Mitten in Bayern:Wenn es leise dreizehn schlägt

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In Eschenlohe haben zwei Anwohner den ganzen Gemeinderat angezeigt, weil ihnen nachts die Kirchenglocken zu laut sind. Doch bald soll wieder Ruhe sein im Dorf.

Glosse von Matthias Köpf, Eschenlohe

Es klang fast so, also ob es jetzt aber dreizehn schlagen würde. Eine Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen den Bürgermeister und den gesamten Gemeinderat war da also eingegangen, und bei einer gemeinschaftlich begangenen Tat wäre dann rein juristisch ja womöglich sogar gefährliche Körperverletzung im Raum gestanden. Aber die Staatsanwaltschaft hat die Sache sowieso schon eingestellt. Schließlich wurde, so hieß es sinngemäß, da ja gar niemand verletzt.

Obwohl die Glocken von St. Clemens jedenfalls nachts tatsächlich ein kleines bisschen zu laut sind, wie der Gutachter befand. Und damit jetzt nicht gleich Totenstille herrscht, aber doch endlich wieder Ruhe ist im 1600-Einwohner-Ort Eschenlohe im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, soll im Kirchturm von St. Clemens demnächst ein zweites, leiseres Schlagwerk installiert werden.

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So ein Glockenstreit bietet in Bayern immer identitätspolitischen Zündstoff, ganz egal, ob die Glocken nun an Kühen oder in Kirchtürmen hängen. In Eschenlohe fehlt es für die klassische Konstellation aber an Zugezogenen; die Rolle der Beschwerdeführer ist mit zwei alteingesessenen Dorfbewohnern fast ein bisschen fehlbesetzt. Diese Anwohner jedenfalls waren den viertelstündlichen Glockenschlag von St. Clemens schon lange gewohnt, was ja auch eine Definition von Heimat sein könnte. Nur gewöhnten sie sich, als das Schlagwerk mal kaputt war, offenbar auch recht schnell daran, dass nachts nun eben nichts mehr schlug.

Der Streit begann dann nach der Reparatur, und an die große Glocke hängen wollte ihn zunächst niemand. Stattdessen mühte sich der Gemeinderat im Stillen um eine Lösung. Sichtbar hätte die Sache zwar schon an den Schallschutzvorhängen werden können, welche die Gemeinde zwecks Einhaltung der Grenzwerte in zwei Kirchturmfester hängen ließ. Die Runde machte alles aber erst, als schon die Lösung mit dem zweiten Schlagwerk absehbar war.

Die Hämmer des ersten Schlagwerks einfach etwas sanfter auf die Glocken schlagen zu lassen, wäre der Gemeinde nämlich wiederum tagsüber viel zu leise gewesen. Und zwischen 22 Uhr und 5.30 Uhr ganz auf den Uhrschlag verzichten, das wollte sie auf gar keinen Fall. Denn erstens, so die Argumentation, müsse man die Kirche schon im Dorf lassen. Und zweitens seien sonst womöglich bald die Kuhglocken dran.

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