NSU-Morde:Grüne und SPD wollen womöglich zweiten Untersuchungsausschuss

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Ein Tatort: Den "Himmet Market" an der Bad-Schachener-Straße in München betrieb der Lebensmittelhändler Habil Kılıç. Am 29. August 2001 wurde er dort vom NSU erschossen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Fraktionen nehmen nun Vorarbeiten auf - es geht etwa darum, wieso der NSU gerade in Bayern so häufig mordete.

Von Johann Osel, München

Zehn Jahre nach dem Auffliegen der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ergreifen Grüne und SPD im Landtag die Initiative für einen möglichen zweiten Untersuchungsausschuss zur Mordserie. Über die Klärung von "zahlreichen ungeklärten Fragen, die sich immer noch um den NSU-Komplex ranken", und denkbare Aspekte eines U-Ausschusses wollen die Fraktionen zunächst in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe beraten. Die SPD müsse darüber formal noch entscheiden, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung. Mit dem Tod der Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos endete am 4. November 2011 die Existenz des NSU, der zehn Menschen ermordete (allein fünf davon in Bayern), zudem Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle verübte.

Der Landtag hatte sich schon 2012 und 2013 in einem U-Ausschuss vor allem mit möglichem staatlichen Versagen befasst. Es war ungefähr die Zeit, als der Prozess gegen NSU-Mitglied Beate Zschäpe begann. Manche heutigen Erkenntnisse wurden später bekannt. Unter anderem wurde ein Bombenattentat auf die Nürnberger Kneipe "Sonnenschein" 1999, bei dem der türkischstämmige Wirt verletzt wurde, erst im Laufe der Hauptverhandlung dem NSU zugeordnet. Auch wurden weitere Aufenthalte des Trios in den Neunzigern im Freistaat später publik, womöglich liegt hier ein Konnex zu unentdeckten Neonazi-Strukturen. Weiterhin Unklarheit herrscht zudem über die Rolle von V-Leuten. Bereits vor einem Jahr, zum Jahrestag 2020, war eine Petition gestartet worden, in der sich Opfervertreter sowie Vereine und Aktivisten für einen U-Ausschuss einsetzten. Titel: "Kein Schlussstrich".

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Noch in diesem Jahr soll ein Fragenkatalog vorliegen

Für die Einsetzung eines Ausschusses reicht ein Fünftel aller Abgeordneten - die Marke würden Grüne und SPD erreichen. Für einen möglichst breiten Konsens wollen nun die Rechtsextremismus-Experten Cemal Bozoğlu (Grüne) und Florian Ritter (SPD) das Gespräch im Parlament suchen. "Wir sind es nicht nur der Öffentlichkeit schuldig, sondern insbesondere den Hinterbliebenen der Opfer, die offenen Fragen aus dem NSU-Komplex zu klären", teilte Ritter mit. Bozoğlu erklärte: "Vor zehn Jahren hat die Bundesregierung den Angehörigen der Opfer des NSU die vollständige Aufklärung der Morde des NSU versprochen. Von der Einlösung dieses Versprechens sind wir immer noch weit entfernt." So wisse man noch immer nicht, warum Bayern Haupttatland des NSU war, wie Opfer ausgespäht wurden und wieso die Ermittlungen "einseitig" in Richtung Organisierte Kriminalität gingen. Mit besagtem Anschlag auf die Nürnberger Kneipe hätten "die Ermittlungsfehler angefangen". Noch in diesem Jahr wollen SPD und Grüne einen Fragenkatalog verfassen.

Die Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler hatten auf Forderungen nach dem Ausschuss 2020 eher verhalten reagiert. Fraglich sei, welche neuen Erkenntnisse das Gremium tatsächlich zu Tage fördern solle, hieß es. Einer Prüfung des Ansinnens auch in Fachausschüssen stehe aber nichts entgegen. Dort will Bozoğlu den fertigen Katalog vorstellen, ohnehin den Landtag "proaktiv ansprechen" und zur gemeinsamen Initiative einladen.

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