Oberster Rechnungshof:Privatkliniken im Freistaat haben zu Unrecht Corona-Hilfen bezogen

Lesezeit: 3 min

Der Bayerische Oberste Rechnungshof prangert in seinen jährlichen Berichten staatliche Verschwendung und Misswirtschaft an. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Pandemie ist Schwerpunkt im neuen Bericht von Bayerns Rechnungsprüfern.

Von Christian Sebald, München

Privatkliniken in Bayern haben während der Corona-Pandemie vielfach zu Unrecht sogenannte Vorhaltepauschalen der Staatsregierung bezogen. Das kritisiert der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) in seinem aktuellen Bericht. Es geht um einen Betrag von mehr als zwölf Millionen Euro. Die Pandemie und der dadurch sehr strapazierte Staatshaushalt sind wieder ein Schwerpunkt des Berichts. Der Bericht erscheint an diesem Dienstag, am Montag wurde er dem Landtag zugestellt.

Der ORH fordert die Staatsregierung zu strikter Ausgabendisziplin auf. Wegen ihrer Anti-Corona-Maßnahmen könne der Schuldenstand des Freistaats bis Ende 2023 sonst "im ungünstigsten Fall" auf 44,6 Milliarden Euro anschwellen - was rekordverdächtig wäre. Den bisherigen Kurs von Finanzminister Albert Füracker (CSU) beurteilt der ORH "positiv". Allerdings stellt er in Sachen Energiekrise den bayerischen Härtefallfonds in Frage: Es müsse sorgfältig geprüft werden, ob der Freistaat neben den Bundeshilfen überhaupt noch selbst eigene Maßnahmen treffen und finanzieren dürfe.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Bayern hat als einziges Bundesland in der Corona-Pandemie auch Privatkliniken eine Vorhaltepauschale für das Freihalten von Patientenbetten und Behandlungskapazitäten gewährt. Sie belief sich auf 280 Euro je Bett und Tag. Laut ORH kassierte dabei eine Reihe Privatkliniken unzulässige Doppel- oder sogar Dreifachzuwendungen des Bundes und des Freistaats. Außerdem meldeten viele Kurzarbeit an und bezogen gleichzeitig die Vorhaltepauschale.

Ein besonders krasser Fall betrifft eine Privatklinik, die 60 Prozent ihres Personals in Kurzarbeit schickte, dafür 147 000 Euro Kurzarbeitergeld erhielt und gleichzeitig 1,35 Millionen Euro Vorhaltepauschale bekam. Das aber geht nicht, sagt der ORH. Denn die Vorhaltepauschale wurde dafür bezahlt, dass die jeweiligen Betten und Behandlungskapazitäten bereitstehen. Wenn ein Großteil des Klinikpersonals in Kurzarbeit ist, ist das aber nicht möglich. Der ORH verlangt, dass der Freistaat das zu Unrecht bezahlte Geld zurückfordert.

Zehn Mountainbikes für 42 000 Euro

Gleichzeitig moniert der ORH eine krasse Verschwendung im Umweltministerium. Das Haus von Minister Thorsten Glauber (FW) gab 2020 in Zusammenhang mit einer Fahrrad-Aktion mehr als 100000 Euro für die Anschaffung von 50 Fahrrädern aus - darunter zehn Mountainbikes für fast 42 000 Euro und drei E-Lastenräder für 14 000 Euro. Völlig "unangemessen", urteilt der ORH, zumal die Fahrräder - wenn überhaupt - überwiegend privat von Ministeriumsmitarbeitern oder sogar überhaupt nicht genutzt werden. Außerdem kritisiert der ORH, dass ein Ministeriumsmitarbeiter, der speziell dafür da ist, Werbeaktionen für das Fahrradfahren zu organisieren, einen beträchtlichen Teil seiner Arbeitszeit damit verbringt, Kollegen zu beraten.

Scharfe Kritik übt der ORH auch an den Bayerischen Staatsforsten (BaySF). Das Staatsunternehmen, das die Staatswälder in Bayern bewirtschaftet und dem Agrarministerium untersteht, sei 2021 unter anderem wegen Management-Fehlern knapp an der Zahlungsunfähigkeit vorbeigeschrammt. Hintergrund der Unternehmenskrise waren die Borkenkäfer-Plage in Bayern und in ihrer Folge die massiven Einbrüche bei den Holzpreisen.

Der Vorwurf des ORH: Das BaySF-Management habe beides falsch eingeschätzt und noch 2018 einen hohen Millionenbetrag an den Staatshaushalt abgeführt, statt ihn den Liquiditätsreserven zuzuschlagen. Außerdem habe man viel Geld in Projekte gesteckt, die nicht zum Kerngeschäft der BaySF gehören, in eine bewirtschaftete Berghütte bei Garmisch-Partenkirchen etwa. Die Pleite konnte letztlich nur durch einen hohen Überbrückungskredit und andere Notmaßnahmen verhindert werden, heißt es in dem Bericht.

Mit den Landratsämtern geht der ORH ebenfalls hart ins Gericht. Der Vorwurf: Sie enthalten dem Freistaat Einnahmen in Millionenhöhe vor. Dabei geht es um die Zwangsgelder, welche die Kreisbehörden verhängen können, wenn sich jemand hartnäckig gegen ihre Anordnungen verweigert. Die Einnahmen der 71 Landratsämter im Freistaat haben sich allein zwischen 2015 und 2019 auf ungefähr 2,8 Millionen Euro im Jahr verdoppelt.

Bei einer Kontrolle des ORH hat sich nun herausgestellt, dass neun von 28 Landratsämter ihre Einnahmen aus den Zwangsgeldern entweder gar nicht oder nur zum Teil an den Freistaat abgeführt haben - obwohl sie dem zustehen. 2012 bis 2021 ergab sich ein Fehlbetrag von 1,4 Millionen Euro. Die tatsächliche Summe, der dem Freistaat entgangen ist, dürfte aber deutlich höher sein. Die Schlamperei bei der Abrechnung sei so groß, dass bis zu der Prüfung des ORH keiner so genau wusste, wie viel Zwangsgeld in dem jeweiligen Landratsamt eingenommen wurde.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPolitik
:"Es ist nicht die Aufgabe des Wahlrechts, die CSU möglichst optimal abzusichern"

Die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl droht für Söders Partei zur Existenzfrage zu werden, der CSU-Chef nennt sie verfassungswidrig. Staatsrechtsprofessor Christoph Schönberger sieht das anders.

Interview von Andreas Glas

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: