In Bayern werden immer mehr jugendliche Mädchen mit Angststörungen im Krankenhaus behandelt. Die Zahl der betroffenen 15- bis 17-Jährigen stieg 2022 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 um 39 Prozent auf einen neuen Höchststand. Dies geht aus einer Sonderanalyse von Krankenhausdaten im Rahmen des Kinder- und Jugendreports der Krankenkasse DAK Bayern hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Demnach stiegen auch die Behandlungszahlen von Teenagerinnen bei Essstörungen und Depressionen deutlich. "Die massive Zunahme von Ängsten, Essstörungen und Depressionen bei Mädchen ist ein Hilfeschrei, der uns wachrütteln muss", betonte DAK- Landeschefin Sophie Schwab. "Die anhaltenden Krisen hinterlassen tiefe Spuren in den Seelen vieler junger Menschen, wobei die aktuellen Krankenhausdaten nur die Spitze des Eisbergs sind."
Nötig sei eine rasche und breite Präventionsoffensive in Schulen, Vereinen und Verbänden. "Wir befinden uns mitten in einer Mental-Health-Pandemie, deren Auswirkungen erst nach und nach sichtbar werden", kommentierte die Ergebnisse auch der Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Berliner Charité, Christoph Correll.
Für die Studie haben Wissenschaftler die Abrechnungsdaten von rund 106 000 bei der DAK Bayern versicherten Kindern und Jugendlichen aus den Jahren 2018 bis 2022 analysiert - und damit rund fünf Prozent aller 0- bis 17-Jährigen im Freistaat einbezogen. Wegen dieser breiten Mitgliederbasis der drittgrößten Krankenkasse Deutschlands gelten die Daten als repräsentativ. Hochgerechnet auf alle Jugendlichen in Bayern kamen demnach im vergangenen Jahr rund 950 Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren wegen einer Angststörung ins Krankenhaus, ein Plus von 39 Prozent im Vergleich zu 2019. Bei Essstörungen stiegen ihre Klinikaufenthalte um 49 Prozent an, bei Depressionen waren es 37 Prozent.
Bei männlichen Teenagern hingegen sind die Fallzahlen deutlich niedriger: Von hochgerechnet 1150 Jugendlichen, die zuletzt mit einer Angststörung stationär behandelt wurden, waren nur 200 männlich. Unter den 700 Jugendlichen mit einer Essstörung waren lediglich 50 Jungen, und von den 3400 Teenagern, die wegen Depressionen in der Klinik waren, waren 550 männlich. Bei Schulkindern zwischen 10 und 14 Jahren zeige sich ein ähnliches Bild, ergänzte die Kasse. Die Gründe: "Mädchen neigen eher zu internalisierenden psychischen Störungen als Jungen", erklärte Michael Hubmann vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Bayern.
Sie zögen sich eher mit Depressionen und Ängsten in sich zurück, während Jungen häufiger ein nach außen gerichtetes Verhalten zeigten, also etwa aggressiv werden. Verhaltens- und emotionale Störungen werden zudem häufiger ambulant behandelt, während Patienten mit Depressionen, Angst- und Essstörungen häufiger in Kliniken aufgenommen werden.
Dabei ging die Gesamtzahl der stationären Behandlungen von Kindern und Jugendlichen wegen psychischer Probleme oder Verhaltensstörungen während der Corona-Pandemie um elf Prozent zurück - mutmaßlich wegen der verknappten Kapazitäten bei Betten und Personal. "Vor diesem Hintergrund ist der Anstieg von Angststörungen, Essstörungen und Depressionen als noch dramatischer zu bewerten", betonte Corell.