Mitten in Bayern:Die Dialektik des Schmatzens

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Ein Schild des Stammtischs "Miggamingara" im Münchner Hofbräuhaus. Mit der Klage der Schauspielerin haben die Beteiligten nichts am Hut, schmatzen tun die Leute hier gern. (Foto: Robert Haas)

Die Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer mag keinen Small Talk. Vielleicht würde sie ihre Meinung ändern, wenn sie mal eine typische Unterhaltung in einem bayerischen Dorfwirtshaus erleben würde.

Glosse von Hans Kratzer

Die Tatort-Kommissarin Jasna Fritzi Bauer hat neulich in der BR-Hörfunksendung "Eins zu Eins. Der Talk" kundgetan, sie sei eine Gegnerin des Small Talks. Der Moderator stellte sogleich die These auf, die Deutschen täten sich schwer mit dem Small Talk. "Wir wollen gleich immer so was Ernstes besprechen. Andere Nationen haben damit nicht so ein Problem", fuhr er fort.

Bauer begründete ihre Haltung mit dem Argument, sie wolle sich jetzt nicht den ganzen Tag so unterhalten: "Das Wetter ist ja heute auch echt schlecht, na ja." Oder: "Es schneit ja jetzt auch schon seit Tagen, nicht?" Um die Sache weiter zu präzisieren, kam sie auf die Gepflogenheiten in Bayern zu sprechen. Dort klingt ein Small Talk ihrer Meinung nach folgendermaßen: "Das Bier ist heute aber sehr schal. Ist ja schon lange auf das Fass . . ."

Kratzers Wortschatz
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Bei Darts-Weltmeisterschaften sind deutsche Teilnehmer meist chancenlos. Trotzdem erfreut sich dieser Sport auch in Bayern großer Beliebtheit - nur trägt er einen lustigeren Namen.

Von Hans Kratzer

Als Strafe für diese sprachliche Narretei sollte die junge Schauspielerin mindestens zehn Folgen Komödienstadel am Stück anschauen müssen. Und jedes Mal sollte darin eine Schmaazhaubn vorkommen, also eine Person, die zu viel redet und auch noch einen Schmarrn erzählt.

Ungeachtet dessen gibt es im Bairischen das schöne Verb schmatzen, das keineswegs nur eine geräuschvolle Nahrungsaufnahme meint, sondern die kulturelle Breite des Small Talks und des gepflegten Palavers ausdrückt.

Unbestreitbar ist, dass der Vorgang des Schmatzens manchmal knapp ausfällt. Manches Gespräch ist geprägt von einem gewissen Grad der Verdichtung. Fragt man einen Eingeborenen auf dem Land, wie es ihm gehe, dann erhält man nicht immer einen Riesenschwall an Informationen, sondern Reaktionen wie das berühmte "Passt scho". Weitere Elemente der Unterhaltung sind die Fragebegriffe "Ha?" und "Wos is?" sowie die Neigung, sich ins Schicksal zu ergeben: "Wennst moanst!" und "Vo mir aus!".

Wenn eine Unterhaltung zäh verläuft, dann liegt es meistens am Mangel an Humor. Im Wirtshaus war es einst ganz egal, wer einer war oder wieviel Geld er hatte. Wichtig war nur, dass er gute Geschichten erzählen konnte. Wirtshaus-Dialoge waren die Krönung des Small Talks auf dem Dorf, nirgendwo fügte sich die Dialektik der menschlichen Existenz besser zusammen als dort. Idealtypisch kommt dies in folgendem Dialog zweier Arbeiter zum Ausdruck: "Heut schaugst aber schlecht aus!" - "Trog du jedn Dog acht Stunden Zieglstoana!" - "Wia lang machstn de Arbat scho?" - "Morgen fang i o!"

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