Naturschutz in Bayern:"Da sind halt Vögel in der Luft"

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Die unbekannteste Vogelart ist laut Umfrage der Erlenzeisig. Dabei sind die lebhaften Singvögel nicht selten in den bayerischen Wäldern, Parks und Gärten. (Foto: Frank Derer/LBV)

Eine repräsentative Umfrage des Landesbunds für Vogelschutz zeigt, dass Erwachsene gerade einmal eine Amsel erkennen. Der Vorsitzende nennt die Ergebnisse ein "Alarmzeichen".

Von Christian Sebald, München

Der Buchfink ist der häufigste heimische Singvogel und er ist eigentlich sehr gut zu erkennen. Die Männchen sind mit ihrer rotgefiederten Brust, den ebenfalls rotgefiederten Wangen und der blauen Kappe recht markant. Die olivgrau gefiederten Weibchen sind ein wenig unauffälliger. Doch auch sie kann man sehr gut an ihrem auffälligen weißen Schulterfleck und den weißen Flügelbinden bestimmen. Die meisten Erwachsenen scheitern jedoch, wenn sie einen Buchfink identifizieren sollen. "Es ist erschreckend", sagt Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). "Aber nur zwölf Prozent der Erwachsenen können einen Buchfink sicher erkennen."

Es ist ein in gewisser Weise bizarrer Widerspruch. Selten war die Sehnsucht der Bevölkerung nach einer möglichst intakten Natur und Artenvielfalt so stark wie heute. Das hat zuletzt der immense Zuspruch zu dem Volksbegehren "Artenvielfalt - Rettet die Bienen" gezeigt. Wenn es jedoch um das Wissen um die heimische Artenvielfalt geht, dann tun sich immer größere Defizite auf. Das zeigen inzwischen eine ganze Reihe Untersuchungen unter Kindern und Jugendlichen.

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(Foto: Felix Kästle/dpa)

Die Menschen schätzen die heimischen Vogelarten. Aber wenn es darum geht Buchfink,...

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(Foto: Ralph Sturm)

...Amsel,...

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(Foto: Dieter Hopf/LBV)

...Haussperling...

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(Foto: Frank Derer/LBV)

...oder Erlenzeisig zu erkennen, tun sich viele schwer.

Und das weist jetzt einmal mehr eine repräsentative Studie unter Erwachsenen nach. Sie ist im Auftrag des LBV an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf entstanden und die erste ihrer Art in der Altersgruppe der über 18-Jährigen in Deutschland. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat für sie eine repräsentative Gruppe von 1003 Erwachsenen in Bayern ausgewählt und nach ihrer Artenkenntnis befragt. Der LBV-Chef Schäffer nennt die Ergebnisse ein "Alarmzeichen".

Das fängt schon bei der bekanntesten Vogelart an. Es ist die Amsel. "86 Prozent der Befragten erkennen eine Amsel, damit liegt sie vorne", sagt Benjamin Schmid, der mit Pirmin Enzensberger für die Studie verantwortlich ist. "Aber das bedeutet zugleich, dass 14 Prozent der Erwachsenen nicht einmal eine Amsel identifizieren können. Das ist jeder Siebte!" Auch der Haussperling ist noch sehr bekannt. 60 Prozent der über 18-Jährigen können ihn benennen, wenn sie einen vor sich haben. "Aber nur als Spatz", sagt Schmid. "Den korrekten Namen Haussperling kennen nur vier Prozent. Viele verwechseln den Haussperling mit dem Feldsperling." Die unbekannteste Vogelart ist mit einer Trefferquote von nur noch 3,6 Prozent der Erlenzeisig. Dabei sind die lebhaften Singvögel mit der auffällig grüngelb gefärbten Oberseite und Brust und der dunklen Strichelung an Rücken und Bauch nicht wirklich selten in den Wäldern, Parks und Gärten hier bei uns.

Im Durchschnitt erkannten die Erwachsenen nur sechs der 15 heimischen Vogelarten, nach denen gefragt wurde. Das sind 40 Prozent. Nur fünf Befragte, also ein knappes halbes Prozent, konnten alle 15 Arten identifizieren. 45 oder knapp zehn Prozent hingegen waren komplett blank. Teilnehmer, die viel Zeit in ihrem Garten verbringen, erkannten durchschnittlich eineinhalb Vogelarten mehr als Erwachsene ohne Garten. Und es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen Frauen und Männern. Dafür ist auffällig, dass die über 60-Jährigen deutlich besser abschnitten als die unter 30-Jährigen. Aus Sicht des Wildtierökologen Volker Zahner ist das ein starker Hinweis darauf, "dass das Wissen über die Natur nicht mehr wie früher ganz selbstverständlich von Generation zu Generation weitergegeben wird und abzureißen droht".

LBV-Chef Schäffer kündigte an, dass sein Verband die Umweltbildung verstärken wird. "Dabei geht es uns nicht nur um den Grundsatz, dass der Mensch nur das schätzt und schützt, was er gut kennt und um dessen Wert er weiß", sagt er. "Sondern auch um Lebensqualität. Der Ruf des Kuckucks im Frühjahr oder der Flug der Mauersegler über einem Biergarten sind doch gleich ein ganz anderes Erlebnis, wenn man die beiden Arten erkennt und weiß, dass sie viele Tausend Kilometer aus ihren Überwinterungsquartieren wieder zu uns gekommen sind, als wenn man nur sagen kann, da sind halt Vögel in der Luft."

© SZ vom 24.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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