Schulen in Bayern:Das Virus lernt mit

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Im neuen Schuljahr soll es wieder Präsenzunterricht geben, versprach Minister Michael Piazolo. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Schulen sollen offen bleiben, das ist nun die oberste Maxime in Bayern. Wie das inmitten der vierten Corona-Welle funktionieren soll? Mit Tests und den umstrittenen Luftfiltern.

Von Viktoria Spinrad, München

Der Eindruck, sagt Nevio Zuber, sei "sehr gut". Der stellvertretende Sprecher des Landesschülerrats zählt die neuen Vorschriften auf: die flexiblere Quarantäneregelung, die "verständliche" Maskenpflicht am Anfang des Schuljahres, die Streichung des Wechselunterrichts ab einer Inzidenz von 100 - "das ist alles definitiv zu begrüßen", sagt Zuber.

Egal, wen man am Dienstagnachmittag nach der Kabinettssitzung fragt: der Ansatz, trotz anhaltender Corona-Pandemie auf offene Schulen zu setzen, kommt an. Um das möglich zu machen, hat die Staatsregierung gen Westen nach Baden-Württemberg gelugt und ein wenig abgeschrieben. Ampelsystem statt Inzidenz, Maskenpflicht in den ersten Wochen, möglichst keine Klassenquarantäne mehr, so lautet der Rahmenplan. "Das Ziel ist vollständiger Präsenzunterricht", bekräftigte Kultusminister Michael Piazolo (FW).

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Konkret sollen die Schulen auch bei höheren Inzidenzwerten geöffnet bleiben. Entscheidend wird stattdessen das neue Ampelsystem sein, das Krankenhausaufenthalte, aber auch Long-Covid-Fälle widerspiegelt. An den weiterführenden Schulen wird dreimal in der Woche ein Test durchgeführt, an den Grund- und Förderschulen werden Schüler zweimal in der Woche mittels PCR-Lollitests getestet. Die Klassenzimmer sollen weiterhin kräftig gelüftet werden und die Schüler müssen zumindest in den ersten beiden Wochen Maske tragen.

Und auch die umstrittenen Luftfilter sollen helfen, die Klassenräume sicher zu machen. Wobei Kommunen und Landkreise erst zehn Prozent der entsprechenden Fördermittel abgerufen haben, wie Piazolo am Dienstag sagte. Söder hatte angekündigt, in jedem Klassenzimmer ein entsprechendes Gerät stehen haben zu wollen. Dass es nun zunächst nur ein Bruchteil davon wird, war für Matthias Fischbach, den bildungspolitischen Sprecher der FDP, absehbar: "Da hat man mit Ansage daneben geschossen." Für den Vorsitzenden des Bildungsausschusses, Markus Bayerbach von der AfD, sind die Geräte ein Symbol dafür, wie die Regierung die Verantwortung an die unteren Ebenen weitergebe. Man mute Kindern Masken und Tests zu, "bringt aber selber nicht auf die Reihe, überall Lüfter aufzustellen".

Dabei steigt der Druck auf Kommunen und Landkreise. Denn die Geräte sollen von den Gesundheitsämtern berücksichtigt werden, wenn es um die Frage geht, wer nach einem positiven Corona-Test in Quarantäne muss - einzelne Schüler oder doch die ganze Klasse. Damit liege der schwarze Peter bei den Kommunen, moniert Simone Fleischmann vom BLLV. Dann hätte man die Förderrichtlinie von Anfang an anders aufstellen müssen, kritisiert Simone Strohmayr (SPD).

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Offen ist, wie es die Gesundheitsämter tatsächlich handhaben, sollten sich Schüler anstecken. Die Dauer der Quarantäne soll von 14 auf fünf Tage verkürzt werden, der verbleibende Rest der Klasse sieben Tage lang täglich getestet werden. Wer in Quarantäne muss, wird im Einzelfall entschieden. "Nicht per se die ganze Klasse", wie Söder am Dienstag sagte. Das hatte man auch in Nordrhein-Westfalen angestrebt, wo einzelne Kommunen aber doch ganze Klassen in Quarantäne schicken - zwei Wochen nach dem Beginn des Schuljahres befindet sich dort mindestens jeder 62te Schüler in Quarantäne, wie aus Zahlen des Schulministeriums hervorgeht.

Bei der Früherkennung helfen sollen in Bayern zumindest an den Grund- und Förderschulen die deutlich sensibleren PCR-Pooltests. Wobei offen ist, ob damit tatsächlich gleich nach den Sommerferien begonnen wird, dazu hatte es zuletzt widersprüchliche Angaben gegeben. "Peinlich", sei das, sagt Fischbach: "In NRW sind die Tests seit Mai flächendeckend im Einsatz, und wir krebsen noch rum."

Die neuen Regelungen sind beschlossen, doch sorgenfrei sieht mancher nicht auf das neue Schuljahr. BLLV-Chefin Fleischmann zeigte sich enttäuscht. "Wir können nicht immer nur über das Gesundheitspolitische reden", sagte sie. Was sei mit den Inhalten, mit sozialem Lernen und Schulpsychologen? Wenn der Druck immer weiter steige, sagt sie, "dann werden wir das Schuljahr nicht überstehen".

© SZ vom 01.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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