Unruhe um die Eichstätter Wölfe:"Sie verlassen sich drauf, dass die Wölfe irgendwann abgeschossen werden"

Lesezeit: 3 Min.

Eine Wölfin mit Jungen. Seit sich im oberbayerischen Altmühltal ein Rudel wie dieses etabliert hat, mehren sich dort die Übergriffe auf Nutztiere. (Foto: Imago)

Nach der Rudelbildung mehren sich im Altmühltal die Übergriffe auf Schafe und andere Nutztiere. Und offenbar sind die wenigsten Schäfer auf die Rückkehr der Raubtiere vorbereitet.

Von Christian Sebald

Es ist jetzt gut drei Jahre her, dass sich eine junge Wölfin aus dem Veldensteiner Forst im Altmühltal bei Eichstätt niedergelassen hat. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass die vielen Schafhalter in der Region ihre Tiere vor etwaigen Übergriffen schützen sollten, vor allem wenn sie diese nachts draußen lassen. Im Herbst 2022 wurde dann im Altmühltal ein Wolfsrüde aus Brandenburg nachgewiesen. Die Fähe und er fanden alsbald zueinander. Deshalb gingen Fachleute davon aus, dass sich dort im Frühjahr 2023 sehr wahrscheinlich ein Rudel etablieren wird. Sie haben recht behalten: Anfang Juli sind im Altmühltal sieben Wolfswelpen in eine Fotofalle gelaufen. In der Region sind also aktuell neun Wölfe unterwegs.

Gleichzeitig stellt sich heraus, dass offenkundig nur wenige Nutztierhalter im Altmühltal vorgesorgt haben. Seit einigen Tagen häufen sich in den Landkreisen Eichstätt und Neuburg-Schrobenhausen die Nutztierrisse. "Gefühlt schlägt inzwischen jeden zweiten Tag irgendwo bei uns der Wolf zu", sagt der Schafhalter René Gomringer, der bei Beilngries eine Herde mit etwa 30 Tieren hält. Am Landesamt für Umwelt (LfU), das für das Wolfsmonitoring in Bayern zuständig ist, führen sie aktuell drei Verdachtsfälle. Das heißt, dass der genetische Nachweis noch aussteht, aber ansonsten alles auf einen Wolfsübergriff hindeutet.

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Der erste ist vor eineinhalb Wochen in einem Damwild-Gehege passiert. Ihm fielen ein Alttier und ein Kalb zum Opfer, vier Stück Damwild sind seit dem Übergriff abgängig. In der Nacht darauf ist auf einer Weide eine Schafsherde überfallen worden. Vier Schafe waren tot, zwei sind verschwunden. Der dritte Übergriff mit einem toten Schaf hat sich Anfang dieser Woche zwischen dem Ingolstädter Stadtteil Irgertsheim und der Ortschaft Bergheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) ereignet.

So verschieden die Übergriffe und so groß das Leid für die Halter der Tiere sein mögen, sie haben eine Gemeinsamkeit: Sowohl das Damwild als auch die beiden Schafherden waren nicht gegen Wolfsangriffe gesichert. Darauf haben jetzt das LfU und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) hingewiesen. Und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Ingolstadt-Pfaffenhofen a. d. Ilm hat es der Süddeutschen Zeitung bestätigt. "Überall dort, wo wir einen entsprechenden Herdenschutz gefördert haben, ist bisher nichts passiert", sagte der zuständige Mitarbeiter.

Es ist zwar bitter, aber es ist offenkundig so: "Viele von uns schimpfen auf den Wolf, aber sie tun nichts, um ihre Tiere zu schützen", sagt der Schafhalter Gomringer. Der Agraringenieur muss es wissen. Er war lange Jahre Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Schafhalter und hat sich allein schon deshalb intensiv mit der Rückkehr der Wölfe nach Bayern beschäftigt. In seinem Ruhestand engagiert er sich nun als Berater in Sachen Herdenschutz.

Der Freistaat finanziert den Bau von Zäunen

Am fehlenden Wissen kann es laut Gomringer nicht liegen. "Wenn es einen Vortrag gibt oder eine Infoveranstaltung, dann sind die gut besucht", sagt er. "Da kommen bis zu 300 Leute." Auch das Landratsamt und andere Behörden hätten die Nutztierhalter immer wieder informiert. Der LBV-Mann Andreas von Lindeiner erinnert daran, dass das AELF Ingolstadt-Pfaffenhofen schon im August 2021 schriftlich auf seine Informationsangebote in Sachen Wolf hingewiesen habe. "Aber längst nicht alle Tierhalter haben diese Angebote angenommen", sagt Lindeiner. "So musste es zu Übergriffen kommen."

Dabei belassen es die Behörden nicht nur bei Informationen. Sondern der Freistaat bezahlt Schäfern und anderen Nutztierhaltern, die ihr Vieh wirksam vor Wölfen schützen wollen, außerdem üppige Zuschüsse. Die Investitionskosten für wolfsabwehrende Zäune werden sogar komplett übernommen. "Und selbst wenn ein Schafhalter mit seinen Weiden außerhalb des Fördergebiets liegt, kann er seine vorhandenen Elektronetze mit wenig Geld aufrüsten", sagt Gomringer. Nur bei Gehegewild sei das etwas schwieriger.

Bleibt die Frage, warum die Nutztierhalter im Altmühtal so wenig für den Schutz ihrer Tiere tun? "Sie verlassen sich drauf, dass die Wölfe irgendwann abgeschossen werden", sagt Gomringer. Dabei wird genau das nicht passieren, zumindest nicht so schnell. Denn die Vorgaben der neuen bayerischen Wolfsverordnung, die solche Abschüsse erleichtern soll, treffen auf das Altmühltal und viele andere Regionen in Bayern ausdrücklich nicht zu.

Zum einen besteht durch die Übergriffe zumindest bisher keine unmittelbare Gefahr für Menschen. Das hat der Eichstätter Landrat Alexander Anetsberger (CSU) schon Anfang August im BR erklärt. Eine solche ist aber oberstes Kriterium für einen Wolfsabschuss. Gleiches gilt für das zweite Kriterium. Danach müssen die Übergriffe in einem nicht schützbaren Weidegebiet stattfinden. Als solche sind bisher sehr viele Almen und Alpen in den oberbayerischen und Allgäuer Bergen eingestuft, wo die Bergweiden oft so steil sind, dass sie laut Staatsregierung nicht eingezäunt werden können. Auf das restliche Bayern und damit das Altmühltal trifft die Vorgabe nicht zu.

Obwohl es also kaum Aussichten gibt, dass Wölfe aus dem Eichstätter Rudel schnell und legal abgeschossen werden können, gibt es immer wieder Politiker, die die Hoffnung der Tierhalter auf Erleichterungen bei den sogenannten Entnahmen nähren. Der Wirtschaftsstaatssekretär und frühere Neuburg-Schrobenhausener Landrat Roland Weigert (Freie Wähler) etwa, der auch passionierter Jäger ist, plädierte erst dieser Tage wieder in einer Lokalzeitung für eine Aufnahme der streng geschützten Tiere in das Jagdrecht und ein professionelles Management.

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