Islamkunde-Unterricht in Bayern:"Wir können nicht Dankeschön sagen"

Lesezeit: 3 Min.

Ein eigenes Fach allein für sie, ähnlich wie es Christen und Juden auch haben. Das verstehen viele muslimische Schüler als Wertschätzung in der Schule. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

An Bayerns Schulen wird Islamkunde als Regelunterricht eingeführt. Doch ausgerechnet Islamverbände hadern mit der Entscheidung des Landtags - und eine Klage könnte das Projekt doch noch gefährden.

Von Viktoria Spinrad, München

Nach der Entscheidung des Landtags vom Dienstag, islamischen Unterricht als Regelangebot an den bayerischen Schulen einzuführen, regt sich Unmut unter Islamverbänden. Kern der Kritik ist der Umstand, dass das Fach nicht als konfessionelles Wahlpflichtfach eingeführt wird, wie dies beim christlichen Religionsunterricht der Fall ist. Wenn es um den Islamunterricht geht, behält der Staat die Zügel in der Hand. Egal, ob es um die Ausbildung der Lehrer, die Unterrichtsinhalte oder die Auswahl der Lehrer geht.

"Wir können nicht Dankeschön sagen", sagte am Mittwoch Aykan Inan, Geschäftsführer von Ditib Bayern und Sprecher des relativ neuen Koordinationsrats der Islamischen Religionsgemeinschaften in Bayern. Das Konzept, wonach nach einem Landtagsbeschluss am Dienstagabend aus einem langjährigen Modellprojekt nun ein Regelangebot wird, sei "nicht im Sinne der Verfassung".

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Konkret bezieht sich die Kritik auf Artikel 7, Absatz 3 des Grundgesetzes. Demnach soll der Religionsunterricht "unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes" "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt" werden. Gemäß der Interpretation von Islamverbänden sollten also sie - und nicht der Freistaat - die Lehrer auswählen, ausbilden und den Lehrplan erstellen.

Allerdings fehlt ihnen dafür zum aktuellen Zeitpunkt die rechtliche Voraussetzung: nämlich eine offizielle Anerkennung als kooperierende Glaubensgemeinschaft durch den Freistaat, die die den Inhalt ihres Glaubens definiert und die Lehrkräfte zur Erteilung des Unterrichts bevollmächtigt. Darauf verweist das Kultusministerium. "Daher wird der Islamische Unterricht in Bayern als ausschließlich vom Staat verantwortetes, nicht konfessionelles Angebot erteilt", sagte ein Sprecher.

Zurzeit wird islamischer Unterricht an 350 Schulen erteilt

Zwölf Jahre ist es her, dass islamischer Unterricht als Modellprojekt an ausgewählten bayerischen Schulen angeboten wurde. Schüler sollten verlässliche Informationen über den Islam bekommen; zudem sollte verhindert werden, dass Jugendliche auf der Suche nach Informationen im Internet an Extremisten geraten. Zurzeit wird islamischer Unterricht von etwa 100 Lehrerinnen und Lehrern an 350 Schulen erteilt - bei dieser Größenordnung dürfte es auch im kommenden Schuljahr bleiben. "Wir erwarten keinen großen Sprung", sagte ein Sprecher.

Ausbildet werden die Pädagogen am Lehrstuhl für Islamische Religionspädagogik der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen-Nürnberg. Viele sind Quereinsteiger und kommen aus muslimisch geprägten Ländern wie der Türkei, Tunesien oder Marokko. Mit ihren Schülern sollen sie extremistische Auswüchse unter dem Deckmantel des Islam auch kritisch hinterfragen. Der bayerische Landesverband des Zentralrats der Muslime in Deutschland, begrüßt das: "In den Klassenzimmern darf es keine Tabus geben", sagte Mohamed Abu El Qomsan.

Wie Inan sähe auch er den Unterricht lieber in den Händen der muslimischen Verbände. "So, wie es jetzt ist, können wir nicht glücklich drüber sein", sagte er. Zwar hat der Freistaat die muslimischen Verbände aufgefordert, Feedback zum Lehrplan zu geben. Viele Verbände haben darauf jedoch verzichtet - darunter auch Ditib und der Zentralrat. "Wir wollen nicht Hinweise angeben und hoffen, dass sie angenommen werden. Wir wollen mitbestimmen", sagte Inan von Ditib.

"Wertekunde" wäre manchen Abgeordneten lieber als "Islam"

Bereits seit vielen Jahren ringen die bayerischen Muslime mit dem Kultusministerium um den islamischen Unterricht. Und nicht nur sie: Manche Landtagsabgeordnete wollten statt "Islam" lieber "Wertekunde" unterrichtet sehen. Aus Sorge vor einer geringeren Akzeptant unter muslimischen Familien blieb man aber beim islamischen Unterricht. Dieser soll auch die Integration der jungen Muslime fördern.

Das betont denn auch die bayerische Integrationsbeauftragte, Gudrun Brendel-Fischer (CSU). Mit dem neuen Wahlpflichtfach sei ein "weiterer, wichtiger Meilenstein für die Integration unserer muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gesetzt." Daran glaubt auch Mehmet Yalcin. Seit bald 18 Jahren bringt er Muslimen an bayerischen Schulen ihren Glauben näher. Für Menschen wie ihn bedeutet das Votum vom Dienstag auch Planbarkeit: "Wir hingen lange in der Luft." Nun sollen Lehrer wie er entfristet werden. Das sieht er auch für die islamische Pädagogik positiv: "Jetzt bekommt das Fach es einen ganz anderen Stellenwert", sagte er.

Vorausgesetzt, Gerichte kippen den Plan nicht doch noch. Diverse säkulare Organisationen, darunter der Bund für Geistesfreiheit Bayern und die Regionalgruppe München im Förderkreis der Giordano-Bruno-Stiftung e.V. reichten am Mittwoch Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein. Ihre Kritik zielt auf einen anderen Punkt, als die der Islamverbände: Religiöser Unterricht habe an den Schulen nichts zu suchen, lautet das Argument.

© SZ vom 08.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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