Corona-Pandemie:Urlauber im Visier der Schleierfahndung

Lesezeit: 3 min

Geimpft, genesen, getestet? Seit zehn Tagen kontrollieren Polizisten an Bayerns Grenzen zu Österreich und Tschechien. Dabei werden nur wenige Verstöße festgestellt. Innenminister Herrmann zeigt sich zufrieden.

Von Matthias Köpf, Piding

Der Mann und die Frau in dem üppig motorisierten Mercedes mit den verdunkelten Scheiben schauen zweifelnd hinüber, ob das alles jetzt bei ihnen auch ansteht. Nebenan steht ein Familienvan mit slowenischem Kennzeichen, im Schatten wartet der Fahrer. Und auf der linken Seite liegt ein Mann in Jeans und Polizeiweste und leuchtet mit einer Lampe unter den Wagen, während eine Kollegin auf der Beifahrerseite die Plastikverkleidung im Fußraum aufhebelt.

Die beiden Beamten gehören zu den Schleierfahndern der bayerischen Grenzpolizei, und bis gleich der Innenminister zu seiner Pressekonferenz kommt, machen sie hier an der früheren Autobahntankstelle an der A 8 bei Piding einfach mal ihre Arbeit. Als Joachim Herrmann eintrifft, haben der Van-Fahrer und das Paar im Mercedes längst ihre Papiere zurück. Keine Beanstandung, so wie in den allermeisten anderen Fällen auch. Der Minister zeigt sich trotzdem zufrieden - und ein bisschen auch gerade deswegen.

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Denn die Polizisten, die an Bayerns Grenzen zu Österreich und Tschechien illegale Migration verhindern und grenzüberschreitende Kriminalität bekämpfen sollen, haben seit 1. August eine zusätzliche Aufgabe. Sie sollen die Einreisenden stichprobenartig auf die drei Gs kontrollieren, also prüfen, ob die Menschen nachweislich gegen Corona geimpft, genesen oder wenigstens negativ getestet sind. 6625 Personen hätten bayerische Polizisten in den ersten zehn Tagen an den Landesgrenzen kontrolliert, sagt Herrmann, und dazu kämen mehr als 39 000 Kontrollen an den beiden Flughäfen Nürnberg und Memmingen. Und bei all diesen Kontrollen seien nur 68 Verstöße gegen die Corona-Einreiseverordnung festgestellt worden, eine Quote von 0,15 Prozent.

Die Menschen seien gut informiert, verantwortungsvoll und verständnisvoll, heißt es von Herrmann. Die Zahlen der Bundespolizei, die der Präsident der Bundespolizeidirektion München vorträgt, sind höher, aber das Verhältnis ist ähnlich: Laut Karl-Heinz Blümel haben die Bundespolizisten an Bayerns Grenze zu Österreich seit 1. August rund 33 500 Menschen kontrolliert, zu Tschechien etwa 7000 und am Münchner Flughafen gut 150 000. Dabei hätten sie 781 Verstöße gegen die Nachweispflicht aufgedeckt, eine Quote von 0,4 Prozent - die meisten davon hier an der Grenze zu Österreich.

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Dass die Quoten so niedrig sind, liegt auch daran, dass die Fluggesellschaften schon seit einer Weile niemanden mehr ohne entsprechenden Nachweis in den Flieger lassen dürfen. Gewisse Gesellschaften habe man daran noch einmal eindringlich erinnern müssen, sagt Herrmann. Doch auch die Menschen, die auf dem Landweg einreisen, sind beim Infektionsschutz äußerst diszipliniert. Ganz egal, wie groß oder klein der Übergang sei und zu welcher Tageszeit die Kontrolle stattfinde: Es habe nie mehr als ein Prozent Beanstandungen gegeben, sagt Herrmann. Diese Quote erfüllt für den Kontrollpunkt in Piding am Mittwochmittag eine vierköpfige Familie. Die Kinder sind noch unter zwölf, doch die Eltern bräuchten einen Nachweis über eines der drei Gs. Die Polizisten werden sie ihrem heimischen Gesundheitsamt melden, alles Weitere ist dann dessen Sache.

Was die Zusammenarbeit und die Absprachen zwischen der vor drei Jahren neu gegründeten bayerischen Grenzpolizei und der Bundespolizei betrifft, so sind Herrmann, Blümel und die seit Anfang dieses Jahres amtierende Grenzpolizei-Direktorin Annette Lauer voll des Lobes. Als im Frühjahr wegen der dortigen Corona-Lage spezielle Kontrollen an den Grenzen zu Tirol und Tschechien angeordnet wurden, hat die Bundespolizei laut Blümel schnell 28 von 43 zu besetzenden Übergängen übernommen, die bayerische Polizei 15 - mit dem Ergebnis, dass man eben keinen dieser 43 Übergänge habe schließen müssen, wie Blümel betont.

Die generelle Aufgabenteilung an den Grenzen ist trotz anfangs weit größerer Ambitionen der bayerischen Staatsregierung längst klar: Die Bundespolizei kontrolliert verfassungsgemäß direkt an der Grenze, Bayerns Beamte verlegen sich auf die Flughäfen Nürnberg und Memmingen sowie auf die Schleierfahndung im Hinterland. Für diese Schleierfahndung warten Herrmann und Lauer auch abseits von Corona am Mittwoch in Piding mit einer "Erfolgsbilanz" für das erste Halbjahr auf.

An Grenzverkehr herrscht kein Mangel

So sei im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 die Zahl der festgestellten ausländerrechtlichen Delikte von 1682 auf 1766 gestiegen, die ermittelten unerlaubten Einreisen von 539 auf 712 und die aufgedeckten Schleusungen von 36 auf 91. Ferner hätten die Beamten der Grenzpolizei von Januar bis Juni 274 mit Haftbefehl gesuchte Menschen aus dem Verkehr gezogen und seien insgesamt 7237 Mal auf Menschen, Autos oder Dinge gestoßen, nach denen gefahndet wurde, das seien 438 Treffer mehr als im ersten Halbjahr 2020. Dieses erste Halbjahr 2020, so schränkt Herrmann die Aussagekraft des Vergleichs gleich selber ein, sei allerdings von einer Phase des vollständigen Corona-Lockdowns mit sehr viel weniger Grenzverkehr geprägt gewesen.

An Grenzverkehr herrscht am Mittwoch in Piding kein Mangel. Die Rückreisewelle in die nördlicheren Bundesländer rollt, und die Schleierfahnder in ihren durchwegs recht gediegen lackierten Limousinen lassen ein Auto nach dem anderen auf den Kontrollpunkt der Grenzpolizei folgen. Als zur Hochphase der Flüchtlingskrise im September 2015 wieder feste Grenzkontrollpunkte an den drei wichtigsten Autobahnübergängen eingerichtet wurden, kontrollierte hier noch die Bundespolizei, die inzwischen keine zweieinhalb Kilometer weiter am Walserberg Posten bezogen hat und für ihre Rund-um-die-Uhr-Kontrollen seit dem vergangenen Jahr auch keine Verstärkung von der bayerischen Polizei mehr braucht. Am Walserberg mischen sich am Mittwoch auch die Schleierfahnder in den Verkehr. All die anderen Orte, an denen die Limousinen sonst oft stehen, wirken an diesem Tag schon fast auffällig leer.

© SZ vom 12.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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