessen Tod, um sein Hab und Gut versteigern zu lassen. Was als kurzes Wiedersehen geplant ist, um Formales zu regeln, wird zum Sommer der Wahrheit. Verwerfungen und Traumata kommen zum Vorschein, und der Vater entpuppt sich posthum als knallharter Rassist, der ein Album mit Fotos von Lynchmorden an Schwarzen und eine Kapuze des Ku-Klux-Klan sein Eigen nannte. Wie mit der Vergangenheit umgehen? Sie einfach entsorgen wie lästigen Müll oder sich ernsthaft mit ihr auseinandersetzen?

Das Familiendrama "Appropriate" weist schon auf die kommende Spielzeit voraus, in der es um "Verwandtschaften" im weitesten Sinne gehen wird. Das Publikum erwartet die bewährte Mischung aus Klassikern wie "Maria Stuart", neuen Stücken wie "Das Vermächtnis" von Matthew Lopez und Uraufführungen. In "Jahre ohne Sommer" von Amanda Lasker-Berlin wird es um die dunklen Jahre der Hexenverfolgung in Bamberg gehen.

Der Spielplan war selbstverständlich schon festgezurrt, als sich der Streit um die Vertragsverlängerung entspann. Sibylle Broll-Pape, die nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen nur einen Moment lang überlegt hatte, das Handtuch zu werfen, macht also konzeptionell genau so weiter wie geplant. Erst die übernächste und damit letzte Spielzeit ihrer Intendanz erfordert von ihr nun ein planerisches Umdenken. Dabei klingt sie alles in allem ebenso engagiert wie erwartungsfroh: "Wir wollen die zwei Jahre, die wir nun noch miteinander haben, interessant fürs Publikum und weiterhin im vertrauensvollen und produktiven Miteinander gestalten."

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