Irgendwelche Unterschiede muss es immer geben, sonst ließe sich ja nichts auseinanderhalten. Und derzeit scheint in Bayern kaum etwas wichtiger zu sein, als Stadt und Land auseinanderzuhalten. Also müssen halt auch da dringend Unterschiede her - und seien es irgendwelche Ernährungsgewohnheiten, auch wenn man sich die Differenzen da notfalls selber aus den Rippen schneiden oder gar aus dem Speckgürtel schnitzen muss.
Aber es ist ja auch nicht einfach. Immerhin gibt es offiziell 317 Städte in Bayern, breit verstreut übers - Achtung: ganze Land. Als Kleinste Stadt gilt Rothenfels in Unterfranken, das ungefähr 1000 Einwohner hat und rein rathausmäßig mit acht anderen Kommunen zwar Mitglied, aber nicht einmal Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld ist. Zugleich sind da 25 kreisfreie Städte und 29 sogenannte Große Kreisstädte - zum Beispiel gar so große wie Günzburg mit nicht einmal 22 000 Einwohnern, während der "Hauptort" im Landkreis Garmisch-Partenkirchen trotz seiner gut 28 000 Einwohner aus Gründen des Tourismusmarketings lieber eine Marktgemeinde bleibt. Denn so ein Markt liegt am Land.
Den Siedlungsgeografen reichen amtliche Einstufungen ohnehin nicht. Sie unterscheiden eher nach Bevölkerungsdichte, dem Anteil an Wald und Wiese, der Einfamilienhausquote und dem Abstand zum nächsten Zentrum. Wobei Zentrum wieder relativ ist. Für die einen ist es schon ziemlich zentral, wenn der Supermarkt viele Parkplätze hat - und für andere ist es das erst, wenn es gar keine gibt. Apropos Mobilität: Viele einst werktägliche Berufsstädter sind längst tief verwurzelt draußen im Eigenhomeoffice. Und am Volksfest ist Bayern in aller Eintracht sowieso wieder ganz Land.
Wenn dieses Land denn unbedingt das Gegenteil von Stadt sein soll, dann gibt es diese Art von Land sowieso erst, seit es Städte gibt. Und dann wäre das Land ungefähr genauso alt wie die ewige Debatte, wo es nun besser sei, entweder da oder dort. Und? Es bleibt im Fluss. Wer etwa in einem oberbayerischen 5000-Einwohner-Städtchen aufgewachsen ist, gilt in den Dörfern drumrum schon als "Stoderer". So ein angeblicher Städter kann dann auch gleich im Moloch München am MVV-Automaten einem an all der Urbanität verzweifelnden Menschen beistehen. Und wer auf dessen "Vergelt's Gott" auch noch die autochthone Antwort "Segn's Gott" weiß, erntet ein erlöstes Aufatmen: "Mei, du bist a vom Land, gell?"