Vor Gericht:AfD verliert Klage gegen bayerischen Landtag

Lesezeit: 2 Min.

Der bayerische Landtag. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Fraktion wollte die Mitgliedschaft des Landtags in einem Toleranzbündnis aufkündigen - dieses ist gegen Rechtsextremismus gerichtet.

Von Johann Osel

Der Landtag darf auch weiterhin als gesamtes Organ Mitglied im "Bündnis für Toleranz" bleiben, das sich gegen Rechtsextremismus einsetzt. Der Verfassungsgerichtshof in München hat am Mittwoch einen Antrag der AfD-Fraktion abgewiesen, demzufolge die Mitgliedschaft gegen das staatliche Neutralitätsgebot verstoße und mit dem freien Mandat unvereinbar sei. Für diese Mitgliedschaft gebe es keine Rechtsgrundlage, argumentierte die AfD, "Gesinnungspolitik darf nicht über die Verfassung gestellt werden".

Die Antragsgegnerin, der Landtag mit Präsidentin Ilse Aigner (CSU), hielt den Antrag für unzulässig und unbegründet. Das sahen auch die Richter so. Unabhängig von formalen Mängeln des Ansinnens der AfD fehle es an einer schlüssigen Darlegung der möglichen Gefährdung von verfassungsmäßigen Rechten. Insbesondere sei es nicht ersichtlich, wie ausgerechnet die Unterstützung einer Vereinigung, die sich für die Grundwerte der Verfassung, Demokratieprinzip und Menschenwürde stark mache, das freie Mandat verletzt werden könnte.

Das Bündnis für Toleranz wurde 2005 auf Initiative der christlichen Kirchen gegründet, ihm gehören heute gut 80 Organisationen, Verbände und Institutionen an; darunter neben dem Landtag mehrere bayerische Ministerien, die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, Landkreis-, Städte- und Gemeindetag sowie zahlreiche Sozialverbände oder Berufsvertretungen. Das Bündnis setzt sich gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus ein. Außer Veranstaltungen, zuletzt etwa einer Online-Reihe über Hass im Netz, geht es hauptsächlich um die "Selbstverpflichtung, solches Gedankengut in der eigenen Organisation nicht zuzulassen".

Aigners Vorgängerin im Amt, Barbara Stamm (CSU), habe den Landtag 2009 "unzulässig als Mitglied angemeldet", behauptete die AfD. Neben den Grundsatzfragen sahen die Verfassungsrichter auch darin nun eine Komponente für ihre Entscheidung: Die Rechte der AfD-Fraktion könnten schon deshalb nicht verletzt sein, weil diese damals noch nicht im Parlament vertreten und damit von der damaligen Maßnahme nicht betroffen gewesen sei.

Doch eben Tenor der Entscheidung: Die vom Bündnis für Toleranz bekämpften Haltungen verstießen gegen das Prinzip der Menschenwürde, den obersten Grundwert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die Mitgliedschaft im Bündnis könne so als "Einsatz der Mittel der wehrhaften Demokratie" verstanden werden. Dieses Ziel in der Öffentlichkeitsarbeit des Landtags zu fördern, sei kein Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht.

Am Verfassungsgerichtshof war in mündlicher Verhandlung am Mittwoch eine weitere Klage der AfD-Fraktion angesetzt. Eine Entscheidung steht noch aus. Dabei geht es um das Parlamentarische Kontrollgremium, das den Verfassungsschutz überwacht. Derzeit hat es sechs statt der üblichen sieben Mitglieder, da alle bisherigen Kandidaten der AfD bei der Wahl im Plenum keine Mehrheit gefunden haben (wie beim Vizepräsidenten des Landtags). In der "Meinungsverschiedenheit", so der rechtliche Begriff für die Klage gegen den Landtag und alle anderen Fraktionen, will die AfD den Sitz erkämpfen. Die Nichtwahl "ohne einzelfallspezifische sachliche Gründe" gelte als rechtswidrige Auslegung des Gesetzes; zudem sei das Gremium unvollständig gar nicht beschlussfähig. Und die AfD solle wohl, heißt es oft, die "politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes" nicht mitbekommen.

In einer gemeinsamen Erklärung betonten CSU, Freie Wähler, Grüne, SPD und FDP, dass für das Gremium den Fraktionen lediglich ein Vorschlagsrecht zustehe: Es sei keine Entsendung. Thomas Gehring (Grüne), Vizepräsident des Landtags, sagte: "Kein Mitglied des Landtags kann dazu verpflichtet werden, einen Kandidaten zu wählen, dem es nicht vertraut und den es für fachlich oder menschlich ungeeignet hält." Eine Partei, "die selbst kurz davorsteht, vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft zu werden, ist für uns als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium schwer vorstellbar", ergänzte Tobias Reiß, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU: "Alle bisherigen Kandidaten waren für mich jedenfalls unwählbar."

FW-Fraktionsvize Kerstin Radler unterstrich die "besondere Stellung" des Gremiums, dafür brauche es "Integrität". Der SPD-Rechtspolitiker Horst Arnold verwies auf die Erfahrungen mit der AfD im Landtag - diese seien "beste verfassungsrechtliche Gründe für die Mehrheit der Abgeordneten, in diesem hochsensiblen wichtigen Bereich nicht den Bock zum Gärtner zu wählen". Alexander Muthmann von der FDP merkte an, die fehlende Unterstützung für alle Bewerber der AfD sollte für diese Fraktion kein Grund zum Klagen sein - sondern eher "einer zum Nachdenken".

© SZ.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: