Landtagswahl in Bayern:Große Freude bei den Freien Wählern

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Hubert Aiwanger (Mitte) am Wahlabend bei der Veröffentlichung der ersten Prognosen. (Foto: Christof Stache/AFP)

Hubert Aiwanger und seine Partei holen nach dem vorläufigen Endergebnis 15,8 Prozent und gewinnen damit deutlich hinzu. "Das ist ein Super-Ergebnis", sagt der Parteichef.

Von Christian Sebald

Bis zuletzt 15 Prozent in den Wahlumfragen, dazu die Erfahrung, in den zurückliegenden Landtagswahlen immer ein bis zwei Prozentpunkte besser abgeschnitten zu haben als zuvor prognostiziert, und vor allem die feste Zusage von CSU-Chef Markus Söder, die schwarz-orange Koalition fortzusetzen: Die Freien Wähler sind sehr entspannt in die Landtagswahl am Sonntag gegangen. So entspannt, dass Parteichef, Wirtschaftsminister und Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger beim Wahlkampfabschluss der Freien Wähler schon den Blick auf die Bundestagswahl 2025 richtete. Es sei "dringend nötig", dass seine Partei in den Bundestag einziehe, verkündete Aiwanger da. Die Freien Wähler wollten nicht länger zusehen, wie Deutschland deindustrialisiert werde, Bauernhöfe aufgearbeitet und Krankenhäuser geschlossen würden.

Als dann die Freien Wähler am Sonntag laut vorläufigem Endergebnis 15,8 Prozent erringen und zweitstärkste Kraft im Landtag werden, herrscht im Maximilianeum in München eine riesige Freude. Die gesamte Führungsriege der Partei hat sich dort versammelt, allen voran der Landtagsfraktionschef Florian Streibl und die beiden Minister Thorsten Glauber (Umwelt) und Michael Piazolo (Kultus). Die 15,8 Prozent sind nicht nur fast ein Prozent mehr als in den Umfragen prognostiziert. Sondern ein sattes Plus von 4,2 Prozentpunkten gegenüber der Landtagswahl 2018, als die Freien Wähler 11,6 Prozent und 27 Abgeordnetensitze holten. Bleibt es dabei, werden sie künftig 37 Abgeordnete stellen. Hinzukommt, dass Parteichef Aiwanger und Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert in ihren Stimmkreisen Landshut und Neuburg-Schrobenhausen jeweils das Direktmandat erringen - die ersten bei einer Landtagswahl für die Freien Wähler. Aiwanger spricht denn auch schnell von einem Super-Abschluss. "Wir haben von einem sehr guten Ergebnis ausgehend nochmal zugelegt", sagt er im BR. "Wir haben zu gewissem Teil auch verhindert, dass noch mehr Wähler nach rechts gehen."

Aiwanger, 52 und studierter Landwirt aus dem niederbayerischen Rottenburg an der Laaber, hat mittags seine Stimme in seinem Heimatort Inkofen abgegeben. Dort sagte er: "Wir sind Ideengeber und Akzentsetzer in dieser Koalition. Ich bin überzeugt, dass der Wähler das honorieren wird." Zugleich lässt er erkennen, dass er Wirtschaftsminister bleiben will. Außerdem macht sich der Freie-Wähler-Chef Hoffnungen auf ein viertes Ministerium für seine Partei. "Natürlich hätten wir das gern, jetzt schauen wir mal, ob die Zahlen das hergeben", sagt er im ZDF. Am Nachmittag war er früh in den Landtag gekommen, hielt sich aber bis 18 Uhr mit Mitarbeitern im Hintergrund auf. Jetzt lässt er seinen Gefühlen freien Lauf. "Das ist ein deutlicher Zuwachs", sagt Aiwanger, der in den zurückliegenden Wochen wegen eines antisemitischen Hetzflugblatts aus seiner Schulzeit heftig umstritten war.

Unter Aiwangers Gefolgsleuten ist die Freude ebenfalls groß. "Wir können sehr zufrieden sein", sagt Kultusminister Piazolo. "Das ist das beste Wahlergebnis, das wir je hatten." Und Fraktionsgeschäftsführer Fabian Mehring erklärt: "Unser starkes Ergebnis zeigt, dass die CSU von Anbeginn an nicht an uns vorbeiregieren konnte." Auch Fraktionschef Streibl spricht von "einer sehr guten Leistung". Die Freien Wähler hätten in den letzten 15 Jahren einen "einzigartigen Erfolgsweg" hinter sich. "Erst den Sprung in den Landtag, dann zehn Jahre harte Oppositionsarbeit und in den letzten fünf Jahren erfolgreich an der Regierung beteiligt", sagt er, "und jetzt unser bestes Wahlergebnis bisher." Noch vor einem Jahr "hätte keiner von uns ein so hervorragendes Abschneiden erwartet". Zugleich dankt Streibl der "ganzen Mannschaft - von der Basis, über die Fraktion und die Kabinettsmitglieder bis zu unserem Parteichef Aiwanger, der gearbeitet hat für diesen Erfolg, wie kein Zweiter". Umweltminister Glauber dankt ebenfalls der Basis für den "überaus erfolgreichen Wahlkampf" und freut sich schon sehr auf die neue Legislatur "mit der abermals gestärkten Fraktion".

Es gibt Beobachter, die den Erfolg vor allem auf die Affäre um das antisemitische Hetzflugblatt aus Aiwangers Schülerzeit vor 35 Jahren zurückführen, das die Süddeutsche Zeitung Ende August öffentlich gemacht hat. Sie habe der Partei letztlich mehr genützt als geschadet, kann man dieser Tage öfter hören. Denn die Affäre habe in der Bevölkerung eine Welle der Solidarisierung mit dem Vizeministerpräsidenten ausgelöst. Das habe man an den Wahlumfragen bald nach der Veröffentlichung des Pamphlets ablesen können. Aus Sicht führender FW-Leute ist das allenfalls die halbe Wahrheit. Kultusminister Piazolo und Fraktionschef Streibl verweisen auf Umfragen mit bis zu 14 Prozent für die Partei schon im Juli - also deutlich vor der Flugblatt-Affäre. Ihrer Überzeugung nach ist der Erfolg in aller erster Linie der Lohn für die erfolgreiche Arbeit der Fraktion und der Kabinettsmitglieder. "Sie haben einen ordentlichen Job gemacht, vom ersten bis zum letzten Tag der Legislaturperiode", so oder so ähnlich heißt es an diesem Abend immer wieder in dem Saal, in dem die Freien Wähler feiern.

Schmerzen bereitet der Parteispitze allerdings der starke Simmenzuwachs eben für die AfD. "Die AfD-Fraktion hat in den letzten fünf Jahren keinen einzigen brauchbaren politischen Vorschlag in den Landtag eingebracht. Sie ist einzig dadurch aufgefallen, dass sie sich komplett zerstritten und gegen die anderen Parteien nur polemisiert hat", sagt Streibl. "Deshalb ist ihr Erfolg so bitter."

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