Kriminalfall:Kinderleiche aus der Donau ist nicht vermisster Bub aus England

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Links das rekonstruierte Bild des in der Donau gefundenen Jungen, rechts das Bild des seit 1991 vermissten Ben Needham. (Foto: AFP/Family of Ben Needham via SOUTH YORKSHIRE POLICE, dpa)

Seit eineinhalb Jahren suchen die Ermittler nach der Identität des Jungen, der tot in der Donau gefunden wurde. Eine Mutter aus England sah Ähnlichkeiten zu ihrem seit 1991 vermissten Kind. Eine DNA-Probe zeigt nun: Es ist nicht der gleiche Junge.

Von Lisa Schnell, Ingolstadt

Im Jahr 1991 verschwand der kleine Ben Needham im Alter von 21 Monaten im Urlaub in Griechenland. Im Jahr 2022 treibt eine Kinderleiche in der Donau. Und Bens Mutter, Kerry Needham aus England, will wissen: Ist das ihr Junge?

Im Fall um den Jungen, der 2022 in Plastikfolie gewickelt und mit einem Pflasterstein beschwert in der Donau gefunden wurde, war es der erste Hinweis, der an die Öffentlichkeit drang. Nun ist klar: Der Junge aus der Donau hieß nicht Ben Needham. Zu diesem Ergebnis kam eine DNA-Probe, wie ein Sprecher der Polizei der SZ mitteilte.

Der Hinweis von Kerry Needham hatte erst in England und dann in Deutschland für Aufregung gesorgt. Er konnte nicht zur Aufklärung beitragen, erzählt aber von der verzweifelten Suche einer Mutter nach ihrem Sohn.

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Seit 32 Jahren geht Kerry Needham, 51, jeder Spur nach, die eine Erklärung liefern könnte, warum ihr Sohn 1991 auf der griechischen Insel Kos einfach verschwand. Ihr Unterstützerkreis machte sie auf die internationale Fahndung von Interpol nach dem Jungen in der Donau aufmerksam und Needham entdeckte Ähnlichkeiten zwischen der Rekonstruktion, die von der Leiche gemacht wurde, und ihrem Sohn Ben. So sagte sie es britischen Boulevardzeitungen. Allerdings, das erzählte sie auch, sehe sie die in vielen kleinen Jungen.

Sie sprach auch von einer möglichen Verbindung nach Deutschland. Schon in Griechenland habe ein Fremder Bens Großvater gesagt: "Ihr Enkel wurde entführt, um verkauft zu werden. Er ist blond und blauäugig." Die Mutter erinnert sich zudem an einen Häftling, der 1996 erzählte, er habe Ben bei einer "Zigeunerfamilie" in Griechenland gesehen, die auch auf sein Kind aufgepasst habe. Der Häftling meldete sich auf eine Sendung hin, die Familien zusammenführt und an der Bens Großeltern teilnahmen. Er erzählte laut britischen Zeitungsberichten, Ben wäre bei einem seiner Verwandten in Deutschland. Es soll sogar einen Termin für die Übergabe des Kindes gegeben haben, zu der allerdings niemand auftauchte.

Schon bevor die DNA-Probe Sicherheit brachte, waren da viele Zweifel, dass es sich bei Ben Needham und dem Jungen aus der Donau wirklich um das selbe Kind handelt. Zwischen drei und sieben Jahre soll der gefundene Junge laut der Polizei Oberbayern Nord alt sein. Ben Needham hätte also spätestens 1996 gestorben sein müssen, die Leiche hätte über Jahre konserviert werden müssen, um dann in die Donau eingelassen zu werden. "Jeder Wahnsinn ist möglich", sagte Andreas Aichele von der Polizei Oberbayern Nord zu dieser Theorie, nur war diese eben auch schon vor der DNA-Probe sehr unwahrscheinlich. Auch, weil etwa der Pflasterstein, mit dem die Leiche beschwert wurde, aus einer aktuellen Produktion stammt und nicht schon vor Jahren hergestellt wurde.

Hier ist ein Kind durchs Raster gefallen

Nun stehen die Ermittler in Ingolstadt also wieder vor Hunderten Spuren, denen sie nachgehen müssen. Es ist die Polizeiarbeit, die beim "Tatort" im Fernsehen eher nicht gezeigt wird und die Aichele so beschreibt: "akribisches, stures, genaues, penibles Abarbeiten von Spuren in alle Richtungen."

Da ist etwa die Frage nach der Herkunft. Interpol gibt an, der Junge stamme ziemlich sicher nicht aus Deutschland. Andreas Aichele formuliert das etwas vorsichtiger. Er sagt: "Er ist wohl nicht in klassischen, deutschen Verhältnissen aufgewachsen." Soll heißen: Hier ist ein Kind durchs Raster gefallen. Der Junge ist ziemlich sicher nicht in einen Kindergarten gegangen und nicht zu U-Untersuchungen beim Kinderarzt. Aber etwa ein in Deutschland lebendes Flüchtlingskind, das nicht registriert ist? Möglich. So wie vieles möglich ist. Es gibt da etwa ein Isotopen-Gutachten, das Rückschlüsse zulässt auf die Umwelteinflüsse, denen der Junge ausgesetzt war, nur: "Auch in Berlin kann ein Asiate sich so ernähren wie in Vietnam", sagt Aichele.

Über die Fahndung von Interpol sind 33 Hinweise eingegangen, nicht alle davon scheinen brauchbar zu sein. Aichele spricht von einer mittleren zweistelligen Summe, die ernst zu nehmen ist. Die eine heiße Spur aber hätten sie gerade nicht. Seit eineinhalb Jahren steht der Fall dennoch ganz oben bei ihnen auf der Liste. Und da werde er auch stehen bleiben, "solange bis wir wirklich zu 100 Prozent wissen, die Spur ist tot".

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