Augsburger Hauptbahnhof:Nächster Halt: Baustelle

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Bis 2023 soll der Augsburger Hauptbahnhof renoviert werden. (Foto: Thomas Hosemann)

Während oben die Züge fahren, wird im Untergrund gebohrt und gegraben: Bei laufendem Betrieb wird der Bahnhof für 230 Millionen Euro renoviert - und ist zu einer kleinen Attraktion geworden.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Im neuen Hauptbahnhof geht es geschäftig zu. Unten fährt eine Trambahn ein, im Zwischengeschoss werden Rucksäcke und Koffer geschleppt. Oben ist der Bahnsteig ziemlich belebt, auch wenn gerade kein Zug zu sehen ist. Der umgebaute Bahnhof mit dem unterirdischen Tramhaltepunkt kommt gut an, zumindest in dem Legomodell, das in der Infobox der Stadtwerke Augsburg (SWA) am Vorplatz steht: 50 000 Legosteine hat ein SWA-Mitarbeiter verbaut, 200 Figuren beleben das Modell. So soll es hier mal aussehen, im Jahr 2023 - bis dahin ist der echte Augsburger Bahnhof noch eine Großbaustelle.

Der Umbau des Hauptbahnhofs ist ein Jahrhundertprojekt für die Stadt und mit bis zu 250 Millionen Euro deutlich teurer als das Legomodell, dessen Steine immerhin auch 5000 Euro gekostet haben. Der Augsburger Hauptbahnhof ist das älteste noch in Betrieb befindliche Bahnhofsgebäude einer deutschen Großstadt, entsprechend hat es die vergangenen Jahre ausgesehen. Im Jahr 2012 wurden die ersten Vorarbeiten gestartet, bis dahin und seitdem haben sie hier schon viel diskutiert, ob es das Projekt überhaupt braucht, ob die Kostensteigerungen noch tragbar sind, wie die Linienführung der Trambahn zum Uniklinikum einmal aussehen soll. Und immer wieder kommt in Augsburg auch die Sorge auf, dass die Stadt trotz des dann neuen Bahnhofs vom Fernverkehr der Bahn weiter abgekoppelt wird.

Die Angst, im Bahnverkehr links liegen gelassen zu werden, ist in Augsburg historisch bedingt. 1846 haben die Augsburger ganz schnell einen neuen Hauptbahnhof hingestellt, der alte, am Roten Tor, hätte von den Zügen der königlich bayerischen Eisenbahn nicht angefahren werden können. Das Bauwerk war ziemlich provisorisch. "Da haben sie sich wohl ein bisschen geschämt damals", sagt Dorothee Schäfer von den Stadtwerken. 1869 haben sie deshalb das Empfangsgebäude schön ausgebaut, zuletzt ist es in den 1980er Jahren renoviert worden. Seit die Schnellverbindung von München nach Nürnberg an Augsburg vorbei läuft, ärgern sie sich hier über jeden Zug, der wegen Taktanpassungen an der Stadt vorbeigeleitet wird. Dabei werden bald mit dem Ausbau der Strecke von Stuttgart nach Ulm ohnehin deutlich mehr Fernzüge in Augsburg verkehren.

Dorothee Schäfer jedenfalls, Projektkommunikationsleiterin der Stadtwerke, ist die richtige Frau für einen Rundgang durch die Baustelle. Sie macht hier auch öffentliche Führungen, und die Leute sind sehr interessiert: Fast 20 000 Besucher haben sich bei 150 Rundgängen bereits informiert, wie hier gebaut wird. "Das Interesse freut uns natürlich, die Baustelle ist aber auch ziemlich spektakulär", sagt Schäfer.

Der Bahnbetrieb läuft parallel zu den Bauarbeiten normal weiter. (Foto: Stephan Rumpf)

Da verspricht sie nicht zuviel, allein in einer Grube direkt unter dem denkmalgeschützten Bahnhofsgebäude qualmt, knattert und staubt es mächtig. Arbeiter bohren hier gerade Löcher für Stahlseile - sie sind nötig, damit die Wand nicht einstürzt, gegen die das Erdreich drückt. Die Tunnelwände sind hier schon fertig, im Düsenstrahlverfahren haben Arbeiter Beton ins Erdreich gespritzt. Damit das Gebäude nicht in die 16 Meter tiefe Grube purzelt, musste es gestützt werden.

Überhaupt ist es schwierig, einen Bahnhof unter laufendem Betrieb umzubauen. Auf der Westseite haben sie hier schon einen 20 Meter breiten, zehn Meter langen und hohen Tunnelabschnitt gebaut und dann erst von einer Spezialfirma mit hydraulischen Pressen über elf Meter weit an die dafür vorgesehene Stelle geschoben: Aus Platzgründen hätte er nicht an der Stelle direkt gebaut werden können. Gerade wird an den Gleisen fünf und sechs gearbeitet, mit der sogenannten Deckelbauweise. Über den ins Erdreich betonierten Bohrpfählen mit einem Durchmesser von 1,20 Meter kommt dabei ein Betondeckel, danach erst graben Arbeiter die Erde aus dem Tunnel.

Ein Zwischengeschoss soll Fahrgäste von oberirdischen Zügen zu unterirdisch fahrenden Trams leiten. Visualisierung: Stadtwerke Augsburg/edgeflow (Foto: N/A)

Laut Deutscher Bahn benutzen den Bahnhof täglich 44 000 Fahrgäste, 900 Züge halten dort, davon 240 Fernzüge. Die Fahrgäste sollen künftig leichter von der Bahn auf den Nahverkehr umsteigen können: Die Züge halten an der Oberfläche, über das Zwischengeschoss werden die Passagiere geleitet, im Untergeschoss halten die Trambahnen verschiedener Linien. Allerdings wird es bis zum Jahr 2023 kaum mehr möglich sein, hier die neu geplante Linie zum Uniklinikum durchzuleiten. Die Stadt hat sich noch einmal eine andere Trassenführung überlegt, die rechtlichen Hürden sind hoch, es ist mit Einwänden zu rechnen. Zum Start könnten die Augsburger mit einem schönen neuen Bahnhof dastehen, ein damit verbundenes, wichtiges Tram-Projekt allerdings lässt auf sich warten.

Vor allem unterirdisch wird viel gearbeitet am Augsburger Hauptbahnhof.. (Foto: Stephan Rumpf)

Und immer wieder gibt es Diskussionen über die Finanzierung: Ursprünglich, so führen Kritiker an, seien 70 Millionen Euro für den Umbau veranschlagt worden. "Ich weiß nicht, woher die Zahl kommt", sagt dagegen Schäfer. "Die erste Kostenberechnung im Jahr 2007 belief sich auf 96 Millionen Euro." Die Steigerung auf derzeit 230 und im schlechtesten Fall 250 Millionen Euro Bau- und Planungskosten ist dennoch immens, dazu kommen noch andere Posten wie Projektsteuerungskosten. Vor allem die örtliche SPD kritisiert das. Der Bund der Steuerzahler sprach jüngst sogar von Endkosten in Höhe von 300 Millionen Euro, konnte diese Zahl aber am Ende selbst nicht belegen. Die Befürworter argumentieren, dass den Hauptteil der Baukosten Bund und Freistaat zahlen und auch die Bahn. Stadt und Stadtwerke kommen momentan auf 55 Millionen Euro.

Die Kostensprünge sind laut SWA auf allgemeine Steigerungen im Bausektor zurückzuführen, vor allem aber auch darauf, dass die Planungen stetig erweitert und verbessert wurden - bis hin zu hinterleuchteten Glaswänden an der unterirdischen Tramhaltestelle. Es wird, so viel ist klar, ein Mix aus modernem und altem Standard. Das Bahnhofsgebäude ist denkmalgeschützt: Sie haben beim Umbau sogar die historischen Fenster aufgehoben - um sie zum Schluss wieder einbauen zu können.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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