Coronavirus:Verwirrung nach Klarsichtmasken-Verbot in Bayern

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Der wohl bekannteste Hersteller "Smile by Ego" muss mehr als die Hälfte seiner Angestellten kündigen, Nutzer wundern sich über Empfehlungen - und das Ministerium weiß von nichts.

Von Maximilian Gerl, Großweil

Die Bescherung haben sie sich bei Smile by Ego anders vorgestellt. Von etwa 100 Angestellten musste Firmenchef Dominik Junold 65 entlassen. Zwischenmenschlich sei das in der Weihnachtszeit so ziemlich "das Asozialste", sagt er am Telefon, aber die Aufträge seien "auf Null" zurückgegangen. Die verbliebenen Mitarbeiter beantworteten Kundenfragen und wickelten Käufe rück. Denn Junolds Produkt ist seit Kurzem verboten: Klarsichtmasken dürfen in Bayern nicht länger in der Öffentlichkeit getragen werden. Dabei habe man sich stets an die Vorgaben gehalten, beteuert Junold.

Die Verwirrung ist groß, nicht nur in Großweil (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) beim wohl bekanntesten Hersteller von Klarsichtmasken. Diese hatten in Bayern als Alternative zu Community-Masken gegolten, auch Mund-Nasen-Bedeckungen genannt. Sie sollen im Alltag den Ausstoß von möglicherweise virushaltigen Aerosolen reduzieren und damit die Ansteckungsgefahr. Doch am 10. Dezember vollführte das bayerische Gesundheitsministerium eine Kehrtwende: Seitdem sind nur noch eng anliegende textile Masken erlaubt. Was wiederum Jubel und Ärger gleichermaßen auslöste. In den sozialen Netzwerken freuten sich die einen, dass unsichere Masken endlich aus dem Verkehr gezogen würden. Andere beklagten, einer Alternative zur Stoffmaske beraubt zu werden. Unter anderem Kindergärtnerinnen und Gehörlose hatten sich über die transparenten Masken gefreut, blieb doch die Mimik des Gegenübers erkennbar.

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Bayern sah lange keine Einwände. Die Klarsichtmasken waren auch an Schulen zulässig

Das Ganze ist sogar für verwirrende Corona-Zeiten verwirrend. Schon zuvor waren Klarsichtmasken umstritten. Kritikern galten sie als Gesichtsvisiere: Weil sie nicht eng anlägen, hielten sie Aerosole nur ungenügend zurück und seien daher keine gleichwertigen Mund-Nasen-Bedeckungen. Dem schlossen sich die Gesundheitsbehörden vieler Bundesländer an. Bayern hatte lange keine Einwände. So hieß es im Rahmenhygieneplan der Schulen, dass Klarsichtmasken auch dann zulässig sein könnten, wenn sie einen Spalt zum Atmen freiließen. Die Folge: Was in einem Ort, an einer Schule erlaubt war, konnte im nächsten verboten sein. Und eine Prüfnorm gibt es für Mund-Nasen-Bedeckungen nicht. Anders als etwa FFP2-Masken sind sie nicht klar definiert.

Zumindest das Regelungschaos könnte nun einheitlicher werden. Den Ausschlag für die Änderung gaben unter anderem Untersuchungen der Hochschule München. In Tests hatte eine Versuchsperson ihre Aerosole schnell im Raum verbreitet, trotz Klarsichtmaske. Sie biete damit keinen wirksamen Schutz vor Infektionen, heißt es in einer Mitteilung der Hochschule. Der Name der getesteten Maske wurde nicht genannt; Fotos legen aber nahe, dass es sich um eine von Smile by Ego handelte. Die Firma hatte in der Packungsbeilage ihrer Masken darauf hingewiesen, dass diese weder eine filternde Wirkung habe noch vor fremden Aerosolen schütze.

Die Verwirrung komplettiert ein Schreiben des Gesundheitsministeriums an den Hotel- und Gaststättenverband aus dem Sommer: Aus infektionshygienischer Sicht sei es möglich, die Smile by Ego-Maske "als Ersatz zur Community-Maske zu verwenden". Zur Prüfung zog man offenbar nur Material heran, dass das Unternehmen selbst erstellt hatte. Die SPD-Fraktion im Landtag wittert deshalb Lobbyismus; sie forderte am Donnerstag Aufklärung von Ministerin Melanie Huml (CSU). Demnach habe ein Gehörlosenverband von der Staatsregierung die Antwort erhalten, die Masken bedenkenlos verwenden zu können. Sie habe so trotz "deutlicher Warnhinweise" Menschen in Gefahr gebracht. Das Gesundheitsministerium teilt mit, dass das Landesamt für Gesundheit den Auftrag gehabt habe, Produkte in Hinblick auf die damalige Infektionsschutzmaßnahmenverordnung einzuordnen. Empfehlungen für einzelne Produkte würden grundsätzlich nicht ausgesprochen.

Bestehen bleibt das Problem, wie eng oder weit der Begriff der Mund-Nasen-Bedeckung auszulegen ist. Exakte Vorgaben fehlen weiter. In Großweil klingt Junold auch deshalb gefrustet. Den Vorwurf der Einflussnahme weist er zurück. Den Betrieb ganz einstellen wolle man nicht, sagt er. Stattdessen werde man nach Wegen suchen, wie sich bereits ausgelieferte Masken den neuen Vorgaben gemäß umrüsten ließen.

© SZ vom 18.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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