Als Markus Baumann kürzlich im Wirtschaftsausschuss des Augsburger Stadtrats saß, um über den Stand des Ausbauprojekts der Bahnstrecke zwischen Augsburg und Ulm zu berichten, schickte er seinem Vortrag vorsichtshalber eine kleine Erklärung voraus: Ihm sei schon bewusst, dass Augsburg größer sei als Ulm, "weitaus größer", sagte der Projektleiter der Bahn. Der Ausbau laufe aber trotzdem unter dem Titel "Ulm - Augsburg" und nicht "Augsburg - Ulm", weil die Strecke Stuttgart - Ulm ja schon im Bau und der Abschnitt nach Augsburg davon quasi die Verlängerung sei. Er wolle das nur mitteilen, sagte Baumann und hob entschuldigend die Schultern: "Ich bin schon öfter darauf angesprochen worden."
Die Befindlichkeiten sind groß bei dem schon lange diskutierten Bahnausbau - und wenn es nur darum geht, welche Stadt zuerst genannt wird. Landkreise, Städte, Fahrgastverbände, alle haben andere Wünsche, was den künftigen Streckenverlauf anbelangt. Dabei geht es bei dem Projekt nicht nur darum, Pendler zwischen Augsburg und Ulm schneller zu befördern, es geht auch darum, die sogenannte Magistrale für Europa, die Verbindung zwischen Paris und Budapest flotter zu machen - und so laut Bahn 35 Millionen Menschen angemessen zu vernetzen.
Neues Bahn-Konzept:ICE im S-Bahn-Takt
Die Bahn will jetzt schon ab 2021 die ersten Fernverbindungen im Halbstunden-Rhythmus anbieten. Der sogenannte Deutschland-Takt wäre das Ende des althergebrachten Fahrplans.
Zudem will die Bahn eine Zielfahrzeit von 3:49 Stunden zwischen Köln und München schaffen, was nach jetzigem Stand, bei dem sich Nahverkehr und Fernverkehr zwei Gleise teilen, unmöglich ist. Es nützt nicht viel, wenn das Teilstück zwischen Stuttgart und Ulm in den nächsten Jahren fertig ausgebaut ist, die Züge dann aber hinter Ulm wieder ausgebremst werden. Deshalb starten die Arbeiten nun so richtig, gerade finden die ersten Vermessungsarbeiten statt. Das Problem ist: Allein alle Streckenvarianten zu prüfen und schließlich eine zu favorisieren, dauert nun erst einmal bis zum Jahr 2025.
Baumann und seine Mitarbeiter haben gerade frisch Büros in Augsburg bezogen. Von Anfang 2020 an werden in der Bahnhofstraße acht Leute sitzen, die das Projekt beaufsichtigen und externe Firmen lenken. Baumann hatte schon bis jetzt allerhand zu tun, auch um möglichst alle Beteiligten mit einzubeziehen: Er tourt bereits lange durch Stadträte und Gemeinderäte, spricht mit Fahrgastverbänden und Landräten. Mehr als 160 Jahre alt ist die 85 Kilometer lange Strecke zwischen Augsburg und Ulm, jetzt, wo endlich grundsätzlich etwas verändert wird, wollen alle das Maximum für sich herausholen.
Die Landkreise und kleineren Orte an der Strecke legen Wert auf neuen Lärmschutz, barrierefreie Bahnsteige und einen zuverlässigeren sowie höher getakteten Nahverkehr. Sie favorisieren deshalb eher zusätzliche Gleise an der bestehenden Strecke, weil dann die anderen Neuerungen leichter durchzusetzen sind. Augsburgs Wirtschaftsreferentin sind die Pendler ebenfalls ein Anliegen, sie will es aber auch "nicht noch einmal erleben, dass wir im Fernverkehr abgehängt werden", und spielt damit auf den Ausbau der Nord-Süd-Verbindung der Bahn über Ingolstadt an, als Augsburg vor Jahren leer ausging.
"Man wird nicht alle Wünsche befriedigen können", sagt Markus Baumann. Aber er will eine Trasse finden, die "mit möglichst wenig Betroffenheiten auskommt" für Natur und Mensch und möglichst viele Anliegen berücksichtigt. Deshalb prüfen sie ja so viele Varianten, deshalb dauert die Planung fünf Jahre. Für Baumann ist dabei vor allem eines wichtig, denn das ist sein Auftrag: Züge sollen zwischen Augsburg und Ulm künftig 27 Minuten fahren, nicht wie bisher 38 bis 43 Minuten. Nur so kann der sogenannte Deutschlandtakt eingehalten werden, der im gesamten Netz der deutschen Bahn sicherstellen soll, dass Fahrgäste an Knotenpunkten problemlos umsteigen können. Ob deshalb nun an der bestehenden Strecke ausgebaut wird oder eine neuen Fernverkehrsverbindung an der A 8 entlang entsteht, da will sich Baumann nicht festlegen. "Wir werden alle Möglichkeiten anschauen." Um den Nahverkehr und den Fernverkehr zu verbessern, so viel kann Baumann schon sagen, wird es am Ende wohl vier Gleise brauchen. Egal, ob die nun alle an der Bestandsstrecke, etwa zwischen Augsburg und Dinkelscherben, oder getrennt auf verschiedenen Trassen verlaufen. Das zeigen die Erfahrungen des Ausbaus zwischen München und Augsburg und Stuttgart und Ulm.
In Baden-Württemberg wird schon gebaut, von 2022 an fahren dort die Züge schneller
Dort, in Baden-Württemberg, werden Züge auf der neuen Strecke zwischen Stuttgart und Ulm künftig auch bis zu 250 Kilometer pro Stunde schnell fahren können. Auf der alten Trasse sind nur Höchstgeschwindigkeiten zwischen 70 und 160 möglich. 54 Minuten braucht ein Fernverkehrszug heutzutage von Ulm nach Stuttgart. Nach dem Ausbau sollen es nur noch knapp 30 Minuten sein - auch das ist wichtig für den Deutschlandtakt. Auf der Neubaustrecke werden schon die ersten Gleise verlegt, die Beschleunigung kommt aber schrittweise und beginnt frühestens in drei Jahren mit dem Fahrplanwechsel Ende 2022. Dann wird sich die Fahrzeit laut Bahn zunächst um zehn bis fünfzehn Minuten verkürzen.
Denn der Ausbau zwischen Ulm und Stuttgart ist in zwei Abschnitte unterteilt: Zum einen ist da die Neubaustrecke über die Schwäbische Alb, die gut im Zeitplan liegt, zum anderen das Projekt Stuttgart 21, bei dem es nicht nur um einen Tiefbahnhof geht, sondern auch um eine neue Bahntrasse zwischen der Schwäbischen Alb und der Landeshauptstadt. Bei Stuttgart 21 hakt es nach wie vor gewaltig, für die Strecke am Flughafen vorbei gibt es noch nicht einmal eine rechtsgültige Planung. Offiziell geht die Bahn derzeit von einer Inbetriebnahme Ende 2025 aus. Ob das klappt, ist jedoch genauso offen wie die Frage, wie weit der Kostenrahmen des Milliardenprojekts bis dahin noch nach oben korrigiert werden muss.
Für den Abschnitt zwischen Ulm und Augsburg kalkuliert der Bundesverkehrswegeplan momentan mit 2,1 Milliarden Euro. Projektleiter Baumann kann sich da aber nicht festlegen: Kosten werden frühestens absehbar, wenn eine Trasse geplant ist. Das gilt auch für den Zeitrahmen: Wer weiß, ob nicht allein Klagen gegen das Projekt den Bau verzögern werden? Fest steht, wenn die Züge endlich schnell durch Baden-Württemberg rauschen, wird in Bayern erst die Trassenplanung beendet sein. Überhaupt wird der Abschnitt zwischen Augsburg und Ulm der letzte sein, der neu überplant den Westen mit dem Osten verbindet, alle anderen Teilstücke zwischen Köln und München sowie Paris und Budapest werden dann schon modernisiert sein. "Wichtig ist, dass es jetzt schnell vorangeht. Es kommt auf jedes Jahr an", fordert deshalb etwa der Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Winfried Karg. Schneller gebaut wäre wohl eine komplett neue Trasse. Baut man zudem in den Orten die Bestandsstrecke aus, hätten die Städte und die Gemeinden eine höhere Belastung, nicht nur während der Bauzeit.
Laut Bahn können durch den Ausbau zwischen Augsburg und Ulm 112 Millionen Pkw-Kilometer und 17 Millionen LkW-Kilometer pro Jahr eingespart werden. Das wären 23 000 Tonnen Kohlendioxid (CO₂)-Emissionen im Jahr weniger als bislang. Augsburgs Wirtschaftsreferentin Weber sieht aber auch den wirtschaftlichen Impuls für die Region. Das würde Schwaben, sagt sie, einen großen Schub geben. Weber sieht letztlich das große Bild: "Es geht hier darum, wie die künftige Anbindung Augsburgs an den Westen aussehen wird."