Coronavirus:"Sonst wird uns das Geschehen regelrecht überrollen"

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Nach der Ankündigung von Schulschließungen und anderen Einschränkungen ist es in Bayern vermehrt zu Hamsterkäufen gekommen. (Foto: dpa)

Bars und Schwimmbäder geschlossen, Gastronomie und Einzelhandel stark eingeschränkt: Bayern plant drastische Maßnahmen. Ein Überblick über das Geschehen am Sonntag.

Von Katja Auer, Florian Fuchs, Dominik Hutter, Lisa Schnell, München

Wegen der Ausbreitung des Coronavirus steht in Bayern die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens bevor. Wie am Sonntag aus Regierungskreisen verlautete, sollen Bars und Schwimmbäder geschlossen werden. Außerdem plant die Staatsregierung starke Einschränkungen für Gastronomie und Geschäfte. Supermärkte und Banken sollen von der Regelung ausgenommen werden, ebenso Apotheken und Tankstellen. Die Grundversorgung bleibe aufrecht erhalten, wurde betont.

Zudem soll es ein Milliarden-Hilfsprogramm für die bayerische Wirtschaft geben. Und es werde ein großes "Medizin-Paket" geben, um die Kapazitäten auszubauen. Dies könnte die Bettenzahl, das Personal oder zusätzliche Kapazitäten für Coronavirus-Tests betreffen.

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Der Krisenstab der Staatsregierung tagte am Sonntagnachmittag, unter der Leitung von Ministerpräsident Markus Söder. An der Sitzung nahmen demnach auch Innenminister Joachim Herrmann, Staatskanzleichef Florian Herrmann, Gesundheitsministerin Melanie Huml, Finanzminister Albert Füracker, Wissenschaftsminister Bernd Sibler (alle CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) teil. Details sollten am Montag verkündet werden.

Die Maßnahmen kommen nicht überraschend, zumal es zuletzt viele Menschen irritierte, wie unterschiedlich manche Dinge gehandhabt wurden. So schloss etwa die Therme Erding ihre Pforten wegen des Coronovirus - andere Bäder blieben geöffnet. Zudem haben schon einige Nachbarländer auf Notbetrieb umgestellt. Österreich hat Restaurants, Geschäfte, Spiel- und Sportplätze geschlossen, Skigebiete und Hotels sind dicht.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bestätigte am Sonntag, dass auch über restriktive Maßnahme nachgedacht werde. Momentan säßen die Leute noch entspannt im Biergarten - vielleicht etwas zu entspannt. Tatsächlich lockte das sonnige Wetter am Sonntag viele Menschen nach draußen. Es sei jedoch nicht zu vermitteln, wenn in München Gaststätten geschlossen würden, aber anderswo in Bayern nicht. Deswegen gebe es enge Absprachen mit der Staatsregierung.

Auch Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl kündigte schon am Wochenende an, dass Clubs, Cafés und Restaurants geschlossen oder zumindest nur eingeschränkt geöffnet haben werden. "Das wird das Szenario der nächsten Woche sein und ab diesem Zeitpunkt für längere Zeit, bis wir die Krise überstanden haben." Gribl sagte dies auf Nachfrage eines Nutzers in einer Wahlkampfdiskussion der Augsburger CSU, die wegen der Ansteckungsgefahr nur ins Internet übertragen wurde. Er sei sich sicher, dass eine solche Verfügung eintreten werde. "Es ist auch logisch, wenn Klassen geschlossen werden, weil Übertragungsrisiken bestehen", sagte er. Dann gelte dies erst recht für größere Menschenansammlungen, die wie in Cafés oder Restaurants unkoordiniert zusammen kämen.

Der Fraktionschef der Freien Wähler, Florian Streibl, sprach sich am Sonntag ebenfalls für schärfere Maßnahmen aus: "Auch wir in Bayern müssen jetzt radikal handeln, sonst wird uns das Geschehen regelrecht überrollen." Die ganze Welt schalte in den Krisenmodus - es gelte, die Ausbreitung des Virus so zu verlangsamen, dass die Gesundheitssysteme der Länder nicht überfordert werden. Streibl verwies auf den Appell des ehemaligen italienischen Premierministers Matteo Renzi, der Deutschland geraten hatte, bei der Bekämpfung der Pandemie nicht "dieselben Fehler wie Italien" zu machen. "Diesem Rat unserer italienischen Freunde sollten wir folgen und keine Zeit verschwenden, wenn sich mögliche härtere Maßnahmen - wie die in mehreren europäischen Ländern verhängten Ausgangssperren - damit später vermeiden lassen", sagte Streibl.

Gesundheitsministerin Melanie Huml rief dazu auf, private Kontakte so weit wie möglich einzuschränken. Außerdem sollte auf Reisen jeglicher Art verzichtet werden. "Alle Veranstaltungen, die nicht zwingend nötig sind, sollten abgesagt oder verschoben werden", sagte sie. Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen sind bereits verboten, für kleinere ist die Absage empfohlen. Verschiedene Kommunen haben bereits Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern untersagt. Die Besuchsregelungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen wurden ebenfalls stark eingeschränkt, Ausnahmen gibt es für den Besuch bei kranken Kinder oder bei Sterbenden. Alle Schulen und Bildungseinrichtungen sind von Montag an bis zum Beginn der Osterferien am 6. April geschlossen.

Unterdessen sind am Sonntag kurz nacheinander ein zweiter und ein dritter Todesfall in Zusammenhang mit dem Coronavirus offiziell bestätigt worden. Dies teilte das Gesundheitsministerium in München mit. "Bei einem Todesfall handelt es sich nach Angaben des Landratsamtes Neu-Ulm um einen über 80-jährigen Patienten mit Vorerkrankungen", sagte ein Ministeriumssprecher. Der Mann sei in der Nacht zum Sonntag gestorben.

Zuvor hatte die Arbeiterwohlfahrt Schwaben mitgeteilt, dass in einem ihrer Seniorenheime in Kempten eine 86-Jährige nachweislich nach der Infektion mit dem Coronavirus starb. Die Frau war am Freitag mit Atemnot in das Kemptener Klinikum eingewiesen worden. Bis zum Donnerstag habe sich nach Auskunft der Pflegenden keine Erkrankungssymptome gezeigt. Damit sind in Bayern inzwischen nachweislich drei Menschen an Covid-19 gestorben. Am Donnerstag war ein Über-80-Jähriger im Klinikum Würzburg der Krankheit erlegen. Bundesweit sind bisher zehn Menschen an der Krankheit gestorben.

Die Zahl der bestätigten Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus nimmt in Bayern rasch zu. Am Sonntag (Stand 12 Uhr) meldete das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) 886 Fälle, in denen Menschen im Freistaat positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden. Das sind 205 Fälle mehr, als es am Vortag waren. Mit 471 gibt es die meisten registrierten Infektionen in Oberbayern. In die 886 Fälle eingerechnet sind die ersten 14 Infizierten, die allesamt mit dem Autozulieferer Webasto aus Gauting-Stockdorf in der Nähe Münchens in Zusammenhang standen, als auskuriert gelten und wieder aus den Krankenhäusern entlassen wurden. Mit eingerechnet sind zudem drei Bayern, die außerhalb des Freistaats positiv getestet wurden.

© SZ vom 16.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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