Schmuggel über Aschaffenburg:"Das ist gute Ware"

Lesezeit: 3 min

Ein Zollbeamter präsentiert den bislang größten Kokainfund in Bayern. Am Donnerstag wurden zwei Beteiligte zu langen Haftstrafen verurteilt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Nach dem Rekordfund von über einer Tonne Kokain gibt es neue Details über die Drogen und die internationalen Ermittlungen. Das Koks im Wert von 109 Millionen Euro war offenbar von hoher Qualität.

Von Simone Kamhuber, München

1075 Kilogramm Kokain. Mehr als eine Tonne. Diese schwer vorstellbare Menge der Droge haben bayerische Zollfahnder sichergestellt und so ein riesiges Geschäft vereitelt. Geschätzter Wert der Schmuggelware: 109 Millionen Euro. Entsprechend euphorisch haben die Ermittler am Montag bei einer Pressekonferenz über Details des Fahndungserfolges berichtet. Jürgen Thiel, der Leiter der Rauschgiftschmuggelbekämpfung im Münchner Zollfahndungsamt, spricht von einem Rekord: der größten Einzelmenge an Kokain, die bislang in Bayern sichergestellt worden sei. Mehr als 1000 Kilogramm gab es noch nie. Er vergleicht die Ermittlungen mit einem Krimi.

Drei Tatverdächtige sitzen in Bayern in Untersuchungshaft, die Männer aus den Niederlanden sind 22, 26 und 45 Jahre alt. Sie wurden geschnappt, als sie die Drogen abholen wollten. Die Suche nach den Hintermännern läuft international weiter.

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Zwischen Medizinprodukten steckte Koks

Es war am Abend des 15. Juni, als die bayerischen Behörden einen Tipp von ausländischen Kollegen bekamen: Sie sollten mal am Container-Terminal in Aschaffenburg genauer hinschauen. Dort lagerte ein Frachtcontainer, der aus der Dominikanischen Republik über Hamburg nach Unterfranken gekommen war. Angeblich gefüllt mit Medizinprodukten für eine Firma in Hessen.

Die Ermittler rückten aus und fanden tatsächlich Medizinprodukte - und dazwischen Dutzende in Plastik verpackte Kokain-Pakete, das Stück zu je einem Kilogramm. Es ist ein Ermittlungserfolg, der die Dimension des Kokainhandels erahnen lässt. "Vor zehn Jahren noch war eine Tonne die Menge, die im gesamten Bundesgebiet pro Jahr sichergestellt wurde", sagt Griesmeier.

"Ich konnte die Emotionen in den Telefonaten spüren, als sie die Pakete sahen und es immer mehr wurden", beschreibt Thiel. Die Euphorie sei aber schnell in Planungen für verdeckte Ermittlungen umgeschlagen. Um die Mittelsmänner abzupassen, beobachteten die Einsatzkräfte den Transport des Containers von Aschaffenburg ins hessische Friedberg. Dort, auf dem Parkplatz der Firma, warteten die Ermittler rund um die Uhr, fünf Tage lang. Im Morgendämmern des 21. Juni machten sich drei Männer an dem Lieferwagen zu schaffen, mit einem Bolzenschneider schnitten sie den Container auf. Die Ermittler schlugen zu, alle drei mutmaßlichen Drogenschmuggler wurden festgenommen.

"Nach aktuellem Ermittlungsstand ist davon auszugehen, dass die Firma der Medizinprodukte nicht an dem Handel beteiligt war", sagt Jürgen Thiel.

Den Männern drohen bis zu 15 Jahre Haft

Die Verdächtigen sitzen wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft, in drei unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten in Aschaffenburg, Würzburg und Nürnberg, damit sie sich nicht absprechen können, wie die Leitende Oberstaatsanwältin Monika Schramm erklärte. "Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge", lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg. Bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe könnte den Verdächtigen drohen, der Strafrahmen gibt das her.

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"Berücksichtigt werden bei dem Verfahren zum Beispiel die enorme Menge des Kokains, ob die Tatverdächtigen ein Geständnis ablegen und der Wirkstoffgehalt der Drogen", sagt Schramm. Letzteres hat ein Labor wegen der Brisanz des Falles besonders schnell ermittelt: Der Wirkstoffgehalt liegt bei 85 bis 90 Prozent. "Das ist gute Ware", sagt Kriminaloberrat Griesmeier.

Ein Geständnis haben die Tatverdächtigen bisher nicht abgegeben. Nur einer von ihnen ist wegen unerlaubter Einfuhr von Rauschgift vorbestraft, allerdings nach dem Jugendstrafrecht und das ist bereits verjährt. Dass der Polizei damit nur die sogenannten kleinen Fische eines weltweiten Rauschgifthandels ins Netz gegangen sind, ist den Ermittelnden bewusst. "Bei Mengen von einer Tonne Kokain gibt es natürlich Drahtzieher im Hintergrund", sagt Rolf Wundrack als Vertreter des Zollfahndungsamtes. "Auf die richten sich die internationalen Ermittlungen im europäischen Ausland, in dem Fall in den Niederlanden." Genauere Angaben könnten dazu aus ermittlungstechnischen Gründen noch nicht gemacht werden. Ein besonders großes Team soll sich nun um die mutmaßlich langwierigen Ermittlungen kümmern.

Die Drogen werden irgendwann verbrannt

Der Handel von Kokain ist ein Geschäft, das sich in den letzten Jahren in eigenen Superlativen übertrifft. Nach Cannabis gilt Koks innerhalb der Europäischen Union als die am meisten konsumierte Droge. Laut einem Bericht der Europäischen Polizeibehörde (Europol) und der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) wurden 2020 mehr als 214 Tonnen Kokain in der EU sichergestellt. Erst 2021 wurde in Bayern mit 740 Kilogramm die nun zweitgrößte Menge innerhalb eines Ermittlungsverfahrens sichergestellt. Bayern sei mit seiner zentralen Lage schon für die Herointransporte aus dem Nahen und Mittleren Osten über die Balkanroute ein gängiger Drogenumschlagplatz gewesen. Auch für den Kokainhandel sei denkbar, dass Bayern als Transitzone passiert werde.

Hinten im Saal der Pressekonferenz ist ein Teil der beschlagnahmten Menge ausgestellt. Rechteckige Päckchen mit komprimiertem Koks, eingewickelt in schlichtes, graues Papier. Ein bewaffneter Zollbeamter bewacht die Ware. "Ich bin stolz auf die Zusammenarbeit zwischen GER Nordbayern, dem Zollfahndungsamt und der Polizei", sagt Wundrack. "Diese Päckchen", sagt er und zeigt auf die hintere Ecke des Raumes, "fliegen einem nicht einfach so zu." Und was passiert nun mit dem Kokain? Das wird am Ende einfach verbrannt.

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