Grenztourismus:Einmal Volltanken, bitte

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Das Spritpreisparadies der Deutschen: Gerade einmal 100 Meter hinter der österreichischen Grenze liegt diese Tankstelle in Achleiten bei Passau. Die Kunden kommen fast ausschließlich aus Bayern. (Foto: Sebastian Beck)

Die Benzin- und Dieselpreise sind auf einem historischen Hoch - auch in Bayern. Immer mehr Menschen fahren deshalb zum Tanken über die Grenze nach Österreich.

Von Ben Bergleiter und Franziska Ruf, München

Die Deutschen, auch die Bayern, reisen gerne: Ob in den USA, Thailand oder auf Mallorca, überall sind sie anzutreffen. Rund 70 Milliarden Euro werden laut Deutschem Reiseverband jährlich für Urlaubsreisen ausgegeben. Viele Reisende fahren aber nicht zum Geld ausgeben ins Ausland, sondern zum Sparen. Der Tanktourismus nach Österreich und Tschechien gehört seit Jahren zu den größten Themen in den Grenzgebieten.

In Österreich und Tschechien kostet der Liter Benzin oder Diesel deutlich weniger als in Bayern. Das liegt vor allem daran, dass es hierzulande höhere steuerliche Abgaben auf die jeweiligen Kraftstoffe gibt: Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer und seit Anfang diesen Jahres auch die CO₂-Abgaben machen bei Diesel 78 Cent und bei Superbenzin sogar 98 Cent des Preises aus. In Österreich beispielsweise belaufen sich die steuerlichen Abgaben von Diesel auf 58 Cent und von Superbenzin auf 66 Cent. Dieser Preisunterschied ist beim Volltanken deutlich spürbar und veranlasst viele Tankende, kilometerweit bis über Staatsgrenzen zu fahren.

"Wir werden über kurz oder lang nicht mehr existieren."

So erlebt es Birgit Wimberger in Kirchdorf. Dort betreibt sie eine der letzten deutschen Tankstellen vor der Grenze nach Österreich im Landkreis Rottal-Inn. Den Tanktourismus spürt sie schon seit Jahren. Je höher die Steuern steigen, desto mehr verschärft sich das Problem. "Vor zwanzig Jahren waren hier noch 13 oder 14 Tankstellen", erzählt sie. Vor der Grenze gehalten haben sich davon zwei: Wimbergers freie Tankstelle in Kirchdorf und eine Aral-Tankstelle kurz vor der Innbrücke in Simbach. Am anderen Inn-Ufer auf österreichischer Seite dagegen ploppen die Tankstellen hervor wie aus dem Nichts: 15 Tankstellen im Umkreis von fünf Kilometern. Wimberger ist sich sicher: "Wir werden über kurz oder lang nicht mehr existieren." Ihre Forderung an die Politik ist eine einheitliche Steuerregelung in der EU.

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Der Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) gab jetzt bekannt, dass der Tanktourismus in letzter Zeit wieder deutlich zugenommen habe. Das liegt zu einem großen Teil an den rekordhohen Spritpreisen derzeit. Ein Liter Diesel kostet laut ADAC 1,555 Euro im bundesweiten Durchschnitt und damit so viel wie noch nie. Der Benzinpreis pro Liter liegt bei 1,667 Euro und ist somit nur 4,2 Cent von seinem Allzeit-Hoch entfernt. Diese hohen Preise ergründen sich einerseits aus einer erhöhten Nachfrage nach Rohöl, durch eine sich erholende Wirtschaft nach den Einschränkungen der Corona-Pandemie. Gleichzeitig wird aber das Angebot nicht im gleichen Maße erhöht, was eine drastische Knappheit und somit eine Preiserhöhung bewirkt. Hinzu kommt eine zusätzliche Nachfrage nach Heizöl in den Herbst- und Wintermonaten und somit eine Erhöhung der Dieselpreise.

Verband spricht von "Benzinpreis-Paradoxon"

Diese Preiserhöhungen sind aber natürlich auch in anderen Ländern spürbar. "Auch bei uns sind die Preise so hoch wie noch nie", bestätigt der österreichische Tankstellenbetreiber Karl Thrainer am Telefon. Mit durchschnittlich 1,38 Euro pro Liter Diesel und 1,40 Euro pro Liter Superbenzin hat auch Österreich so hohe Preise wie seit 2012 nicht mehr. Dennoch kommen immer mehr deutsche Tanktouristen zu Thrainers Tankstelle an der deutsch-österreichischen Grenze in der Nähe von Kufstein. Im Vergleich zum Oktober 2019 habe er diesen Monat bereits rund acht Prozent mehr Treibstoff verkauft. Da 90 Prozent seiner Kundschaft deutsche Tanktouristen sind, spricht das für einen deutlichen Anstieg des Tanktourismus. Der Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) spricht bei diesem Anstieg von einem "Benzinpreis-Paradoxon", denn der Preisunterschied zwischen Österreich und Deutschland hat sich in den letzten Monaten nicht deutlich geändert.

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Stark bemerkbar macht sich der Tanktourismus in bayerischen Städten an der Grenze zu Österreich wie Passau. "Wir haben wegen des Tanktourismus Stau durch die ganze Innenstadt", erzählt Manuel Lang. Er ist Inhaber einer Shell-Tankstelle, 500 Meter von ihm entfernt bietet eine österreichische Tankstelle Benzin für 30 bis 40 Cent weniger an. Zu ihm kommen nur noch Firmenkunden. Markus Färber, Eigentümer einer Tankstelle im Familienbetrieb, sagt, er werde seine Öffnungszeiten verkürzen müssen. Wie ihm geht es auch den anderen Tankstellenbetreibern in den Grenzregionen wie Burghausen oder Mittenwald. In Neuhaus, das dem österreichischen Schärding auf der anderen Inn-Seite gegenüberliegt, existiert gar keine Tankstelle.

Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung ist die Entwicklung der Spritpreise derzeit unberechenbar, damit ist auch unklar, wie sich der Tanktourismus in der nächsten Zeit entwickeln wird. In diese Unsicherheit spielt auch die ungewisse pandemische Lage in den kommenden Monaten mit rein. Sollten die Grenzen, wie im vergangenen Jahr wieder dichtmachen, stünden die Tankstellen auf österreichischer Seite ohne Kundschaft da und deutsche Orte teilweise ohne Tankstellen.

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