Umweltpolitik:Bayern soll bis 2040 klimaneutral sein

Lesezeit: 3 min

Die Sektoren Verkehr, aber auch Energie, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft müssen CO₂ reduzieren. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Der Umweltminister will das bisherige unverbindliche Gesetz schnell verschärfen. Vor allem müssen schädliche Emissionen reduziert werden - und zwar in vielen Bereichen.

Von Christian Sebald, München

Jetzt soll es ganz schnell gehen. Noch im Mai will Umweltminister Thorsten Glauber (FW) den Entwurf für ein neues bayerische Klimaschutzgesetz präsentieren. Denn der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz von vergangener Woche hat die Staatsregierung in Zugzwang gebracht. Zwar bezieht sich der Beschluss auf das Klimaschutzgesetz des Bundes.

Aber zugleich macht er klar, was die Landtagsopposition und Experten schon lange über das bayerische Klimaschutzgesetz sagen: Es ist voller Mängel und wird in der aktuellen Form kaum Wirkung entfalten. Deshalb verspricht Umweltminister Glauber nun ein "Klimaschutzgesetz 2.0". Nach seinem Willen soll es der Landtag noch vor der Sommerpause verabschieden können.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Entscheidend für die Wirkmächtigkeit des neuen Gesetzes wird sein, wie verbindlich es formuliert wird - und zwar sowohl was die Klimaschutzziele anbelangt, die sich der Freistaat gibt, als auch den Weg zu ihrer Erfüllung. Denn das ist der Haupt-Kritikpunkt aller Experten am aktuellen bayerischen Klimaschutzgesetz.

In seinen elf Paragrafen wimmelt es von "soll" und "kann". Für einen Gesetzestext ist es sehr wolkig und unverbindlich formuliert. Ein Bezug zum Pariser Klimaschutzvertrag und dem Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, fehlt ebenfalls. Das gilt es nun nachzuholen. Das sagen nicht nur Umweltverbände wie der Bund Naturschutz und Oppositionspolitiker wie der Grünen-Abgeordnete Martin Stümpfig.

Sondern auch Fachverbände wie die Bayerische Architektenkammer, der Verband Kommunaler Unternehmen oder der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft haben schon vor einem Jahr verbindliche Ziele und Regelungen eingefordert.

Im neuen Gesetz will Glauber fünf Sektoren verankern, von denen jeder ein vorgegebenes CO₂-Minderungsziel hat

Gleich nach dem Beschluss der Karlsruher Verfassungsrichter hat Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder angekündigt, dass Bayern seine Klimaschutz-Ziele deutlich verschärfen wird: Bis 2030 soll nun der Klimagas-Ausstoß um 65 Prozent reduziert werden, das bisherige Ziel beläuft sich auf 55 Prozent. Außerdem soll Bayern nun schon 2040 klimaneutral sein und nicht erst 2050. "Die Klimaneutralität 2040 ist der Beitrag Bayerns dazu, damit das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzvertrags erfüllt wird", sagt Umweltminister Glauber. Damit die neuen Ziele erreicht werden können, will Glauber Vorgaben ins Gesetz einbauen, die viele Experten und zum Beispiel auch der Grünen-Fachmann Stümpfig gutheißen.

Im neuen Gesetz will Glauber fünf Sektoren definieren und einem jeden ein jährliches CO₂-Minderungsziel vorgeben. Vorbild dafür ist das Klimaschutzgesetz des Bundes, das nach dem gleichen Schema verfährt. Die Sektoren sind Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Mit der Definition der fünf Sektoren wird die Verantwortung der Staatsregierung für den Klimaschutz auf eine sehr viel breitere Basis gestellt. Bisher war für ihn vor allem Umweltminister Glauber zuständig. Nun müssen auch Bau- und Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU), Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (FW) sowie Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) liefern. Anders als bisher müssen auch sie jetzt konkrete Programme aufstellen, damit die CO₂-Emissionen reduziert und die erneuerbaren Energien ausgebaut werden können. Außerdem soll es für jeden Sektor eine jährliche Berichtspflicht geben. So will die Staatsregierung schnell feststellen können, ob sie ihre Klimaschutzziele erreicht oder ob sie nachbessern muss.

Glauber will zudem die Kommunen stärker in die Pflicht nehmen. Im aktuellen Gesetz beschränkt sich der Freistaat auf die Empfehlung, dass sie sich dem Gesetz entsprechend verhalten sollen. Der Grund für diese maximal unverbindliche Formulierung ist das Konnexitätsprinzip - also der Grundsatz, dass der Freistaat die Kosten übernehmen muss, die Kommunen aus staatlichen Vorgaben entstehen. Mit der wachsweichen Formulierung wollte die Staatsregierung vermeiden, dass dieser Fall eintritt. Aus der Expertenwelt hat sie dafür harsche Kritik eingefahren, weil sie damit den Klimaschutz gleichsam dem Belieben der Kommunen überlässt.

Nun will Glauber auch in dem Punkt nachsteuern. "Klimaschutz funktioniert nur mit den Kommunen", sagt er. "Der Schulterschluss muss gelebt werden." Ob die Staatsregierung aber so weit geht wie die Landtagsgrünen in ihrem Entwurf für ein Klimaschutz-Gesetz von 2019, ist offen. Stümpfig und Co. wollten die Städte und Gemeinde verpflichten, Konzepte für den kommunalen Klimaschutz, eine regenerative Wärmeversorgung und eine "Klima-Verkehrsplanung" zu entwickeln und umzusetzen. CSU und Freie Wähler lehnten seinerzeit den Gesetzesentwurf ab. Auch jetzt nannte Glauber keine Details seiner Pläne für die Kommunen.

Wie wichtig ein Klimaschutzgesetz für Bayern ist, das den Namen verdient, wird klar, wenn man sich den aktuellen CO₂-Ausstoß des Freistaats und das CO₂-Budget anschaut, das der Staatsregierung auf dem Weg zur Klimaneutralität bleibt. Laut Wirtschaftsministerium betragen die energiebedingten CO₂-Emissionen des Freistaats 6,2 Tonnen pro Einwohner und Jahr. Auf ganz Bayern gesehen sind das etwa 80 Millionen Tonnen im Jahr. Die energiebedingten Emissionen betreffen Verkehr, Energie, Gebäude und Industrie. Die Emissionen aus der Landwirtschaft sind darin nicht enthalten. Der Grünen-Experte Stümpfig beziffert sie auf ungefähr 20 Millionen Tonnen im Jahr.

Das CO₂-Budget des Freistaats beträgt noch maximal 700 Millionen Tonnen. So geht es aus den Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen hervor, der die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz berät. Anders gesagt: Bayern darf noch höchstens eine Milliarde Tonnen CO₂ in die Atmosphäre blasen. Mit jeder Tonne mehr verfehlt der Freistaat das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzvertrags. Die bayerische Staatsregierung hat mit ihrer Klimaschutzpolitik also noch maximal bis 2027 Zeit.

© SZ vom 08.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klimaschutzgesetz
:Umweltminister will Mindestabstand für Windkraftanlagen kippen

Windräder sollen künftig näher an Wohngebieten gebaut werden können - das will Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber. Widerstand kam aus der CSU.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: