Lukas Eitel studiert in Erlangen, dass die dortige Friedrich-Alexander-Universität (FAU) einen Hörsaal nach dem Unternehmer Rudolf Wöhrl benannt hat, ist ihm rückblickend unerklärlich. Einem jetzt bekannt gewordenen Gutachten des Nürnberger Stadtarchivs zufolge war der 2010 gestorbene Kaufhausgründer Wöhrl bereits 1931 förderndes Mitglied der NSDAP und ist 1933 der SS beigetreten. Die Hörsaalbenennung gegen eine Wöhrl-Spende von 250 000 Euro erfolgte im Jahr 2009 und ohne, wie die FAU auf Anfrage eingeräumt hat, dass man die Biografie des Geehrten vorab näher durchleuchtet hat. "Die Unileitung hätte sogar FAU-Historiker damit beauftragen können", sagt Eitel. Dass dies nicht erfolgt ist, sei bei einem Mann, der seit 1933 als Unternehmer tätig war, fast schon "skurril".
Seit das Gutachten durch die SZ bekannt geworden ist, hat der Soziologie-Student Eitel viel diskutiert. Im Kreis seiner Mitstudierenden sei keiner der Ansicht gewesen, dass der fünf Meter lange Schriftzug "Rudolf-Wöhrl-Hörsaal" bei Vorlesungen so bleiben kann. Keiner habe aber auch Zweifel daran geäußert, dass die FAU nun etwas ändern werde. Die Vermutung war Eitel freilich nicht genug. Er ist jugendpolitischer Sprecher der Linken in Bayern und hat sich am Samstag an den Hörsaal gestellt und die Saalumbenennung gefordert. "Macht Geld blind?", stand auf seinem Plakat zu lesen.
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Tatsächlich plant die Universität offenkundig nicht, es bei dem Hörsaalnamen zu belassen. Auf SZ-Anfrage teilte ein Sprecher des Uniklinikums am Montag in knappen Worten mit, dass der seit 14 Jahren auf Rudolf Wöhrl benannte Hörsaal "ab 01.01.2024 mit einem neuen Namen getauft werden" soll. Auf Nachfrage erklärte er, dies sei bislang so nicht geplant gewesen. In der Mitteilung heißt es zudem, der Vorstand der Medizinischen Fakultät habe "das Gutachten der Stadt Nürnberg angefordert". Nach Maßgabe dieses werde man die "aktuell diskutierte Problematik" bewerten. Abgesehen davon seien "die Namenstaufen des großen Hörsaals in der Östlichen Stadtmauerstraße 11 zeitlich befristet" und "nicht in Stein gemeißelt".
Andreas Frewer ist Professor für Ethik in der Medizin in Erlangen, er hat selbst schon Vorlesungen gehalten im "Rudolf-Wöhrl-Hörsaal". Im Nachhinein, sagt er, empfinde er dies als "absolut beklemmend" - zumal jene Lehrveranstaltungen stattgefunden haben im repräsentativen Rahmen einer "Bürgervorlesung" an der FAU, mit der Erlangerinnen und Erlanger über neue Forschungsergebnisse auf dem Laufenden gehalten werden sollen.
Dass die Uni nun auf Anfrage bekanntgegeben hat, der Hörsaal werde im kommenden Januar auf einen neuen Namen getauft, hält der Professor für mindestens zwiespältig. Es sei eben, sagt er, "absolut relevant, was man zu welcher Zeit tut". Lägen besagte Erkenntnisse vor, so müsse man "jetzt handeln". Natürlich bedürfe es dazu zunächst weiterer Schritte. Dass aber eine etwaige Umbenennung erst in mehr als zehn Monaten möglich sein soll, erschließe sich ihm nicht; ebenso wenig wie die Tatsache, dass sich die Uni offenbar nicht vor der Benennung 2009 - zu einer Zeit, in der längst genug "historische Sensibilität" hätte vorhanden sein müssen - darum gekümmert habe, nach wem exakt da ein Hörsaal benannt wird.