Mitten in Bayern:Das Möbelhaus als Hort der Sorglosigkeit

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So müssen sich Kirchen einst angefühlt haben: Das Möbelhaus ist ein Ort, an dem es keine Sorgen gibt. (Foto: Claus Schunk)

Wer an einem verkaufsoffenen Sonntag ins Einrichtungshaus geht, findet - außer einer neuen Kommode - Ruhe und Geborgenheit. Eine Beobachtung.

Glosse von Patrick Wehner

Der Mann mit der goldenen Glocke in der Hand hat eine Mitteilung zu machen. Er steht im Erdgeschoss eines stattlichen Möbelhauses im Alpenvorland, um ihn herum Ginflaschen und Mischgetränke. Er beginnt energisch zu läuten und ruft: "Die Bar ist nun eröffnet! Die Bar ist nun eröffnet!" Es ist Mittag am verkaufsoffenen Sonntag, das Möbelhaus hat seit einer Stunde geöffnet. Sein genauer Standort und Name spielen für diesen Text keine Rolle, schließlich haben an diesem Sonntag gleich mehrere Möbelhäuser in Oberbayern geöffnet. Und wenn man ehrlich ist, sind die Unterschiede zwischen ihnen sowieso oft eher gering. Im Sortiment ebenso wie auf der Metaebene.

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Denn während sich diese komplizierte Welt da draußen jeden Tag ändert, ist das Möbelhaus, egal wie es nun heißt, ein Anker. Eine in Beton gegossene Auszeit mit Premium-Plus-Kundenkarte und Panoramarestaurant. Eine vertraute Institution des Konsums, die sich im Laufe der Jahrzehnte zwar immer neu an den Zeitgeist anpasst, aber sich erstaunlicherweise trotzdem nur wenig verändert. So wurde "Eiche Rustikal", früher gerne mal verspottet als Inbegriff deutscher Kleinbürgerlichkeit, jetzt in das weltläufigere "Eiche rustico" umgetauft. Die roten Orient-Teppich-Haufen hingegen sind immer noch da - und riechen ähnlich sonderbar wie vor 20 Jahren. Rätselhaft bleibt nur, wer sie eigentlich kauft. Und wirklich immer - so auch an diesem Sonntag - sitzen nach jeder Möbelhaus-Kurve schweigende Pärchen an den Tischen der Verkäufer, die diesen versichern, dass man beim Kauf dieser oder jener Küche "sicher nix falsch machen kann".

Keine Push-Nachricht aus der Welt da draußen kann diese spezielle Ordnung und Ruhe stören. Innerhalb der dicken, fensterlosen Mauern des Möbel-Tempels gibt es kaum irdischen Empfang. Man ist abgeschottet. Man ist sicher. Man ist frei von den Nöten da draußen. So müssen sich Kirchen einst angefühlt haben. Das Möbelhaus ist ein Ort, an dem einem die Sorgen genommen werden. Nicht nur von dem Mann mit der goldenen Glocke. Auch wenn dieser sicherlich dabei hilft, in diesen Zustand zu transzendieren.

Doch wer das Phänomen Möbelhaus wirklich spüren möchte, der muss hinauffahren, in den Möbelhaus-Himmel: das Panoramarestaurant. Hier, zwischen halbleeren Weißbiergläsern und Tellern mit ausgezuzelten Weißwurst-Häuten, den Blick über Acker und Autobahn schweifend, wartet sie, die Erkenntnis: Dass man am Ende des Tages doch wieder wird hinausgehen müssen in diese Welt da draußen. Mit einer Kommode, Typ "Eiche rustico" , im Kofferraum.

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