Verkehr in Bayern:Protest gegen den Brennernordzulauf

Demonstration gegen Bahntrasse im Inntal

In Deutschland wird immer intensiver gestritten. Die Polizei schätzte die Größe der Demonstration am Montag in Rosenheim auf 3000 Teilnehmer.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

In Italien und in Österreich wird der Brennerbasistunnel mit Elan vorangetrieben, in Bayern gibt es noch nicht einmal Pläne für die Zulaufstrecke. 14 Bürgerinitiativen üben Kritik.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Die Planer der Deutschen Bahn wollen schon seit Jahren nicht mehr über das Ob sprechen, sondern nur noch über das Wie: Dass es zwei zusätzliche Gleise durch das bayerische Inntal Richtung Brenner geben soll, geht für die DB schon aus dem Planungsauftrag hervor, den sie vom Bund erhalten hat. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat diesen Auftrag am Montag in Rosenheim bekräftigt. Bis zum Sommer sollen die Planer fünf Vorschläge für einen Trassenverlauf rund um Rosenheim und durch das Inntal vorlegen. Dennoch wird es auch im Jahr 2030 noch keine fertige Trasse geben.

Dann wird der Brennerbasistunnel zwischen Italien und Tirol wohl längst eröffnet sein, während sich Deutschland immer noch mit den nördlichen Zulaufgleisen abquält. Bis 2030 werde man jedoch noch mit den beiden Gleisen der bestehenden Bahnstrecke durch das Inntal auskommen, sagte Scheuer am Montag. Diese Bestandsstrecke will der Minister von den Planern ebenfalls untersuchen lassen - eine Ankündigung, die ihm wenigstens ein kleines bisschen Beifall einbrachte von den rund 3000 Demonstranten, die sich nach einem Sternmarsch vor dem Rosenheimer Landratsamt versammelt hatten.

Mittlerweile gibt es 14 Bürgerinitiativen, die gegen den Brennernordzulauf kämpfen - jede für sich auf dem eigenen Gemeindegebiet und alle gemeinsam gegen das ganze Vorhaben. Ein wenig erinnert der Widerstand auch in seiner Professionalität inzwischen an den Protest gegen Stuttgart 21. "Die Taktik des Teilens und Herrschens ist nicht aufgegangen", sagte BI-Sprecher Thomas Riedrich. So, wie zurzeit geplant wird, werde es im Inntal und rund um Rosenheim kein Durchkommen geben.

Die Bürgerinitiativen üben harsche Kritik an dem Beteiligungsverfahren, in dem Vertreter von Gemeinden und Verbänden zusammen mit den Planern zuerst Kriterien entwickeln sollen, anhand derer dann die Trassenvorschläge gegeneinander abgewogen werden. Diese Trassenvorschläge sollen nun bis Juli aus allerlei durch die Region mäandernden Korridoren mit rund hundert verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten für konkrete Gleisverläufe herauspräpariert werden. Das ist speziell denen, die nicht an der bestehenden Bahnstrecke liegen, schon zu viel. Sie lehnen eine neue Trasse gänzlich ab.

Diesen Ausbau hat nicht erst Scheuer an diesem Montag zugesagt. Speziell was den Lärmschutz betrifft, war schon Scheuers Vorgänger und Parteifreund Alexander Dobrindt mehrmals ins Inntal gereist und hatte Maßnahmen versprochen, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen sollten. Auch die Staatsregierung hatte vor der Landtagswahl maximalen Lärmschutz versprochen. Noch stecken diese Maßnahmen aber in Genehmigungsverfahren fest. Neben dem Lärmschutz kündigte Scheuer für die Bestandsstrecke eine Digitalisierung der Signal- und Steuerungstechnik an. Diese erlaubt eine dichtere Zugfolge und würde so zusätzliche Kapazitäten schaffen. Laut Scheuer würden diese dann auch nach der momentan für 2028 erwarteten Eröffnung des Brennerbasistunnels ausreichen - dies aber nur kurzfristig, denn der Minister brachte am Montag auch vier Szenarien mit, wie sich der Zugverkehr auf der Strecke bis 2050 entwickeln könnte.

Die Gegner des Projekts hatten solche Szenarien, die ihnen Dobrindt 2017 zugesagt hatte, immer vehementer eingefordert. Denn sie hatten damit die Erwartung verbunden, dass sich die zusätzlichen Gleise als unnötig erweisen würden. Allerdings sind Scheuers Experten nun zu einem anderen Schluss gekommen. Die Bestandsstrecke, auf der momentan bis zu 185 Züge pro Tag unterwegs sind, kann laut Scheuer auch bei einem maximalen Ausbau höchstens 320 Züge aufnehmen.

Brennerbasistunnel

Im Vergleich zum Brennerbasistunnel sind die Zulaufgleise von Rosenheim durchs bayerische Inntal ein überschaubares Projekt. Der Tunnel soll auf 55 Kilometern Länge zwischen Innsbruck und Franzensfeste den Alpenhauptkamm unterqueren. Mit der bestehenden Umfahrung um Innsbruck ins Inntal wird er 64 Kilometer lang und damit der längste Bahntunnel der Welt. Sein Scheitelpunkt wird auf 790 Metern Seehöhe liegen, 580 Meter tiefer als der Brennerpass. Ein Gefälle von maximal 6,7 Promille soll längeren und schwereren Güterzügen als bisher den Alpentransit erlauben. Güterzüge sollen mit maximal 120 Kilometer pro Stunde, Personenzüge mit bis zu Tempo 250 durch den Berg rauschen.

Als Hauptstrang werden sich zwei Tunnelröhren mit jeweils einem Gleis durch das Gestein ziehen, dazwischen und etwas unterhalb verläuft ein Erkundungsstollen, an dem momentan gearbeitet wird und der später der Entwässerung der beiden Hauptröhren dienen wird. Im Detail geplant wurde von 1999 an, die Arbeiten im Berg begannen 2008 und sollen nach jüngsten Angaben im Jahr 2028 fertig werden - eine Verzögerung um etwa ein Jahr, die nach Angaben der österreichisch-italienischen Projektgesellschaft weniger mit baulichen, sondern mehr mit juristischen Problemen zu tun hat. Unterlegene Bieter hatten das Ausschreibungsergebnis für ein wichtiges Teilprojekt angefochten.

In Österreich ist das Vorhaben inzwischen unumstritten, und auch der italienische Infrastrukturminister Danilo Toninelli von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hat es Anfang Januar ausgeschlossen, den laufenden Tunnelbau zu stoppen, obwohl die Regierung in Rom das Verhältnis von Nutzen und Kosten kritisch sieht. Am Ende wird der Brennerbasistunnel wohl mindestens zehn Milliarden Euro kosten. Österreich und Italien zahlen zu gleichen Teilen, etwa 40 Prozent der Investitionskosten kommen von der Europäische Union, die den Tunnel als elementaren Bestandteil ihres "Scan-Med-Korridors" ansieht, einer europäischen Nord-Süd-Achse von Skandinavien bis Sizilien und Malta. kpf

Für die Zeit von 2030 bis 2050 nehmen die Experten aber parallel zu einem weiteren Wachstum des Bruttoinlandprodukts eine Zunahme der Gütertonnage um fast 50 Prozent an. Kommen dann noch ein steigender innerösterreichischer Verkehr zwischen Innsbruck und Salzburg über das sogenannte deutsche Eck sowie ein höherer Marktanteil der italienischen Häfen hinzu, so ergeben sich je nach Szenario zwischen 401 und 558 Züge pro Tag. Vorausgesetzt ist dabei jeweils, dass die Zahl der Personenzüge auf der Strecke nicht ebenfalls steigt und dass die Politik bei ihrem allerseits beschworenen Ziel bleibt, Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Nur wenn sie davon abrückt, ließe sich unter Umständen mit der Bestandsstrecke auskommen.

Scheuer rechnet nach eigenen Worten fest damit, dass die Neubau-Gegner nun auch diese Szenarien in Zweifel ziehen werden. Der Widerstand nahm stetig zu, vor einigen Tagen begrüßten die Bürgerinitiativen ihr insgesamt 4000. Mitglied. Zuletzt hatten sich die Kritiker auch in der Stadt Rosenheim organisiert. Die 65 000-Einwohner-Stadt trägt laut Oberbürgermeisterin Gabi Bauer (CSU) die Hauptlast an der Bestandsstrecke, schon jetzt fahren hier auf verschiedenen Strecken bis zu 260 Züge pro Tag. Viele Anwohner erhoffen sich von einem Neubau auch Entlastung, was ebenso für viele Menschen entlang der Bestandsstrecke durch das Inntal gilt.

Die Rosenheimer CSU-Abgeordnete Daniela Ludwig, verkehrspolitische Sprecherin der Union im Bundestag, vermied eine Positionierung, mahnte aber: "Wir müssen das Problem jetzt lösen. Der Verkehr kommt." Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher wurde als Gast der CSU-Klausur in Banz jüngst konkreter: "In Südtirol werden wir im Sommer Arbeiten von über 1,5 Milliarden Euro ausschreiben, um die südliche Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnel zu realisieren."

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