Bayerische Staatsregierung:Flüchtlinge statt Soldaten

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Der Druck auf den bayerischen Ministerpräsidenten wächst: Horst Seehofer ist in die Kritik geraten, das Flüchtlingsproblem verschleppt zu haben. Nun reagiert er mit einer Forderung an Verteidigungsministerin von der Leyen.

Von Mike Szymanski, München

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) fordert Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf, leer stehende Kasernen rasch zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Anders sei der anhaltende Flüchtlingsstrom kaum zu bewältigen.

"Die Suche nach Liegenschaften ist nicht einfach. Natürlich würden uns Kasernen enorm weiterhelfen", sagte der CSU-Chef am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Die Erstaufnahmeeinrichtungen im Freistaat sind überfüllt. Flüchtlinge werden bereits in Festzelten untergebracht. Das Bayerische Rote Kreuz hatte am Freitag die Zustände in Bayerns Unterkünften als "humanitäre Katastrophe" bezeichnet.

Container als verantwortbare Brückenlösung

Die Diakonie Bayern legte ein Neun-Punkte-Programm vor, um die Lage der Flüchtlinge zu verbessern. Darin wird unter anderem auch gefordert, Immobilien des Bundes zu nutzen. Außerdem plädiert die Diakonie "für einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang nach drei Monaten und bei genügendem Einkommen auch für die frühzeitige Erlaubnis zum Auszug aus den Asylunterkünften". Die Bayerische Staatsregierung solle ein "Notfallprogramm" entwerfen, um auf weiter steigende Flüchtlingszahlen angemessen reagieren zu können.

Flüchtlinge in Bayern
:Rotes Kreuz attackiert Regierung

Deutlicher geht es nicht: Das Rote Kreuz bezeichnet die Lage in den bayerischen Flüchtlingsunterkünften als "humanitäre Katastrophe". Die Staatsregierung habe völlig versagt.

Seehofer sagte angesichts der schwierigen Lage: "Es muss doch möglich sein, dass wir hier wesentlich schneller die Liegenschaften für diese Flüchtlingsunterbringung bekommen." In Franken haben erste Kommunalpolitiker der Verteidigungsministerin damit gedroht, leere Kasernen zu besetzen, von denen es in Bayern mehrere gibt.

Am Dienstag befasst sich das bayerische Kabinett mit der Flüchtlingssituation. Seehofer sagte: "Die Prognosen werden pausenlos nach oben korrigiert. Da spiegelt sich wieder, dass die Welt aus den Fugen geraten ist." Es werde in Bayern darum gehen, eine "beachtliche Zahl" an zusätzlichen Plätzen in Unterkünften zur Verfügung zu stellen. Konkrete Zahlen nannte er aber noch nicht. Aus dem Finanzministerium verlautete, am Geld werde die Flüchtlingspolitik nicht scheitern. Man werde alles tun, um zu verhindern, dass im Winter Flüchtlinge noch in Zelten untergebracht werden müssten. Container wären nach Ansicht von Seehofer eine verantwortbare Brückenlösung.

Er kündigte im Gespräch mit der SZ einen ständigen Kabinettsausschuss an, der die Situation verfolgen und in jeder Sitzung des Ministerrats berichten soll. Diesem "kleinen Kabinett" sollen Innenminister Joachim Herrmann, Sozialministerin Emilia Müller, Finanzminister Markus Söder und der neue Chef der Staatskanzlei, Marcel Huber, angehören.

"Die Regierung unterlässt das Regieren"

Zudem will Seehofer einen Runden Tisch unter seiner Leitung mit Kommunalpolitikern, Kirchenvertretern und Flüchtlings- und Wohlfahrtsorganisationen ins Leben rufen. Hilfsmaßnahmen müssten besser miteinander abgestimmt werden. "Wir haben mit Sicherheit den Scheitelpunkt noch nicht erreicht", sagte der Regierungschef. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass uns die Flüchtlingsproblematik jahrelang beschäftigen könnte."

Seehofer war in den vergangenen Tagen heftig in die Kritik geraten. Er habe das Problem verschleppt. Am Wochenende warf SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher Seehofer und der CSU vor, durch Untätigkeit dem Freistaat zu schaden. "Die Regierung unterlässt das Regieren. Die CSU ist seit Beginn der Legislaturperiode ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, sagte Rinderspacher. "Ganz wesentliche Themen bleiben deshalb schlicht und ergreifend liegen." Als gravierendstes Beispiel nannte Rinderspacher die dramatische Lage in den Flüchtlingsunterkünften.

© SZ vom 08.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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