Hat man früher beim Metzger einen Aufschnitt bestellt, dann reichte einem die Verkäuferin "um ein Fünferl ein Durcheinander". Als am Dienstag das neue Schuljahr begann, gab es ebenfalls ein Durcheinander, aber eher ein gefühliges. Junge Mamas beklagten im Radio unter Schnappatmung, sie hätten kaum geschlafen und seien noch nervöser als ihre Erstklässler. Auch Lehrerinnen seufzten, in den Schulen herrsche eine "mega Aufregung".
Bis vor einigen Jahrzehnten hatten Eltern auf dem Land gar keine Zeit, sich wegen der Schule aufzuregen oder gar Befindlichkeiten zu pflegen. Höchstens, dass sie einen Blick auf das Jahreszeugnis warfen und sich freuten, weil die Kinder jetzt Ferien hatten und als Arbeitskräfte zur Verfügung standen.
Newsletter abonnieren:Mei Bayern-Newsletter
Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.
Sorgen bereitete allerdings die Sprachfähigkeit. Irgendwie war durchgedrungen, dass man in der Schule anders reden sollte als daheim auf dem Dorf. "Geij Bou, dassd fei schee schmatzt!" Jene mütterliche Mahnung, die der Autor Josef Fendl literarisch verewigt hat, wurde quasi zum Vademecum für Zehntausende Kinder.
In den 70er-Jahren hatten Soziologen und Vertreter ähnlich gespenstischer Wissenschaften allen Dorfkindern eine schlimme Zukunft prophezeit. Deren Dialekt sei ein Bildungshindernis, hieß es. Warum es Mundart sprechende Literaten und Parlamentsredner wie Oskar Maria Graf, Lena Christ, Lion Feuchtwanger, Georg Eisenberger und Sepp Daxenberger zu großer sprachlicher Meisterschaft gebracht haben, das hinterfragte keiner.
Stattdessen provozierten die akademischen Gscheithaferl ein bildungspolitisches Desaster. Viele Eltern, Erzieherinnen und Lehrer verbreiten den Unsinn der Theoretiker heute noch und ignorieren, dass Kinder umso schlauer werden, je mehr Sprachvarianten sie beherrschen.
In München endete soeben die 15. Bayerisch-Österreichische Dialektologentagung, bei der auch der staatlich forcierte Untergang süddeutscher Sprachvarietäten erörtert wurde. Trotzdem herrschte dort eine Unaufgeregtheit, die es leicht machte, zum Wesenskern von Sprache und Sein vorzudringen und das Publikum ganz gelassen mit Mysterien wie der Konsonantenlenierung in Appellativen sowie der Genuskongruenz von Zahlwörtern in den Bann zu ziehen. Ein kleiner Lichtblick in dieser wahnsinnig aufgeregten Welt.