Mund-Nasen-Bedeckung:Hergestellt in Bayern: Schützen Klarsicht-Masken?

Klarsichtmaske der Firma Smile-by-Ego

Die Klarsichtmasken werden in Großweil händisch verarbeitet: Hier fädelt eine Mitarbeiterin gerade Kordeln ein.

(Foto: Maximilian Gerl)

Um die 100 000 Klarsichtmasken verschickt die Firma Smile by Ego wöchentlich. Ob sie tatsächlich eine Alternative zur genähten Mund-Nasen-Bedeckung sind, ist nicht eindeutig geklärt.

Von Maximilian Gerl, Großweil

Gleich kommt die Spätschicht. Chef Dominik Junold ist sofort zu entdecken. Vielleicht liegt es am dichten Bart, vielleicht an der Maske, die ihn größtenteils bedeckt und die Aufmerksamkeit erst recht aufs Gesicht lenkt: Sie ist durchsichtig. Mit einer Handbewegung heißt Junold auf 8000 Quadratmetern Maskenproduktion willkommen. "Als wir hier eingezogen sind, dachten wir, so viel Platz brauchen wir nie", sagt er. "Jetzt wird es schon wieder zu klein." Und das alles nur wegen diesem Ding, das Junold da im Gesicht hat.

Vor einem halben Jahr bastelten Junold und sein Kompagnon Christian Bär noch allein an der ersten Fuhre durchsichtiger Community-Masken. Inzwischen arbeiten rund 100 Menschen für ihre Firma Smile by Ego. Rund 100 000 Stück verschicken sie nach eigenen Angaben wöchentlich von Großweil (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) nach ganz Deutschland. Für so etwas haben Werbefachleute den überstrapazierten Begriff "Erfolgsgeschichte" erfunden - wenn sich denn die Kunden sicher sein könnten, dass sie diese Maske nicht nur kaufen, sondern auch tragen dürfen.

Mund-Nasen-Bedeckung: Dominik Junold und Christian Bär kommen aus der Hotellerie, nun machen sie mit Smile by Ego Klarsichtmasken.

Dominik Junold und Christian Bär kommen aus der Hotellerie, nun machen sie mit Smile by Ego Klarsichtmasken.

(Foto: Maximilian Gerl)

Von außen kündet nichts am Gebäude von einem Masken-Hotspot. Ein Firmenschild verrät, dass es hier Türen und Parkett gibt. Eine Holztreppe führt aus der Ausstellung hinaus ins Obergeschoss, in dem sich Smile by Ego eingemietet hat. Das Ambiente schwankt zwischen Start-up-Spirit, Provisorium und Werkkurs. An der Wand stapeln sich Kartons. Zulieferer fertigen die Kunststoffmasken maschinell vor, der Rest erfolgt händisch. An langen Tischen stanzen Mitarbeiter mit Lochern Öffnungen in die Klarsichtmasken, in die Kollegen Kordeln einfädeln. Dritte kleben Etiketten mit Gebrauchshinweisen auf. In einer Ecke gruppieren sich die Computer von Marketing und Verwaltung. An ihnen lässt sich das Wachstum der Firma besonders gut illustrieren: "Immer, wenn wir einen Schreibtisch dazustellen, kommt jemand und setzt sich hin", sagt Junold.

Eigentlich betreiben Junold und Bär in Murnau eine Beratungsagentur für Hoteliers. Bär führt außerdem den Alpenhof in Murnau - wenn man das so sagen kann in Zeiten, in denen der Betrieb von Hotels pandemiebedingt weitgehend eingestellt werden musste. Mit Masken hatten sie vor der Corona-Krise wenig zu tun, wie die meisten Menschen in Bayern. Dann kam der Lockdown im Frühjahr und die Suche nach Modellen, die sich für den Hotelbetrieb eignen könnten. Als ein Ingenieur auf die beiden zukam und meinte, er hätte da was, winkten sie erst ab, so erzählt es Junold heute. Aber der Erfinder sagte, seine Maske sei anders: durchsichtig. Von da an wurde die Sache interessant.

Längst gibt es mehrere Hersteller von Klarsichtmasken. Die sehen meist nach fast nichts aus, was gewissermaßen Sinn der Sache ist. Die Smile-by-Ego-Maske sitzt am Nasenrücken an und öffnet sich Richtung Kinn, das PET-Schild ist gewölbt. Laut Packungsbeilage hat sie weder eine filternde Wirkung noch schützt sie vor fremden Aerosolen, Gasen oder Dämpfen. Für Krankenhäuser kommt sie folglich nicht in Betracht. Sie wird als Community-Maske beworben, wie sie oft in den öffentlichen Verkehrsmitteln getragen wird oder in der Schule, wenn dort eine Maskenpflicht gilt. Mit dem Unterschied: Man sieht die Mimik. Das kommt zum Beispiel Kindergärtnern, Lehrerinnen oder Servicekräften im Restaurant entgegen.

Wer Vertreter dieser Gruppen um ihre Meinung zu Klarsichtmasken bittet, hört entsprechend häufig Begeisterung. Vorausgesetzt, sie dürfen sie tragen. Es gibt keine DIN-Norm, die Community-Masken definieren könnte. Das Spektrum reicht vom Schal bis zum selbst genähten Stofffetzen: Hauptsache, die Mund-Nasen-Bedeckung - so der Fachausdruck - hält die eigene Spucke zumindest etwas zurück. Denn wo weniger möglicherweise virushaltige Aerosole fliegen, sinkt das Risiko einer Infektion. Ausgenommen sind in der Regel Plastikvisiere, sogenannte Faceshilds. Sie könnten nur die direkt auf den Kunststoff auftreffenden Tröpfchen auffangen, heißt es beim Robert Koch-Institut.

An dieser Stelle wird das vermeintlich einfache Produkt kompliziert. Den einen genügt die Smile-by-Ego-Maske den Vorgaben des Infektionsschutzes, den anderen nicht. Das bayerische Gesundheitsministerium etwa nennt in einem Schreiben keine Einwände, man könne sie "als Ersatz zur Community-Maske" verwenden. Der Einschätzung folgt unter anderem das Landratsamt Weilheim-Schongau, weshalb in den Schulen des Landkreises eine Smile-by-Ego-Maske getragen werden darf. Das gilt auch für den Landkreis Dachau, trotzdem haben örtliche Ärztevertreter wiederholt davon abgeraten: Weil die Maske unten offen sei, könnten Aerosole nach hinten und zur Seite entweichen. Just aus Murnau ist sogar der Fall einer Dame überliefert, die mit einer Smile-by-Ego-Maske ein Museum nicht betreten durfte. Das Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfalens stuft sie eher als Faceshild und damit nicht als gleichwertige Alternative ein. An Kölner Schulen ist sie darum verboten. In Schleswig-Holstein dagegen wäre das Tragen weniger problematisch - dort kommen "durchsichtige Schutzvorrichtungen aus Kunststoff" generell in Betracht.

Maske also oder keine Maske? Das ist in Großweil die Frage. Die Chefs wirken einigermaßen verzweifelt, wenn sie zur Sprache kommt. Für sie ist die Antwort natürlich klar. "Wir dachten, wir tun mit unserer Idee etwas Gutes", sagt Bär, der inzwischen hinzugekommen ist. Stattdessen schlügen sie sich mit gegensätzlichen Behördenaussagen herum. Immerhin etwas einheitlicher könnte es künftig innerhalb Bayerns werden. Der neue Rahmenhygieneplan der Schulen erlaubt explizit Mund-Nasen-Bedeckungen aus Klarsichtmaterial, die nicht hundertprozentig "umlaufend und bündig an der Haut anliegen". Ein Spalt zwischen Haut und Maske wie bei der Smile-by-Ego-Maske könnte demnach in Ordnung gehen. Wobei, was heißt das schon: Der Rahmenhygieneplan hat nur "empfehlenden Charakter".

Sicherheitshalber richten sie sich in Großweil darauf ein, dass ihre Mund-Nasen-Bedeckung mancherorts länger keine sein könnte. Außerdem werde das Thema die Gesellschaft noch länger begleiten, sagt Bär. "Wir werden mit der Maske leben müssen." Junold scherzt: "Im Zweifel wird sie ein guter Halloween-Artikel." Er holt einen Prototypen des geplanten, vielleicht ja regelkonformeren Nachfolgemodells und zieht ihn über Mund und Nase. Beide sieht man nicht mehr: Der Prototyp stammt aus dem 3-D-Drucker, das Material ist einheitsgrau. Was man sieht, ist, dass sie rund um Junolds Bart enger anzuliegen scheint. Die Ränder würden wahrscheinlich halbtransparent, "wie Milchglas", sagt er. Ein herausnehmbarer Einsatz aus Baumwolle solle Aerosole auffangen. Die Mitte aber werde wieder durchsichtig. "Oftmals", sagt Junold, "entstehen die besten Ideen ja aus Widrigkeiten."

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