CSU:Was Seehofer mit seinem Wutausbruch bezweckt

Lesezeit: 2 min

  • Der CSU-Chef gibt sich nach seinem Sommerurlaub genervt - und sieht in der Debatte um die Kanzlerkandidatur bei der CDU Amateure am Werk.
  • Außerdem möchte Seehofer wohl die Diskussionen über eine mögliche schwarz-grün Koalition rasch abgewürgen.
  • Vor allem aber dürfte der bayerische Ministerpräsident mit seinem Wutausbruch ein Ziel verfolgen: Zeit gewinnen

Von Wolfgang Wittl, München

Horst Seehofer hat es in den vergangenen Wochen verdächtig ruhig angehen lassen. Nur zweimal ließ der CSU-Chef aus seinem "Arbeitsurlaub" kurz von sich hören: Erst lobte er Innenminister Joachim Herrmann für seine Verhandlungen zur inneren Sicherheit. Es folgten Beileidsworte zum Tod von Alt-Bundespräsident Walter Scheel. Für Seehofer war das eine Art politischer Sommerschlaf. Umso nachdrücklicher meldet er sich nun zurück. Offensichtlich hat sich etwas aufgestaut.

Als "selten dämlich" bezeichnete er die bereits jetzt einsetzende Debatte über eine weitere Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel. Und das Gerede über eine schwarz-grüne Koalition 2017 im Bund sei "das typische Funktionärsgehabe von Leichtmatrosen", sagte Seehofer der SZ. Erst die Inhalte klären, dann über Personal reden - so lautet seine Reihenfolge. Stattdessen schon vor den Wahlen über Bündnisse und Posten zu schwadronieren, das könnten in der Politik Micky Mäuse machen, aber keine Vollprofis, rüffelte der CSU-Chef bei einem Bierzeltauftritt am Montag in Landshut.

Man merkt, Seehofer hat sich gut erholt im Urlaub. Und seine deftigen Kommentare belegen: Er hat zielgenau die beiden Probleme identifiziert, die ihm und seiner Partei in den nächsten Monaten am meisten zu schaffen machen werden - auch wenn Seehofer wohl kaum von Problemen sprechen würde. Vielmehr sollen die unersprießlichen Debatten über Schwarz-Grün und Merkel rasch abgewürgt werden.

Merkel und die vierte Amtszeit
:Seehofer: "Ich halte das für eine selten dämliche Diskussion"

Mit deutlichen Worten kritisiert der CSU-Chef die Kanzlerkandidaten-Debatte in der Union. Die Bevölkerung habe "machttaktische Spielchen satt".

Von Wolfgang Wittl

Wie sehr die CSU eine Koalition im Bund mit den Grünen fürchtet, verdeutlichten die verbalen Grätschen vergangener Tage: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Finanzminister Markus Söder - beide ansonsten nicht gerade in christsozialer Eintracht zugetan - geißelten übereinstimmend entsprechende Spekulationen. Grün? Nicht mit der CSU! Wehret den Anfängen, so lautete die Botschaft.

Ob die kleine Schwesterpartei aus München die Kraft hätte, so ein Bündnis zu verhindern, ist indes fraglich. Schon nach der Bundestagswahl 2013 waren sich Merkels CDU und die Grünen erstaunlich nahe gekommen. In der CSU gilt so eine Koalition mit Blick auf die Landtagswahlen 2018 als verheerend. Hubert Aiwangers Freie Wähler und die AfD wären vermutlich dankbare Abnehmer für konservative Stimmen.

Noch unangenehmer ist für die CSU die Diskussion über eine weitere Kanzlerkandidatur Merkels. Einerseits weiß Seehofer, dass die Union traditionell dann stark ist, wenn sie Geschlossenheit demonstriert. Andererseits gibt es gerade unter den CSU-Wählern viele Enttäuschte, die von Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik genug haben. Diese Gruppe nicht an andere Parteien zu verlieren, bleibt Seehofers größte Aufgabe - und sein Dilemma. Deshalb möchte er im Moment auch nicht zu schnell in den Hafen der politischen Zweckehe mit der CDU zurücksteuern, sondern drosselt das Tempo. Erst die Inhalte, dann das Personal: Damit will Seehofer auch Zeit gewinnen, Merkel-Frustrierte wieder über andere Themen zurückzuholen.

Zu dieser Taktik gehört auch, dass in der CSU immer wieder kolportiert wird, Seehofer könne als eigener Kanzlerkandidat antreten. Das Ziel: Die Distanz zu Merkel wahren und ihr versteckt drohen, CSU-Interessen nicht zu vernachlässigen. Doch solange die SPD im Bund so schwach ist und die Mehrheit der Union ungefährdet, wird Merkel sich davon wenig beeindrucken lassen.

Dass Seehofer, wie vom Münchner Merkur angeregt, zur Krönung seiner Laufbahn als Superminister für innere Sicherheit nach Berlin wechseln soll, dürfte in erster Linie den Wünschen seines Rivalen Söder entsprechen. Der CSU-Chef eingebunden in Merkels Kabinettsdisziplin? Ein zwar durchaus charmanter, aber wenig realistischer Gedanke.

Wahrscheinlicher ist: Seehofer wird bei der Bundestagswahl den gefühlten (und plakatierten) CSU-Spitzenkandidaten geben, nominell angeführt wird die Liste von einem anderen. Bis dahin werden CDU und CSU versuchen, wieder zueinander zu finden, ohne dass es aus bayerischer Sicht zu sehr auffällt.

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kanzlerkandidatur
:Fünf Gründe, warum Merkel in der K-Frage alles richtig macht

Im Berliner Politik-Betrieb macht die K-Frage mal wieder die ganz große Runde. Wird Kanzlerin Merkel 2017 noch einmal antreten? Na, selbstverständlich.

Von Thorsten Denkler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: