Finanzen:"Es braucht mehr Geld daheim"

Lesezeit: 3 min

Zum dritten Mal seit Ende der 90er-Jahre will die Staatsregierung vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um die aus ihrer Sicht unverhältnismäßige Umverteilung von Steuergeld einzubremsen. (Foto: Uli Deck/dpa)

Rund zehn Milliarden Euro trat Bayern 2022 an andere Bundesländer ab. Nun klagt der Freistaat gegen den Länderfinanzausgleich.

Von Katja Auer

Immer wieder hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gedroht, nun macht er ernst: Angesichts immer neuer Rekord-Einzahlungen wird Bayern gegen den Länderfinanzausgleich klagen. Das hat das Kabinett drei Monate vor der Landtagswahl am Dienstag in München beschlossen, wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Mittag mitteilte. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause soll die Klage in Karlsruhe eingereicht werden.

"Es braucht mehr Geld daheim", sagte er. Bayerisches Geld sei in Bayern besser aufgehoben als in Bremen oder Berlin. Er empfinde das System als zutiefst ungerecht, sagte Söder. "Wir haben mittlerweile 100 Milliarden bezahlt und drei Milliarden bekommen." Vom hohen Beitrag, den Bayern bezahle, leisteten sich andere Bundesländer "Dinge, die wir uns nicht leisten können".

Bayern trage 53 Prozent der Gesamtlast des Finanzausgleichs, sagte Söder. Die Schere sei massiv auseinandergegangen, immer weniger Länder zahlten immer mehr Geld an den Großteil der Bundesländer. Bayern fordert Obergrenzen für Empfänger und eine Änderung der Stadtstaaten-Regelung. Denn das führe dazu, dass Bremen nach dem Ausgleich pro Kopf besser dastehe als Bayern.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

"Wir sind und bleiben solidarisch, aber nicht naiv", wiederholte Söder. Den Satz hatte er schon mehrmals im Zusammenhang mit dem Länderfinanzausgleich gesagt.

"Die Ungerechtigkeiten im aktuellen Ausgleichssystem springen förmlich ins Auge", ergänzte Finanzminister Albert Füracker (CSU). Bayern hätte gerne weiterverhandelt, sagte er, aber das Ergebnis sei erwartbar, wenn wenige Länder viele Länder finanzierten. Es sei nun an der Zeit, die Strukturen überprüfen zu lassen.

Söder und die Staatsregierung hatten die Verfassungsklage gegen das Ausgleichssystem, das heute offiziell Finanzkraftausgleich der Länder heißt, schon länger angekündigt. Die Opposition wirft der CSU und den Freien Wählern reines "Wahlkampfgetöse" vor. "Wir wollen den Länderfinanzausgleich reformieren und die bayerischen Steuerzahler entlasten", schrieb Söder schon am Morgen auf Twitter. Mittlerweile zahle Bayern pro Jahr fast zehn Milliarden Euro an andere Bundesländer. "Diese Dimensionen wird der Freistaat nicht länger akzeptieren, deswegen klagen wir dagegen - so kann es nicht weitergehen!"

Die aktuell elf Empfängerländer sowie Rheinland-Pfalz, das erst neu zum Geberland wurde, kritisierten Bayerns Klage. Niedersachsens Finanzministerium teilte mit, man nehme den Beschluss mit großem Bedauern zur Kenntnis. Denn erst mit dem Finanzausgleich würden die Voraussetzungen geschaffen, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und öffentlicher Leistungen bundesweit zu wahren.

Im Rahmen des Finanzausgleichs zwischen den 16 Bundesländern wurden im vergangenen Jahr rund 18,5 Milliarden Euro umverteilt. Mit Einzahlungen von fast 9,9 Milliarden Euro trug Bayern erneut die mit Abstand größte Last - der Freistaat kam alleine für mehr als die Hälfte des umverteilten Geldes auf. Baden-Württemberg zahlte der Abrechnung des Bundesfinanzministeriums zufolge knapp 4,5 Milliarden Euro, aus Hessen flossen 3,25 Milliarden Euro. Rund 814 Millionen Euro steuerte Hamburg bei, etwa 107 Millionen Euro Rheinland-Pfalz. Elf Länder profitierten hingegen von Zahlungen aus dem Ausgleich. Berlin war mit rund 3,6 Milliarden Euro der größte Empfänger.

Bayern hatte - zusammen mit Hessen - im Jahr 2013 schon einmal gegen den damaligen Länderfinanzausgleich geklagt. Auch damals wurde die Klage in Sichtweite der Bayern-Wahl beschlossen. Die beiden Länder zogen ihre Klage nach einer Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern aber dann 2017 zurück. Das System heißt heute Finanzkraftausgleich. Es dient dem im Grundgesetz verankerten Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland. Anders als damals steht Bayern mit seiner Klage diesmal allein - obwohl auch Söders Amtskollegen aus Baden-Württemberg und Hessen das aktuelle Ausgleichssystem für dringend reformbedürftig halten. Auch die bayerischen Grünen räumten zuletzt Reformbedarf ein - sehen die Klage aber als "Signal der Ideenlosigkeit" und "Wahlkampfgetöse".

Söder rechtfertigte die Klage - ansonsten würde sich gar nichts bewegen. Er verwies aber auch auf ein "Kündigungsrecht" im Jahr 2030, das vereinbart worden sei. Das würde aus heutiger Sicht "auf jeden Fall passieren", auch von Seiten Hessens und Baden-Württembergs. Niedersachsens Finanzminister Gerald Heere (Grüne) sagte: "Wir haben es ganz offensichtlich mit einem bayerischen Wahlkampfmanöver zu tun." Umso wichtiger sei es, dass die Mehrheit der Länder solidarisch zusammenstehe und am bestehenden Ausgleichssystem festhalte.

© SZ/DPA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusInterview
:Ist der Länderfinanzausgleich ungerecht?

Fast zehn Milliarden Euro trat Bayern 2022 an andere Bundesländer ab. Nun will Ministerpräsident Söder klagen. Ist das unsolidarisch oder wird Bayern tatsächlich geschröpft? Ein Gespräch mit dem Finanzwissenschaftler Thiess Büttner.

Interview von Thomas Balbierer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: