Verkehr:Naturschützer fordern Stopp von allen Straßenbau-Projekten in Bayern

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Die B12 zwischen Kempten und Buchloe soll autobahngleich ausgebaut werden. Umweltschützer werfen Bund und Freistaat vor, die klimaschädlichen Auswirkungen des Projekts schöngerechnet zu haben. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Der BN legt ein Gutachten vor, wonach die Klimabilanz geplanter Trassen in Bayern noch schlechter ist als gedacht. Der Verkehrsminister spricht von einem "Kulturkampf gegen das Auto".

Von Christian Sebald

Der autobahngleiche Ausbau der B 12 zwischen Kempten und Buchloe zählt zu den aktuell umstrittensten Straßenbauprojekten in Bayern. Der Bund Naturschutz (BN) spricht von einem "Anschlag auf das Allgäu" und hat Klage eingereicht. Als zentrale Gründe nannte BN-Chef Richard Mergner bisher den immensen Landschaftsverbrauch für den Ausbau der Trasse auf fast 50 Meter Breite und die Kosten von mindestens einer halben Milliarde Euro.

Jetzt hat der BN zusätzliche Munition gegen das Projekt. Nach einem Gutachten fällt die Klimabilanz für die neue B 12 und drei ähnliche Projekte in Bayern deutlich schlechter aus als bisher angenommen. "Die CO₂-Emissionen im und durch den Straßenbau sind systematisch schöngerechnet", sagt Mergner. Seine Forderung: "Die Staatsregierung muss alle Projekte stoppen und erst einmal ihre tatsächliche Klimabilanz ermitteln."

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Seit 2017 müssen bei der Planung von Bundes- und anderen Fernstraßen auch die Treibhausgas-Emissionen berücksichtigt werden, die durch die Projekte entstehen. Und zwar nicht nur die der Autos und Lastwagen, die einmal auf ihnen unterwegs sein werden. Sondern auch der CO₂-Fußabdruck des Betons, des Asphalts und der anderen Materialien für ihren Bau. Und natürlich auch die Emissionen, die durch die Eingriffe in Moore, Wälder, Ackerland und dergleichen entstehen.

Diese sogenannten Lebenszyklus-Emissionen werden von Bund und Freistaat systematisch zu niedrig angesetzt. Das sagt der Verkehrsforscher Ralf Hoppe. Er hat im Auftrag des BN die Lebenszyklus-Emissionen, die Bund und Freistaat für die neue B 12 und die drei ähnlichen Projekte angeben, auf ihre Plausibilität überprüft. Hoppes Ergebnis: Die Berechnungen seien samt und sonders voller Fehler.

Richard Mergner vom Bund Naturschutz fordert ein Moratorium für den Straßenbau in Bayern. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Beispiel verkehrsbedingte Emissionen: "Obwohl der Bund bei den Projekten zumindest teilweise eine Zunahme der Pkw- und Lkw-Zahlen prognostiziert, rechnet er mit einer Verringerung der CO₂-Emissionen durch sie", sagt Hoppe. Aus seiner Sicht sind weder die Berechnungen selbst, noch Verkehrsmodelle plausibel, auf denen sie fußen. Beispiel baubedingte Emissionen: Bund und Freistaat arbeiteten mit pauschalierten Ansätzen, die tatsächliche Planungen seien aber in aller Regel aufwendiger als die Abschätzungen. Bei einem der überprüften Projekte, der B 26 neu bei Würzburg, hätten sogar die baubedingten Emissionen der geplanten Brücken und eines dreistreifigen Bauabschnitts gefehlt. Für die Emissionen durch die Eingriffe in die Landschaft fällt Hoppes Fazit noch dramatischer aus: "Sie werden bisher überhaupt nicht berücksichtigt."

Verkehrsminister Bernreiter ist strikt gegen einen Baustopp

Das ist es aber nicht alleine. Auch die monetäre Bewertung der Klimakosten, zu der Bund und Land ebenfalls verpflichtet sind, fällt laut Hoppe systematisch zu niedrig aus. Die Planer rechneten durchwegs mit einem veralteten Betrag von 145 Euro je Tonne freigesetztem CO₂. Die tatsächlichen Kosten lägen aber laut aktueller Rechtsprechung bei 700 Euro je Tonne, also um den Faktor fünf höher. Für Mergner ein Grund mehr, das Moratorium einzufordern.

Bayerns Bau- und Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) verwahrt sich strikt gegen einen Baustopp. Ob die CO₂-Berechnung für Bundes- und andere Fernstraßen stimmten, müsse der Bund beurteilen, da er dafür zuständig sei. "Sämtliche bayerische Straßenbauprojekte auf Eis zu legen, kommt aber nicht in Frage", sagt er. Bernreiter nennt die Forderung "einen weiteren Versuch, den Kulturkampf gegen das Auto voranzutreiben". Gerade auf dem Land könnten "aber nicht alle Menschen mit dem Fahrrad oder dem Zug in die Arbeit fahren". Außerdem brauchten "auch Busse, Sammeltaxis und Elektroautos Straßen".

Der Verkehr ist der Klimasünder Nummer eins in Bayern. Sein Anteil am gesamten CO₂-Ausstoß im Freistaat liegt laut bayerischem Energieatlas bei 36 Prozent. Nach dem Klimaschutzgesetz des Bundes müssen die verkehrsbedingten Emissionen in Deutschland und damit auch in Bayern bis 2030 um 48 Prozent verringert werden.

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