Verkehr:Augsburg soll Fahrradstadt werden

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  • Augsburg hatte das Ziel, den Anteil der Fahrräder am Gesamtverkehr bis 2020 auf 25 Prozent zu steigern - doch der Anteil liegt nur bei 19,4 Prozent.
  • Ein Bündnis will nun ein Bürgerbegehren auf den Weg bringen: "Fahrradstadt jetzt".
  • Das bräuchte 11 000 Unterschriften, damit es tatsächlich zu einer Abstimmung kommt.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Der sogenannte Pfersee-Tunnel direkt am Hauptbahnhof von Augsburg ist ein gutes Beispiel. Es ist so eine Unterführung, wie es sie in jeder größeren bayerischen Stadt gibt: Es ist laut dort, es stinkt nach Abgasen, Radler und Fußgänger kommen sich genauso in die Quere wie Radler und Autofahrer. "Ein Unfallschwerpunkt" sei das, sagt Arne Schäffler vom ADFC Augsburg. Seit drei Jahren steht die Forderung nach Tempo 30 im Raum, um die Situation wenigstens etwas zu entschärfen. Passiert ist bislang nichts.

Passiert ist bislang auch insgesamt wenig in Augsburg, was den Radverkehr anbelangt, das hat gerade wieder eine Studie gezeigt. Augsburg hatte das Ziel, den Anteil der Fahrräder am Gesamtverkehr bis 2020 auf 25 Prozent zu steigern. Tatsächlich ist man inzwischen bei 19,4 Prozent gelandet. Das ist einigen Aktivisten zu wenig, ein Bündnis aus ADFC, "Fridays for Future" und dem Forum Augsburg lebenswert will deshalb nun ein Bürgerbegehren auf den Weg bringen: "Fahrradstadt jetzt". Die Forderungen gehen weit, so sollen etwa jährlich drei Prozent der Autoparkplätze in der Innenstadt wegfallen. Welche Sprengkraft ein solches Bürgerbegehren haben kann, zeigt ein Blick in die Nachbarstadt München: Dort hatten im vergangenen Jahr Aktivisten für zwei Radbegehren mit ähnlichen Forderungen innerhalb von drei Monaten 160 000 Unterschriften gesammelt - nötig wären nur 33 000 gewesen. Es waren die erfolgreichsten Bürgerbegehren in der Geschichte der Stadt.

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In Augsburg bräuchte ein Begehren nur 11 000 Unterschriften, damit es tatsächlich zu einer Abstimmung kommt. Die Organisatoren gehen aber ebenfalls von deutlich mehr Stimmen aus, die sie sammeln werden. "Wir sind uns auf jeden Fall sicher", sagt Mitinitiator Jens Wunderwald, "dass wir nicht scheitern werden." Die Aktivisten lassen ihre Forderungen gerade juristisch auf Tauglichkeit für ein Begehren prüfen, unter anderem wollen sie mehr Sicherheit für Radfahrer, mehr Platz und mehr Abstellmöglichkeiten. Eine jährliche Reduzierung der Parkplätze in der Innenstadt sei für Geschäftsleute berechenbar und mache Augsburg zu einer lebenswerteren Stadt, da ist sich Wunderwald sicher.

Arne Schäffler vom ADFC betont, dass es in Augsburg an durchgehenden Radverbindungen fehle. Zu viele Radwege hörten plötzlich auf, führten in Kreuzungen und dann nicht wieder heraus oder gleich auf den Gehweg. "Das ist gefährlich, wir brauchen konsequente Wegführungen." Die Initiatoren wollen auch eine Änderung der Stellplatzsatzung bei Neubauten erreichen: weniger Parkplätze, mehr Fahrradabstellplätze. "Das würde auch das Bauen billiger machen", sagt Schäffler.

Aktivist Wunderwald ist in der Augsburger Lokalpolitik für die ÖDP tätig. Vorwürfe, er wolle mit der Initiative ein paar billige Punkte im Wahlkampf einsammeln, weist er von sich. Zeitlichen Druck hätten vor allem die jungen Mitstreiter von "Fridays for Future' ausgeübt: Sie seien es, die die erhöhte Aufmerksamkeit im Wahlkampf nutzen und nach den Demonstrationen nun auch ein konkretes Projekt umsetzen wollen. Das Thema "Fahrrad" sei da prädestiniert: "Da kann Kommunalpolitik viel selbst entscheiden und schnell voranbringen, viel mehr als beim Nahverkehr."

Die Parteien in Augsburg jedenfalls zeigen sich aufgeschlossen, erste Gespräche haben bereits stattgefunden. Die CSU-Oberbürgermeister-Kandidatin Eva Weber sagt, dass der Autoverkehr sich im Stadtraum nur dann auf ein verträgliches Maß reduzieren könne, "wenn wir intelligente Mobilitätsangebote schaffen". Sie will das Radwegenetz ausbauen und Schnellverbindungen schaffen, aber nicht das Fahrrad gegen andere Verkehrsmittel ausspielen. SPD-Kandidat Dirk Wurm will auch den Autoverkehr reduzieren und Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Innenstadt und in Wohngebieten.

Und Martina Wild, Kandidatin der Grünen, schließt sich den Forderungen ohnehin weitgehend an. Sie betont, dass Mitglieder der Partei bei den Vorbereitungen zum Radbegehren einbezogen waren. Vor allem die Grünen sehen sich allerdings dem Vorwurf ausgesetzt, unter anderem der Freien Wähler, dass sie doch in der Regierungsverantwortung mit CSU und SPD stehen und deshalb die vergangenen Jahre genug Zeit gehabt hätten, Verbesserungen umzusetzen. Sie kontern, dass viele ihrer Anträge zum Thema Fahrrad abgelehnt worden seien.

ADFC-Vorstandsmitglied Schäffler kritisiert, dass die Stadt nur Fahrradprojekte anpacke, die leicht durchsetzbar seien. Fahrradpolitik sei in Augsburg schwieriger als in München, das gesteht er der Politik zu, die Stadt sei alt, es gebe viel mehr enge Straßen. Bei vierspurigen Fahrbahnen zwei Spuren wegzunehmen, sei keine Kunst. Es brauche auch Lösungen für kleine Gassen. "Wir wollen endlich den Willen der Stadt sehen, wirklich etwas zu tun." Dazu gehören seiner Ansicht nach explizit nicht drei vollautomatische Fahrradparkhäuser, die die Stadt bauen will. Pünktlich zum angekündigten Radbegehren hat die Stadt Mitte der Woche eine Mitteilung herausgegeben, dass am Freitag der Verkehrsminister kommt und einen Förderbescheid dazu vergibt. "Das ist ein alter Hut", sagt Schäffler. "Das wird uns schon seit Jahren immer wieder als Erfolg verkauft."

© SZ vom 31.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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