Es waren verstörende Szenen: Jedes Jahr am Vorabend des Volkstrauertags marschierten rechtsextremistische Gruppierungen durch Wunsiedel. Doch in diesem Jahr bleiben sie der Stadt im Fichtelgebirge am Samstag wohl fern. Bis Mittwochvormittag sei keine Veranstaltung angemeldet worden, teilte eine Sprecherin der Stadt mit. Auch aus dem Innenministerium hieß es: Es gebe keine Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden über eine Mobilisierung der Szene für das Wochenende in Wunsiedel. Der Volkstrauertag wird in Deutschland am Sonntag (19. November) begangen.
Zum Bild in Wunsiedel gehörten aber auch zahlreiche Menschen, die sich gegen den braunen Aufmarsch wehrten. Und auch wenn es nun keinen Aufmarsch geben dürfte - das Netzwerk "Wunsiedel ist bunt" plant dennoch etliche Veranstaltungen für diesen Samstag. Schließlich gehe es nicht nur um die konkreten Aufmärsche, sagte Netzwerk-Sprecherin Svenja Faßbinder. Man wolle ein Zeichen setzen für Toleranz und Vielfalt und gegen Diskriminierung. Der derzeitige Rechtsruck sei schließlich nicht übersehbar.
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Freilich - Demonstrationen könnten auch kurzfristig noch kommen, sagte Faßbinder weiter. Aufatmen werde man erst am Samstag, wenn tatsächlich niemand aus der Szene zu sehen sei. Dass der Marsch heuer wohl ausfällt, führt sie auch auf das Engagement des Netzwerks zurück. "Wir schauen nicht weg, wir gehen auf die Straße." Die Belastung der Anwohnerinnen und Anwohner an der Strecke des Aufmarsches sei hoch gewesen, es sei angsteinflößend gewesen, sagte sie.
Klar sei aber auch, dass es interne Probleme beim "Dritten Weg" gebe. Die rechtsextremistische Kleinstpartei hatte die Demo in Wunsiedel in den vergangenen Jahren angemeldet. Das Landesamt für Verfassungsschutz habe in den vergangenen Jahren ein rückläufiges Mobilisierungspotenzial des "Dritten Wegs" festgestellt, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. Schon im Vorjahr hätten sich nur etwa 120 Rechtsextremisten in Wunsiedel versammelt.
Doch woran liegt das? Thomas Witzgall vom Portal "Endstation rechts" sprach von einem Trend, dass Aufmärsche mit historischen Bezügen seltener werden in der rechtsextremen Szene. Der "Dritte Weg" habe in jüngerer Vergangenheit bereits "Standardtermine" ausfallen lassen, so etwa eine Mahnwache für einen Holocaust-Leugner in München. Entwickelt hatten sich die Aufmärsche in Wunsiedel, weil dort Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß begraben war. Das Grab wurde zwar 2011 aufgelassen, die Veranstaltungen der Szene kurz vor dem Volkstrauertag blieben aber.
Die Aufmärsche hätten auch immer der Nachwuchsgewinnung gedient, sagte Witzgall. Hier beobachte man, dass die Partei beispielsweise verstärkt auf Sportveranstaltungen setze. Ein Grund zum Aufatmen sei diese Entwicklung nicht. "Das Gedankengut ist noch da", sagte Witzgall. Es sei auch unklar, ob Wunsiedel dauerhaft frei von Aufmärschen bleibe.