Demonstration für Gustl Mollath:"Seine Freiheit ist auch unsere Freiheit"

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Hofft weiter auf seine Freilassung: Gustl Mollath. (Foto: Getty Images)

In Nürnberg fordern 500 Demonstranten die Rehabilitierung von Gustl Mollath. Während zwei Politiker einen neuen Untersuchungsausschuss im Landtag anstreben, mischen sich unter die Unterstützer auch Sektierer - und Rechtsextremisten.

Von Uwe Ritzer

Man kann sich seine Unterstützer nicht immer aussuchen, erst recht nicht, wenn man in der geschlossenen Psychiatrie sitzt wie Gustl Mollath. Im Vorfeld der Kundgebung für seine Freilassung am Samstag in Nürnberg kursierten Berichte, Rechtsextremisten würden die Solidaritätsveranstaltung zu ihrer Plattform machen wollen.

Nun steht ein altes Ehepaar da und der Mann hält ein Plakat hoch, auf dem Mollaths Name in einer Reihe mit denen rechtsextremistischer Straftäter wie Horst Mahler genannt wird. Alles Opfer, lautet die krude Botschaft. Die Organisatoren reagieren schnell; noch ehe die Kundgebung beginnt, verweisen sie den Plakatmann des Platzes.

"Gustl Mollath distanziert sich von allen extremistischen Positionen und ich als Veranstalter tue das ebenfalls", ruft Erich Stephany, der Hauptorganisator der Kundgebung, gleich zu Beginn ins Mikrofon. In der Gluthitze stehen nach Polizeiangaben 500 Demonstranten auf dem Nürnberger Kornmarkt, gleich am Eingang zur Straße der Menschenrechte. 52.000 Unterzeichner unterstützen, Stand Sonntagmittag, im Internet eine Petition für Mollath.

"Dene Richter geht's ums Rechthaben"

Längst ist der Fall Mollath zum Kristallisationspunkt für unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten Motiven geworden. Sehr viele kreuzbrave, aufrührerischer Umtriebe völlig unverdächtige Bürger verspüren ein großes Unbehagen. Sie zweifeln am Rechtsstaat, empfinden ihn als ignorant und misstrauen ihm. Zu ihnen gesellen sich aktive Christen, Menschenrechtler, Stasiopfer, Globalisierungsgegner und Bankenkritiker. Menschen, die sich selbst als Opfer von Justiz und Psychiatrie fühlen, empfinden den Fall als Ventil für ihr eigenes Schicksal.

Natürlich gibt es auch Sektierer wie den Mann, der per Plakat die Abschaffung aller Gefängnisse fordert. Und Leute, die völlig inakzeptabel Richter, Psychiater oder andere Beteiligte bedrohen. Am Kornmarkt jubeln alle frenetisch, als sich Kabarettist Hans Well das Landgericht Regensburg vorknöpft, das vorige Woche die Wiederaufnahme des Falles Mollath abgelehnt hat. "Dene Richter geht's ums Rechthaben, um Gerechtigkeit geht's nicht", singt er.

Die mehr als ein halbes Dutzend Redner auf der Nürnberger Kundgebung fächern die vielen Facetten des Falles auf. Es hagelt massive Kritik am Vorgehen von Psychiatrie, Justiz und Hypovereinsbank, an Bayerns Justizministerin Beate Merk und der CSU. Dazwischen verliest Organisator Stephany Botschaften von Dieter Hildebrandt und Gustl Mollaths Anwalt Gerhard Strate. "Seine Freiheit ist auch unsere Freiheit", hat Strate geschrieben.

Chronologie zum Fall Gustl Mollath
:Schwierige Suche nach der Wahrheit

Seit fast sieben Jahren sitzt Gustl Mollath in der Psychiatrie, jetzt hat das OLG Nürnberg beschlossen: Das Verfahren um angebliche Körperverletzung und dunkle Bankgeschäfte wird wieder aufgenommen. Angefangen hat das Drama schon im August 2001. Eine Chronologie des Falls.

Von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer

Drei zentrale Botschaften sind es, die sich aus all der Empörung und dem Ruf nach Reformen in Psychiatrie und Justiz herausschälen. Erstens: Eine Begnadigung Mollaths durch den Ministerpräsidenten ist kein Ausweg - es geht um seine Rehabilitierung, nicht um Gnade. Zweitens: Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Von Richter Brixner, der Mollath mit fragwürdigen Methoden in die Psychiatrie gesperrt hat, bis zu Roland Jüptner, den Chef des Landesamtes für Steuern, von dem sich viele Abgeordnete durch eine falsche Aussage im Landtag hinters Licht geführt wähnen.

Man habe es "mit einem Schweige-, Lügen- und Verschleierungskartell in Justiz in Politik zu tun", sagt Martin Runge, Fraktionschef der Landtags-Grünen. Florian Streibl von den Freien Wählern sagt, bei jedem Blick in die Akten täten sich "neue Abgründe auf, die uns erschaudern lassen".

Runge und Streibl treiben die parlamentarische Aufarbeitung des Falles Mollath seit Monaten voran. Sie fordern - dritte Botschaft der Kundgebung - einen zweiten Mollath-Untersuchungsausschuss nach der Wahl. Auch die SPD könnte mitmachen. "Der Fall ist nicht erledigt, für mich geht er weiter", sagte ihr Abgeordneter Peter Paul Gantzer.

Für ihn vielleicht, für seine Genossen nicht unbedingt. Franz Schindler etwa, der Rechtsexperte der Landtags-SPD, sieht im Fall Mollath keine nennenswerten Fehler und ist ein Verbündeter von Ministerin Merk. Aber auch Florian Streibl könnte intern auf Probleme stoßen. Dann nämlich, wenn die FW nach der Wahl in eine CSU-geführte Regierung einsteigen sollten.

Von einem Podest aus am Rande der Bühne verfolgt FW-Chef Hubert Aiwanger mit ernstem Blick die Kundgebung. Er dürfe gerne reden, bot Organisator Stephany ihm an, aber nur, wenn er verspreche, nach der Wahl nicht mit der CSU zu koalieren. "Das kann ich nicht, da rede ich lieber nicht", sagte Aiwanger.

© SZ vom 29.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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