Gesundheit:Reha in Gefahr

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Schritt für Schritt zurück in die Selbstständigkeit: In einer Reha-Klinik in München üben Menschen nach einem Bruch wieder zu laufen. (Foto: Catherina Hess)

In Würzburg kämpft der Seniorenverein um das letzte Geriatrie-Zentrum der Stadt. Es steckt so tief in den Miesen, dass die Existenz bedroht ist. Ein bayernweites Problem.

Von Nina von Hardenberg, Würzburg

Der Geschäftsführer der Würzburger Seniorenvertretung Hendrik Lütke muss eigentlich selbst gerade zum Arzt. Er nimmt sich aber Zeit für ein Telefongespräch zur Zukunft der Rehabilitationskliniken in seiner Stadt. Das Thema ist für ihn und eigentlich für alle älteren Menschen enorm wichtig, findet er. Es ist nämlich so: Wenn ein alter Mensch stürzt und ins Krankenhaus kommt, fürchtet er sich nicht am meisten vor Schmerzen oder dem Eingriff, den er jetzt über sich ergehen lassen muss. Die große, angstvolle Frage ist, ob er danach zurück nach Hause darf. Wenn Senioren nach dem Klinikaufenthalt in die Reha kommen, gelingt das sehr oft. Etwa 80 Prozent der Senioren werden dort nach schweren Krankheiten oder Unfällen so weit fit gemacht, dass sie in ihr häusliches Umfeld zurückkehren.

Manchmal sind es nur ein paar Kniffe, die Patienten nach einer OP lernen müssen, um weiter alleine zurecht zu kommen, weiß der gelernte Krankenpfleger und Diakon Lütke: "Wie stehe ich richtig auf, wie komme ich aus dem Bett." Im Klinikalltag fehlt aber genau dafür die Zeit. Ohne Reha droht deshalb vielen älteren Patienten das Heim.

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"Wir mussten bereits hinnehmen, dass die Reha des Bürgerspitals schließt", erklärt Lütke. Das Geriatrie-Zentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) ist damit die letzte stationäre Reha-Einrichtung der Stadt und auch sie steckt tief in den roten Zahlen. Würzburg darf die Einrichtung auf keinen Fall verlieren, finden die Senioren. Der Seniorenrat hat deshalb bereits 10 000 Unterschriften gesammelt. Sie füllen drei Aktenordner, erzählt Lütke stolz und schickt sogleich ein Foto davon per E-Mail. Auch eine Onlinepetition für den Erhalt der geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen in Bayern haben die Senioren gestartet. Denn sie wissen, die Reha-Kliniken überall in Bayern leiden unter den gleichen Problemen wie in Würzburg.

Die Reha-Klinik der Awo gibt es dort seit 26 Jahren. In all diesen Jahren habe das Haus fast durchgehend Defizite von einer halben bis zu einer Dreiviertelmillion Euro pro Jahr gemacht, berichtet der Awo-Co-Landesvorsitzende Stefan Wolfshörndl. Die Awo, die als freigemeinnütziger Verband keine Gewinnabsichten hat, konnte das durch andere Geschäftsbereiche ausgleichen. Das aber werde derzeit immer schwieriger, sagt Wolfshörndl. "Wir brauchen für einen Fortbestand eine schwarze Null im Betrieb."

Fast die Hälfte der Kliniken denke über eine Schließung nach

Ähnlich geht es vielen Häusern in Bayern. Jahrelange Unterfinanzierung bringe die Kliniken an den Rand der Existenzfähigkeit, warnten Experten Anfang der Woche bei einer Versammlung der bayerischen Fachspezialisten für Altersmedizin in der Klinik Wartenberg. Fast die Hälfte der Kliniken denke über eine Schließung nach, hieß es dort. Einige hätten bereits stillschweigend geschlossen, da die Träger negative Presse befürchten. Andernorts habe man Betten reduziert. Bereits jetzt würden Patienten dadurch drastisch schlechter versorgt, warnte der Vorsitzende der Ärztlichen Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Geriatrie in Bayern, Jens Trögner. Denn es komme zu langen Wartezeiten und damit zu Engpässen bei der Entlassung aus dem Krankenhaus.

Ist nicht gleich ein Platz in der Reha frei, müssen die Patienten oft zunächst zur Kurzzeitpflege in einem Heim untergebracht werden. Dabei ist es für den Erfolg der Therapie etwa nach einem Oberschenkelhalsbruch entscheidend, dass alte Menschen schnell wieder versuchen erste Schritte zu gehen. Liegen sie stattdessen im Bett, bilden sich rasch die Muskeln zurück. Manche Patienten kommen dann nicht mehr auf die Beine.

Reha ist also sinnvoll, daran gibt es aus medizinischer Sicht keine Zweifel. Auch politisch ist sie gewollt. Denn wenn Menschen länger selbstständig bleiben, beanspruchen sie nicht die teuren und zunehmend knappen Plätze in den Pflegeheimen. In Würzburg war deshalb auch schon der ehemalige Gesundheitsminister Klaus Holetschek zu Besuch. Sein Ministerium sagte den Reha-Klinken Finanzhilfen aus dem Härtefallfonds in Höhe von 1000 Euro pro Bett zu. Eine gute Geste, viel zu wenig aber, um die Defizite auszugleichen, heißt es in der Petition.

Um wirtschaftlich arbeiten zu können, müsste der Pflegesatz, den die Reha-Kliniken pro Patient und Tag erhalten, angehoben werden. Diesen handeln sie aber - anders als etwa Kliniken und Pflegeheim - allein mit den Krankenkassen aus. Die Krankenkassen aber waren zuletzt kaum bereit, die Sätze angemessen zu erhöhen, so die Klage.

Der Seniorenbeirat Würzburg will darum weiter Stimmen sammeln. Er habe sämtliche Mehrgenerationenhäuser und alle Reha-Kliniken in Bayern angeschrieben, erzählt Lütke. Er hofft, dass die Liste der Unterschriften noch länger wird. Dann wollen sie diese der neuen bayerischen Regierung überreichen, als Arbeitsauftrag.

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