Mordprozess:Tödliche Schüsse vor der Spielhalle

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Der Angeklagte (von hinten) wurde wegen Mordes und Mordversuchs vom Landgericht Traustein zu lebenslanger Haft verurteilt. (Foto: Matthias Köpf)

Das Landgericht Traunstein verhandelt gegen einen 60-Jährigen, der in Burghausen einen jungen Mann erschossen haben soll. Ein zweites Opfer haben die Kugeln verfehlt.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Nein, diese tonlosen Aufnahmen von insgesamt sechs Überwachungskameras in und vor dem Spielsalon in einem Gewerbegebiet in der Burghauser Neustadt wollen die Eltern lieber nicht sehen. Nicht die Vorgeschichte, den Wortwechsel zwischen der jungen Angestellten und dem deutlich älteren Mann unten in dem Kellerlokal. Nicht, wie dieser erregte Mann dann an jenem Abend im vergangenen Juli die Spielothek wieder verlässt. Und schon gar nicht die Tat selbst, nicht all das Blut, nachdem der Mann dann auf dem Treppenabsatz nach oben Richtung Parkplatz aus ungefähr einem Meter Entfernung ihren Sohn erschossen hatte, die Kugel ging durch Herz und Lunge.

Der Mann mit der Pistole, inzwischen ist er 60 Jahre alt, sitzt als Angeklagter im Landgericht Traunstein. Auch er will nicht auf den Monitor schauen, der da im Gerichtssaal steht, vom Publikum weggedreht und nur für die unmittelbaren Prozessbeteiligten einsehbar. Anders als die Angehörigen des Opfers muss der Angeklagte aber im Saal bleiben. Später wird er auch den Vater des Toten nicht anschauen, als der im Zeugenstand die Fragen stellt, die nun die Strafkammer klären muss: "Wie haben Sie das machen können? Warum haben Sie das gemacht? Der hat Ihnen nichts getan!"

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Laut Anklage hatte der 32-Jährige zusammen mit einem noch ein bisschen jüngeren Freund vor allem das Auto der jungen Spielsalon-Angestellten ausgeliehen, die mit ihren heute 29 Jahren nicht einmal halb so alt ist wie der Angeklagte, der damals seit ungefähr drei Jahren ihr Lebensgefährte war. Der soll ihren weißen Audi mit beiden jungen Männern darin am Abend in der Stadt gesehen haben - und dann gleich daheim die Pistole geholt plus 55 Schuss Munition, jeweils acht Patronen in den beiden Magazinen, eins in der Waffe gesteckt und eins noch zusätzlich in die umgeschnallte Bauchtasche.

Im Spielsalon soll er seine Lebensgefährtin zur Rede gestellt und dann auf der Treppe die beiden gerade ankommenden Männer getroffen haben. Ein Faustschlag, ein Schubser, ein Griff in die Bauchtasche und 13 Sekunden nach dem Schlag der erste Schuss. Der Freund des dabei getöteten 32-Jährigen rannte über die Treppe, den Parkplatz und die benachbarte Wiese um sein Leben, die weiteren Schüsse aus der Waffe haben ihn verfehlt. Stattdessen soll der Angeklagte das Magazin dann leer geschossen haben auf die Reifen des weißen Audi und schließlich in seinem eigenen Auto davongefahren sein.

Die Flucht führt ins benachbarte Österreich

Er hat es damit ins benachbarte Österreich geschafft, aber weit ist er trotzdem nicht gekommen. Österreichische Polizisten entdeckten seinen BMW noch in der Nacht auf einem Parkplatz an einem Aussichtspunkt über die Flüsse Inn und Salzach, eigentlich nicht direkt auf der vermuteten Fluchtroute Richtung Kosovo, von wo der Mann 1992 als Bauarbeiter nach Deutschland gekommen war. Polizisten suchten das Gelände vom Hubschrauber aus mit einer Wärmebildkamera ab, ein Polizeihund nahm am Auto die Fährte des ausgestiegenen Fahrers auf und schließlich zog ein Spezialkommando aus Salzburg den Angeklagten ohne Gegenwehr aus einer Art Erdhöhle im Steilufer nahe dem Aussichtspunkt. Die Waffe hatte er noch hinten im Hosenbund stecken.

Die Polizei auf beiden Seiten der Salzach verfügte praktisch sofort über ein Fahndungsfoto und die Autonummer des Fluchtfahrzeugs. Angesichts der Videoaufnahmen gibt es für den Angeklagten, der in Fußfesseln in den Saal geführt wird, nicht viel zu bestreiten. Sagen will er überhaupt nichts, selbst die Angaben zur Person kommen indirekt vom psychiatrischen Gutachter. Dem hat er gesagt, er habe die weiteren Schüsse nicht auf den Fliehenden abgefeuert, sondern nur in die Luft, um ihn zu verjagen. Außerdem tut sich im Gutachten und auch in der Anklage für den Verteidiger die Möglichkeit auf, für seinen Mandanten eine seelische Ausnahmesituation ins Feld zu führen, das vage Gefühl, irgendwie verfolgt und bedroht zu sein. Der Prozess dauert an, das Urteil wird für 15. Mai erwartet.

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