Bundesweite Notbremse:"Extra-Wurst" statt Notbremse

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Anders als im Bundesgesetz bleiben die meisten Klassenzimmer in Bayern bei einer Inzidenz über 100 leer. (Foto: dpa)

Die Corona-Regeln ändern sich mit dem Bundesgesetz kaum, der Freistaat bleibt bei seinem strengen Kurs. Doch in der CSU-Fraktion regt sich deutlicher Unmut.

Von Maximilian Gerl, Johann Osel und Christian Sebald, München

Die Corona-Notbremse des Bundes stiftet landauf landab viel Verwirrung. Dabei ändert sich für die Bevölkerung in Bayern kaum etwas. In der CSU-Fraktion im Landtag keimt unterdessen massiver Unmut über das Vorgehen der eigenen Regierung auf, von der bayerischen "Extra-Wurst" ist mit Blick auf die Bundesregeln die Rede; schließlich habe sich ja gerade der Freistaat für die einheitliche Linie stark gemacht.

Erst mit "Tamtam" Einheitlichkeit zu fordern und dann erst mal bei den eigenen Regeln zu bleiben, ergebe "keinen Sinn", hört man. Andere verwiesen aber darauf, dass das Bundesgesetz durchaus schärfere Maßnahmen in Ländern zulasse - und dass sich der vorsichtige Kurs gut bewährt habe.

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Im Großen und Ganzen bleibt nach den Entscheidungen in Berlin der Freistaat bei seiner bisherigen strengen Linie in der Pandemiebekämpfung. Eine wesentliche Neuerung: "Bisher musste der Einzelhandel bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von 200 auf Click and Collect umstellen", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministerium. "Nun muss er das bereits ab einem Wert von 150 tun." Alle anderen Regelungen hätten Bestand. Das gilt auch für die Ausgangssperre von 22 bis fünf Uhr.

Die Bayern profitieren nicht mal von der Bundesregel, nach den nun zwischen 22 und 24 Uhr nächtliche Spaziergänge möglich sind - das gilt in Bayern nicht. Auch an den bayerische Schulen bleibt es dabei, das ab einer Inzidenz von 100 Distanzunterricht stattfindet - ausgenommen sind Abschlussklassen sowie die elften Klassen der Gymnasien und der Fachoberschulen.

Im Einzelhandel gibt es heftige Klagen über den bayerischen Kurs. "Viele Händler wissen nun nicht mehr genau, was denn nun wann gilt", sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. "Da ist ein großes Missverständnis entstanden." So dürfen Blumenläden, Gärtnereien oder Buchhändler in Bayern weiterhin nicht unabhängig von der Inzidenz öffnen, obwohl das Bundesgesetz sie als Geschäfte des täglichen Bedarfs einordnet, die grundsätzlich öffnen können. Gerade für Blumenläden und Baumärkte seien die Einschränkungen mit Blick auf die Pflanzzeit fatal, schließlich böten auch sie "verderbliche Ware" an. Der Handelsverband drängt darauf, dass die Staatsregierung der Branche rasch Ausnahmen erlaubt. Eine Änderung gibt es auch für Friseurbesuche: Laut Friseurinnung müssen in Regionen mit einer Inzidenz über 100 künftig Kunden einen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 24 Stunden ist. Gleiches gilt für Fußpfleger. Unabhängig von der Inzidenz gilt weiter: Alle müssen FFP2-Masken tragen.

Unterdessen beklagten sich am Freitag eben CSU-Abgeordnete in internen Debatten. Nach Informationen der SZ soll es im Kollegenkreis zu verärgerten Wortmeldungen gekommen sein. Bayerische "Alleingänge", meinte einer, seien im Großen und Ganzen nicht mehr begründbar - oder "sogar kontraproduktiv". Auch hätten einzelne Elemente der strengeren Politik im Freistaat bis dato erkennbar wenig gebracht. Es seien jetzt "viele" Kollegen "richtig sauer", hieß es.

Einige Abgeordnete kamen auch auf die Stimmung in ihren Heimatkreisen zu sprechen ("Telefone laufen heiß"), nicht nur wegen Unklarheiten, sondern auch wegen Nachfragen von Eltern ("massiver Aufschrei") oder Betrieben wie Gärtnereien ("laufen Sturm"). Vorm Kabinett am Dienstag müsse "in der Fraktion über Anpassungen geredet werden", das sei dem Ministerpräsidenten dann zu überbringen. Sonst wäre es denkbar, warnt einer, dass mancher im Landtag nicht mehr dem Kurs zustimme.

© SZ vom 24.04.2021 / maxi, ojo, cws - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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