Mediziner:Desinfektionsmittel und Schutzkleidung werden knapp

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Medinzinern in Bayern geht langsam die Schutzkleidung aus. (Foto: dpa)
  • Ärzte und Apother bekommen kaum noch Nachschub für fehlende Schutzkleidung.
  • Auch die Versorgung von Pflegebedürftigen wird dadurch erschwert.
  • Sogar Bestellungen, die schon vor zwei Monaten aufgegeben wurden, sind noch nicht ausgeliefert.

Von Anika Blatz, Florian Fuchs und Dietrich Mittler, Würzburg

Tim Stelzer ist zunehmend verzweifelt. Er ist Arzt in einer Würzburger HNO-Gemeinschaftspraxis und zugleich auch stellvertretender Geschäftsführer eines ambulanten Intensivpflegedienstes, der schwerstpflegebedürftige Menschen versorgt. Stelzers Problem: Er braucht dringend Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung für seine Arztpraxis und für den Pflegedienst. An alle möglichen Lieferanten hat er sich gewandt - vergeblich. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) sowie das Gesundheitsministerium hätten ihm nicht helfen können.

Nun, so warnt Stelzer, ist die weitere Versorgung der Pflegebedürftigen in Gefahr. "Wir müssen jetzt mit unseren knappen Restbeständen Mangelverwaltung betreiben", kritisiert Stelzer. Er steht mit seinen Sorgen nicht alleine da. Auch Klaus Kremer, Facharzt für Chirurgie mit eigener Praxis in Würzburg, sagt: "Wenn mein Desinfektionsmittel leer ist, muss ich die Praxis schließen." In der Intensivpflege kann man indes nicht einfach den Betrieb einstellen - denn würden die ambulanten Pflegedienste dies tun, so hätte das gravierende Auswirkungen: "Das wäre in dieser Situation fatal und könnte die Versorgungslage in den Krankenhäusern zuspitzen", sagt Marliese Biederbeck, die für Bayern zuständige Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe. "Im schlimmsten Fall können die oft schwerkranken und pflegebedürftigen Menschen bald nicht mehr zuhause versorgt werden", warnt Biederbeck. "Genau das, was eigentlich vermieden werden soll, um nicht Betten zu blockieren", sagt auch Andrea Öttl, die in einem überregionalen Intensivpflegedienst als Leiterin des Qualitätsmanagements tätig ist.

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An Nachschub zu kommen, dies gestalte sich nicht erst seit jetzt äußerst schwierig: "Einige Pflegedienste berichten, dass sie bereits Mitte Januar bestellt hätten, aber bis heute keine Lieferung angekommen sei", sagt Biederbeck. Bestellungen würden zurückgestellt oder nicht angenommen - "mit dem Hinweis darauf, dass die Versorgung von Krankenhäusern und Rettungsdiensten jetzt Vorrang habe".

Einer, der an der Quelle sitzt, ist Thomas Neundörfer, Geschäftsführer von Strätz Medizintechnik mit Sitz in Estenfeld bei Würzburg. Er beliefert Mediziner und medizinische Einrichtungen mit den für die Pflege wichtigen Produkten. "Versorgungslücken sind offensichtlich, gerade beim Mundschutz und Desinfektionsmitteln ist der Markt komplett abgefragt", sagt er. Jeden Tag tröpfele etwas Nachschub rein, die gewünschten Mengen seien aber nicht verfügbar. "Die Industrie produziert in Sonderschichten, doch die Regelungen durch Bund und Länder greifen leider zu spät."

Diese Erfahrung machen derzeit auch etliche Apotheker, die jetzt selbst gerne Desinfektionsmittel herstellen würden, wie Hans Peter Hubmann, der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands betont. Doch zu lange hätten Vorgaben der Europäischen Union verhindert, dass Apotheken alkoholische Lösungen, konkret Isopropanol 70 Prozent, verarbeiten dürfen. Jetzt erst habe die Bundesregierung dies ermöglicht. Nun dauere es, bis Isopropanol wieder für die Apotheker verfügbar sei. Ein Problem dabei: Die Lieferungen der Raffinerien erfolge mit Kesselwagen. "So viel braucht keine Apotheke", sagt Hubmann.

Bayerns Krankenhäuser haben größtenteils im Augenblick kein Problem mit Desinfektionsmitteln - Beispiel Universitätsklinikum Augsburg: Die Versorgung sei sichergestellt, die Vorräte ausreichend. Ganz anders sehe es dagegen bei Schutzkleidung und Schutzmasken aus: Die Marktsituation sei angespannt, die Uniklinik nutze aktuell alle Möglichkeiten der Nachbestellung im In- und Ausland.

Da würde sich ein Anruf unweit von Augsburg in Buchloe bei der Firma Franz Mensch lohnen, das Familienunternehmen handelt seit mehr als 45 Jahren mit Einwegartikeln, Hygienebekleidung und Arbeitsschutzprodukten. Geschäftsführer Axel Theiler sagt, dass der Bestand im Lager in den vergangenen Wochen weitgehend ausverkauft wurde: 20 verschiedene Mundschutz-Artikel führt das Unternehmen eigentlich, inzwischen seien nur noch zwei bis drei Varianten verfügbar.

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Da aber wieder aus China importiert werden kann, ist eine große Lieferung absehbar. Alleine der Bund habe 15 Millionen Stück Mundschutz bei ihm geordert, sagt Theiler: "Wir verkaufen ausschließlich an medizinisches Personal." Offenbar sei das Hausärzten nicht bekannt. Allerdings seien die Preise für die Ware immens gestiegen. "Wir müssen per Luftfracht einfliegen lassen, und Flugzeuge bekommt man jetzt auch nicht so einfach", betont Theiler.

Einige Hausärzte, so ist zu hören, gehen bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln für ihre Praxis nun sehr ungewöhnliche Wege: "Um an hochprozentigen Alkohol heranzukommen, kaufen sie in Supermärkten große Mengen Wodka auf", sagte ein Branchenkenner, der unerkannt bleiben will. Mittlerweile aber besteht Hoffnung: Ein Sprecher der KVB bestätigte am Mittwoch, dass das Beschaffungsamt der Bundeswehr im große Stil medizinisches Material - wie etwa Schutzkleidung - besorgt hat und es Ende März ausliefern will. Zudem hat der Freistaat inzwischen selbst Desinfektionsmittel gekauft.

© SZ vom 19.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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