Unter Bayern :Widerspenstig wie ein Elfmeter

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Das Straßenschild im oberbayrischen Penzberg weist auf Karl Wald hin, den Erfinder des Elfmeterschießens. (Foto: dpa)

Der Elfmeter ist eine bayerische Erfindung, eine aus Penzberg, um genau zu sein. Und so entspricht diese Art der Entscheidung auch recht gut der bayerischen Seele.

Glosse von Hans Kratzer

Vor exakt acht Jahren hat der ruhmreiche FC Bayern München das Finale der Champions League verloren, dummerweise durch ein Elfmeterschießen. Im Kreise der Fußballnarrischen wurde die Niederlage beklagt wie ein Weltuntergang, und die Fans beschworen die gute alte Zeit herauf, in der solche Spiele durch den Wurf einer Münze entschieden wurden. Der Brauch des Elfmeterschießens ist keineswegs der Weisheit der unbestechlichen Fußballverbände zu verdanken. Es war der Friseur Karl Wald aus Penzberg, der diese Regel vor 50 Jahren erfunden hat. Da er selber als Schiedsrichter amtierte, missfiel es Wald, dass wichtige Partien durch Los oder Münzwurf entschieden wurden. "Das ist glatter Blödsinn", schimpfte er, und viele stimmten ihm zu. Später tönten zwar noch andere Ehrenmänner, sie hätten das Elfmeterschießen erfunden, aber am Ruhme Walds konnte keiner kratzen.

Das Penzberger Museum ehrt seinen 2011 gestorbenen Heimatsohn nun mit einer Ausstellung. Zur Wahrheit gehört auch, dass Walds Idee nicht nur gelobt wurde. "Das ist, als würde ein Krieg nicht mit einem geistigen Kräftemessen am Konferenztisch beendet, sondern mit einem russischen Roulette zwischen ausgewählten Gefreiten beider Seiten", klagte der Schauspieler Peter Ustinov.

In Bayern bringt man dem Elfmeter dennoch Wertschätzung entgegen, denn ihm wohnt das Widerspenstige inne, das hier eine lange Tradition hat. Da der Strafstoß das alte Prinzip "Ober schlägt Unter" außer Kraft setzt, kann auch der Unter, also der Torwart, obsiegen, wenn er den Schützen so geschickt austrickst wie es der Brandner mit dem Boandlkramer tat. Ein Elfmeterschütze sollte freilich über eine feinere Motorik verfügen als jene Kickerschar, die auf dem Felde ähnlich grobschlächtig herumsäbelt wie der Verteidiger Vinnie Jones, der in Wales "The Axe" (die Axt) genannt wurde. Am liebsten hat er kleinen Buben erklärt, wie man foult, ohne dass es der Schiedsrichter merkt. Dass Corona den Fußball eingebremst hat, war also kein Schaden, was sogar ein Sportsfreund auf der Facebook-Fanseite von Karl Wald trefflich bestätigte: "Alle Spiele abgesagt, nirgendwo Fußball, hab mich gerade mit meiner Frau unterhalten, sie scheint ganz nett zu sein."

© SZ vom 23.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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